Wer Goa kennt, braucht Lissabon nicht zu schauen, rühmte ein Sprichwort in Kolonialtagen. Zwar hat der einstige Glanz einige Altersflecken erhalten, doch kommen bis heute Entdecker auf ihre Kosten. Lusitanische Lebenslust, indischer Alltag und portugiesisches Erbe verbinden sich in hier zu einer faszinierenden Mischung: Goa – auch abseits der Traumstrände ein Paradies unter Palmen.
Indien, portugiesisch gefärbt. Nicht von Armut und Schicksals ergebenheit gekennzeichnet, sondern vom höchsten Lebensstandard des Subkontinents. Ein legendäres Land, im indischen Nationalepos “Mahabharata” erwähnt, später 451 Jahre unter portugiesischer Herrschaft, bis dieser Zustand 1961 durch die indische Armee beendet wurde.
Vom einstigen Glanz des “Goa Dourada” zeugen allerorten Ruinen und Relikte, prunkvolle Kirchen und Kapellen, mächtige Klöster, stattliche Handelshäuser und Herrensitze, erbaut im europäischen Kolonialbarock.
Seit dem Papstbesuch 1986 wird die einstige Hauptstadt Alt-Goa saniert, der imposante Kirchenpark aus dem Wurzel- und Blätterwerk überwuchernden Vegetation befreit. 200.000 Menschen hatten zur Blütezeit in Goa Velha gelebt, bis die Pest 1736 sämtliches Leben auslöschte, die Hauptstadt flussabwärts verlegt, das alte Zentrum vergessen wurde.
Heute sind die bedeutendsten Bauten wieder geöffnet, bekreuzigen sich Besucher der Bom Jesus-Basilika andachtsvoll vor den Gebeinen des Jesuitenpaters Franz Xavier. Alle zehn Jahre wird der gläserne Sarg des Heiligen St. Franz in einer feierlichen Prozession durch Alt-Goa getragen.
Nur wenig weiter erhebt sich das größte Gotteshaus das Landes: die Sé-Kathedrale mit ihrer berühmten goldenen Glocke. Außen schlicht weiß, innen verspielt verschnörkelt, ist der monumentale Bau das einzige Beispiel manuelischer Architektur in Asien.
An Sonn- und Feiertagen tuckern Barkassen von hier auf dem Mandovi-Fluss zurück nach Panaji (Panjim). Die Hauptstadt des kleinsten Unionsstaates, malerisch zwischen dem Höhenrücken des Altinho und dem Fluss gelegen, bietet kein Pflichtprogramm an Sehenswertem, sondern Stadtviertel wie Fontainhas oder San Tomé, deren alte Villen mit bunten Azulejos-Kacheln, Rundbögen und Gitterbalkonen voller Geranien vergessen machen, dass Panjim in Indien liegt.
Nicht nur in den Städten, auch auf dem Land hat die Kolonialzeit ihre Spuren hinterlassen. In Chandor dominiert das Anwesen der Familie Menezes-Bragança den staubigen Dorfplatz. 28 schmiedeeiserne Balkone säumen die langgestreckte Fassade. Auch sie leuchtet wieder in Weiß, neben Ochsenblut die “Hausfarbe” der Kolonialherren. Blaue Fassaden hingegen signalisieren nicht nur in Goa: Hier wohnt Brahmanen, Hindus der höchsten Kaste.
Acht Balkone führen zum “Blauen Salon”. Die alten Bleispiegel sind längst fleckig, doch schwere Lüster aus venezianischem Glas, fein gemusterte Wandbespannungen aus Samt und kunstvoll verlegtes Parkett beschwören im Geiste rauschende Feste. Der ruhige Gegenpol liegt am Ende einer Galerie: die Privatkapelle, prunkvoll an Wänden, Tür und Hausaltar mit echtem Blattgold verziert. Meist hielt der Hausherr die Andacht; nur bei Geburt und Tod wurde der Priester gerufen.
Da die Portugiesen ihre Kirchen auf den geschliffenen Fundamenten “heidnischer” Stätten errichteten, sind nur wenige Zeugen hinduistischer Kultur erhalten. Als schönster Tempel Goas gilt der mehr als 400 Jahre alte Shri Manguesh-Tempel. Am Prozessionsweg verkaufen fliegende Händler Kokosnüsse, Lotusblüten und Blumengirlanden – Opfer für Shiva, liebevolle Zugaben zum obligatorischen Geldschein.
Zwei lebensgroße Elefanten aus schwarzem Stein bewachen den Eingang zum Shri Bhagvati-Tempel bei Pernem. Im Oktober feiern mehr als 25.000 Hindus hier zehn Tage lang den Sieg Ramas über den Dämonen Ravana beim Dussehra-Fest. Nur bei Vollmond zeigt Shiva im Shri Chandranath-Tempel von Paroda seine göttliche Kraft.
Sobald Mondlicht die Lingam berührt, perlt Wasser aus dem penisförmigen Stein. Wer nicht daran glaubt, sollte dennoch zum Gipfel des 350 Meter hohen Chandranath hinauf pilgern – und die Aussicht genießen.
Landschaftlich gehört das kleine Land zu den reizvollsten Gegenden Südindiens: mit Palmenwäldern, Mango- und Cashew-Plantagen, hellgrünen Reisfeldern und dichtem, dunklen Dschungel. An der nordöstlichen Staatsgrenze, wo die Hänge der Westghats 800 Meter und mehr aufsteigen, bildet Bergwald den Molem-Nationalpark.
Hunderte Affen huschen durch das Bambusdickicht, schwingen sich an Efeu und Lianen von Baum zu Baum. Königskobras und Pythons sollen hier heimisch sein, ebenso Faultiere und Schakale. Einheimische glauben, dass neben den 80 Gaurs auch noch der eine oder andere Panther durch das Unterholz streift.
Ein Abstecher führt zu den Dudhsagar-Fällen. Tosend stürzen sich die Wassermassen des Candepar 603 Meter in die Tiefe und bilden mit ihrer Gischt einen “dudhsagar”, einen “See aus Milch” – besonders nach der Regenzeit ein eindrucksvolles Schauspiel.
Das Sumpf- und Mangrovendickicht der Chorao-Inseln bietet 200 Vogelarten, darunter zahlreichen Zugvögeln, als Salim Ali Bird Sanctuary Schutz. Auch das inzwischen selten gewordene Flusskrokodil lebt in der Wasserwildnis des Mandovi.
Selbst an der 120 Kilometer langen Küste mit ihren mal 20, dann 100 Meter breiten Sandstränden gibt es noch einige einsame Buchten und Lagunen. Ein Schotterpiste führt zur schönsten Szenerie: Palolem Bay. Massive Felsblöcke umrahmen die Bucht, träge plätschern die Wellen an den Strand. Ein kleines Dorf, ein paar einfache Restaurants. Ruhe. Einzig auf der vorgelagerten Canacona–Insel streiten sich Federvieh und Mensch um die besten Plätze.
Goa: Info
Reisezeit
Oktober bis Ende Februar.
Hinkommen
Goas Flughafen Dabolim-Airport wird von diversen Ferienfliegern aus Deutschlands direkt angeflogen. Zehn Stunden dauert die Fahrt mit der Konkan Railway von Goa nach Mumbai (Bombay); nur sieben Stunden die Überfahrt mit einem luxuriösen Katamaran.
Unterwegs
Auf dem Rücksitz eines Mopeds mitzufahren, ist die billigste und beliebteste Form der Fortbewegung. Ein Erlebnis ist die Fahrt mit dem (meist überfüllten) Bus. Werden Taxis für den Tag gemietet, muss der Tarif vorher unbedingt ausgehandelt werden!
Geld
Die indische Währung ist Rupie, unterteilt in Paisa. Euroschecks werden nicht akzeptiert, gängige Kreditkarten überall.
Die schönsten Herrenhäuser
• Salvador Costa Mansion, Loutolim
• Solar dos Colacos Mansion, Ribandar
• Pinto de Rosario Mansion, Porvorium
• Mascarenhas Mansion, Anjuna
• Vivian Coutinho Mansion, Fatorida
• Colaco Mansion, direkt am Mandovi-Fluss
Museums-Tipp
Rachol-Museum of Christian Art
Sieben Kilometer östlich von Margao liegt das Rachol-Seminar (17.Jh.). Seine größte Attraktion: das einzige Museum Südasiens zur christlichen Kunst.
Sehenswerte Städte & Märkte
- Mapusa (Map’sa gesprochen)
- Margao
- Vasco-da-Gama
- Ponda
Die schönsten Feste
- Januar: Shantadurga Prasann.
- Februar: Shri Mangesh Zantra.
- März: Holi-Fest, hier Shigmo genannt.
Outdoor-Highlights
Natur-/Wildparks
Bondla Wildlife Sanctuary, Cotigao Wildlife Sanctuary, Molem Wildlife Sanctuary, Salim Ali Bird Sanctuary.
Ausflugs-Seen
Carabolim Lake, Mayem Lake.
Höhlen
Arvalem Caves (mit Inschriften).
Dieser Beitrag ist unter dem Titel “Affen im Bambusdickicht” am 6. November 2000 auf Spiegel Online erschienen.
Zu Goa habe ich zudem meinen allerersten Reiseführer verfasst. Er wurde 1999 vom Hayit-Verlag in der Reihe “Nützliche Reisetips von A-Z” veröffentlicht.