Ein streitbarer Pfarrer und ein kommunistischer Bürgermeister haben die norditalienische Bassa weltberühmt gemacht. Besonders in Brescello begegnen Touristen auf Schritt und Tritt den Helden des Satirikers Giovannino Guareschi.
Im Winter legt sich der Nebel in dicken Schwaden auf die Bassa, auf das platte Tiefland, das der Po zwischen die Alpen und den Apennin geschnitten hatten. Endlos folgen Pappelalleen dem Lauf des träge dahin fließenden Flusses, der nach der Schneeschmelze im Frühjahr an den Deichkronen nagt. Im Sommer lähmt eine heiße Schwüle das Land, das Leben wird träge. Einzig Heerscharen von Mücken tanzen im Licht.
Hier, im äußersten Nordwesten der Emilia-Romagna, liegt die mondo piccolo, die kleine, aber durchaus nicht immer heile Welt von Don Camillo und Peppone. Ihre Geschichte erscheint erstmals Weihnachten 1946 in der satirischen Wochenzeitschrift Candido.
Ihr Chefredakteur war zugleich der geistige Vater der Figuren: der Satiriker, Journalist und Karikaturist Giovanni Guareschi (1908 – 1968). „Ich will mich nicht anmaßen, ihr Schöpfer zu sein; ich habe sie nicht geschaffen, ich haben ihnen nur eine Stimme gegeben, geschaffen wurden sie von der Bassa“, schickte er seinem Romandebüt voran.
Die beiden Kampfhähne, die trotz aller Differenzen stets dasselbe Ziel verfolgten – soziale Gerechtigkeit – wurden Lieblinge der Leser. Insgesamt 346 Erzählungen folgten. 1948 brachte sie Rizzoli als erstmals als Roman heraus, bis 1985 begeistern fünf weitere Schelmenromane über den Clinch zwischen Kirche und Kommunismus die Leser.
Einen angemessenen Schauplatz für die Verfilmung fanden Guareschi und sein Regisseur Julien Duvivier (1896 – 1967) nach monatelanger Suche in Brescello. Zuvor hatte Duvivier die Bitte Guareschis, doch seinen rund 40 km entfernten Geburtsort Fontanelle di Roccobianco zu wählen, kategorisch abgelehnt.
So pilgern die bis heute jährlich mehr als 50.000 Film-Fans in das 5.000 Einwohner-Städtchen Brescello, das die Erinnerung an die charismatischen Antipoden heute mit einem Rundweg zu den wichtigsten Don Camillo & Peppone-Stätten hochhält.
Erste Station ist das Don Camillo & Peppone-Museum mit Erinnerungsstücken aus dem Leben des Schriftstellers, vielen Fotos aus der Zeit der Filmaufnahmen und der Moto Guzzi des Bürgermeisters, deren Farbe dessen Gesinnung zeigte: rot.
Eingerichtet wurde es 1989 in einem ehemaligen Benediktinerkloster, das heute als Kulturzentrum auch eine Bibliothek und das Archäologische Museum der Region birgt.
An der Piazza Matteoti zeigt sich, warum Brescello wie kein zweiter Ort für die Dreharbeiten geschaffen war: Der zentrale Stadtplatz ist durch eine Straße zweigeteilt in eine „rechte“ kirchliche und „linke“ weltliche Macht. Sie stehen sich nicht frontal, sondern schräg gegenüber – so, wie sich auch die beiden Schlitzohren im Film stets ansehen.
Im Süden erhebt sich die Pfarrkirche Santa Maria Nascente mit dem ihrem Uhrturm, dem für den Film erbauten Säulenportal und dem Jesus-Kruzifix in der Seitenkapelle, das im Film mehrfach mit Don Camillo Zweisprache hielt, im Osten das Municipio, das Rathaus. Über den weitläufigen Platz grüßen sich seit 2001 die beiden Kontrahenten.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des ersten Films goss der Bildhauer Andrea Zangani die beiden Protagonisten in Bronze: Don Camillo hält ein Gebetsbuch in der Hand, aus Peppones Jacke lugt die Kommunisten-Postille „Unità“.
Ihre Gesichter tragen die Züge der Filmstars: Don Camillo besitzt das „Pferdegesicht“ des französischen Komikers Fernandel (1903 – 1971), der während der Dreharbeiten zum sechsten Streich an Lungenkrebs verstarb, Peppone den markanten Schnauzbart des damals populären Volksschauspielers Gino Cervi (1901 – 1974), der Guareschi überraschend ähnlich sieht. Seine Büste ziert einen kleinen Platz neben dem Museum.
Schritt auf Schritt folgen beim Rundgang durch das Städtchen Infoschilder zu berühmten Requisiten, die mitunter Überraschendes mitteilen. So sei die riesige „Glocke des Volkes“, die im Film „Hochwürden Don Camillo“ von Peppone angeschafft wurde, um dem Glockenmonopol der Kirche ein Ende zu bereiten und heute in den Arkaden der Via Gigloli hängt, nicht aus Bronze, sondern nur aus Pappmaché gefertigt.
20 Jahre lang war Brescello Drehort, von der Nachkriegszeit bis zu den Flower-Power-Tagen. Der Kalte Krieg drang in die Geschichten aus der Bassa ein wie die langsame Öffnung der Welt.
Im fünften Film fährt Don Camillo nach Moskau. Als Roter Platz dient die Piazza von Brescello. Dick vermummt schwitzen die Bewohner der Kleinstadt als Komparsen im fiktiven russischen Winter, während die italienische Sommerhitze auf die Köpfe niederbrennt.
Alberto und Carlotta, die längst mehr als 70-jährigen Kinder Guareschis, schmunzeln, als sie von den Dreharbeiten erzählen. Ihr gemeinsames Heim in Roncole Verdi haben die Geschwister in eine Wallfahrtsstätte für Guareschi-Fans verwandelt – mit der Dauerausstellung Tutto il mondo di Guareschi und einem schier unglaublichen Guareschi-Archiv: 200.0000 Dokumente, Bücher und Bilder.
Mit Akribie und Inbrunst hält das Duo die Erinnerung an den berühmten Vater lebendig, bringt alle vier Monate die dazu die Zeitschrift „Il Fogliaccio“ heraus und veranstaltet alljährlich einen Literaturwettbewerb in seinem Andenken.
Auch die Kneipe, die sich Guareschi von seinen Tantiemen in Roncole gekauft und bis zu seinem Tod betrieben hat, wollen die Geschwister wieder zum Leben erwecken.
Was dort ausgeschenkt wird, haben sie bereits in Brescello entdeckt: eine spezielle Lambrusco-Abfüllung, die genauso gut sein soll wie der „Versöhnungswein“, den die beiden Titelhelden einst immer wieder genossen hatten. So trägt auch das Etikett des halbtrockenen Perlweins das Konterfei von Don Camillo und Peppone.
Auf einer Holzplatte servieren sie dazu die traditionellen Antipasti der Bassa: die würzig-feinen Schinken Prosciutto di Parma und Culatello di Zibollo und einen großes Stück Parmigiano Reggiano. Mit einem kurzen, mandelförmigen Messer ritzt Carlotta den nussigen Hartkäse an und bricht einen Brocken heraus. Darauf noch ein paar Tropfen Aceto Balsamico. Che gustoso!
Seine letzte Ruhestätte fand Guareschi auf dem kleinen Friedhof des Ortes. In der dazu gehörigen San Michele-Kirche wurde der zweite berühmte Mann der Bassa getauft, der 1813 nur wenige Schritte vom heutigen Guareschi-Museum das Licht der Welt erblickte: Giuseppe Verdi. Sein Geburtshaus, ein zum nationalen Monument hinrenoviertes Bauernhaus mit Büste und Lorbeerkranz vor der Tür, wirkt wie eine Filmkulisse.
Auf den Spuren von Don Camillo und Peppone in der Bassa
Ansehen
Museo “Brescello e Guareschi, il territorio e il cinema”
Via Cavallotti, 24, I-42041 Brescello, https://visitbrescello.it/museo-guareschi-il-territorio-e-il-cinema
Schlafen & schlemmen
Antica Corte Pallavicina Relais*
Irdische Paradiese sind selten – doch der Italiener Massimo Spiralogi hat ein solches am Ufer des Po geschaffen. Hinter den Mauern seines wehrhaften Gutshofes aus dem 14. Jahrhundert hat er unter getäfelten Decken vier Zimmer und zwei Suiten exquisit im traditionellen Stil eingerichtet.
Das ist bereits wundervoll – doch paradiesisch sind hier vor allem Keller und Küche. Alles, was das Gut liefert, wird vor Ort verarbeitet in typisch lokale Köstlichkeiten der Romagna. Und so kommt aus der hauseigenen Käserei allerbester Parmeggio. Im tiefen Keller dicht an dicht feinster Culatello aus der hauseigenen Herstellung, hier und da versehen mit den Reservierungszetteln berühmter Sterne- und Slowfood-Restaurants.
•Strada del Palazzo Due Torri, 34, I – 43010 Polesine Parmense (Parma), Tel. +39 5 24 93 65 39, www.anticacortepallavicinarelais.it
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Informieren
Italienische Zentrale für Tourismus
(ENIT)
• Neue Mainzer Strasse, 26, D – 60311 Frankfurt/Main, Tel. 069 23 70 69, www.enit.it
Municipio di Brescello
Ufficio turistico
• I – 42041 Brescello, Tel. +39 5 22 48 25 23, www.mondoguareschi.com, https://visitbrescello.it
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Don Camillo und Peppone*
1957 erschien im Rowohlt-Verlag Hamburg die deutsche Übersetzung der Geschichten zwischen dem Landpfarrer Don Camillo und dem heißblütigen “roten” Bürgermeister Peppone. Auch ein Vierteljahrhundert später sind die Erlebnisse und Auseinandersetzungen beste Unterhaltung – pointiert, charmant, voller erblüffende Komik und verschmitzter Lebensklugheit.
Keine platte Komödie, sondern jenseits des Lustigen, der fliegenden Fäuste und Pointen auch durchaus nachdenklich – das macht die Erzählung zeitlos und menschlich. Wer mag, kann den Bestseller der Weltliteratur hier* online bestellen.
Don Camillo und seine Herde*
Der zweite Band führt nahtlos weiter, womit der erste Band endete, streiten Don Camillo und Peppone wie Worten wie mit Fäusten, stellt der Satiriker Guareschi die Ideologie der Democratia Christiana neben die der Kommunisten – und lässt in der kleinen Welt am großen Fluss sein Italien lebendig werden.
Auch die Fortsetzung bietet ein unbeschwertes wie nachdeckliches Lesevergnügen – nd ist von ungebrochener Aktualität. Wer mag, kann den zweiten Band hier* online bestellen.
Die Filme
Bitte nicht wundern: Die Filme erzählen die Geschichten von Don Camillo und Peppone nicht in der gleichen Reihenfolge wie in den Büchern. Die beste Verfilmung – und für viele bis heute die einzig “echte” – gelang dem französischen Regisseur Julien Duvivier.
Aus dem italienisch-französischen Spielfilm aus dem Jahr 1952 entstand eine fünfteiligen Don-Camillo-und-Peppone-Filmsaga*, die die beiden Hauptdarsteller Fernandel und Gino Cervi weltberühmt machte.
1983 versuchte Terence Hill mit Keiner haut wie Don Camillo* an den Erfolg der Filmsaga anzuknüpfen. Der blonde Italiener mit den berühmten blauen Augen dreht seine Version im kleinen Städtchen Pomponesco in der Provinz Mantua. Sämtliche Innendrehs – vor allem die in der Kirche – entstanden in den Filmstudios der Cinecittà von Rom.
Die Neuverfilmung ist sehr frei mit dem Orginal. So fährt Don Camillo jetzt Inline-Skates und versucht sogar, eine Trauung als Fallschirmspringer zu vollziehen.
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