Sightseeing mit dem Hafenbus

Betagte Speicher neben gläsernen Büro-Palais, Kulturjuwele neben verlassenen Kasernen, nostalgische Segler und schnittige Jachten: Die Hafenfront von Kopenhagen erlebt in diesen Jahren die gewaltigste Veränderungen ihrer Geschichte.

Der alte Hafen ist längst einem modernen Containerhafen vor den Toren der Stadt gewichen. Dort, wo er Stück für Stück seine Funktion verlor, wendet sich Dänemarks Hauptstadt wieder dem Wasser zu – der Hafenkanal, einst schmuddeliges Hinterzimmer, ist heute der schönste Schmuck der Stadt.

Bindeglied zwischen einst und heute

Einer Perlenkette gleich, verbindet er die Wahrzeichen der Gegenwart, zeigt Visionen und Lösungen für eine Stadtzukunft im 21. Jahrhundert. Am schönsten lässt sich die revitalisierte Lebensader der Stadt vom Wasser aus entdecken – mit den Kopenhagener Hafenbussen, die das ganze Jahr hindurch verkehren. Die Linien 901, 902 und 903 kreuzen zwischen sechs Haltestellen an beiden Seiten des innerstädtischen Hafens.

Mit dem Hafenbus in Kopenhagen unterwegs: Das ehemalige Zollhaus ist heute ein beliebtes Restaurant. Foto: Hilke Maunder
Das ehemalige Zollhaus ist heute ein beliebtes Restaurant. Foto: Hilke Maunder

Die kleine Meerjungfrau

Nördlichste Station ist Nordre Toldbod, von wo aus die Königliche Familie bei Reisen nach Grönland oder auf die Färöer-Inseln zu ihrer Jacht „Dannebrog“ hinüber fährt. Vom Kai sind es nur wenige hundert Meter zum beliebtestes Nationalsymbol der Dänen und weltbekannten Wahrzeichen ihrer Hauptstadt: „Den lille Havfrue“, der kleinen Meerjungfrau.

Seit 1913 blickt die nur 1.35 Meter große Bronzenixe aus dem Märchen von Hans Christian Andersen, die sich vergeblich für ihren geliebten Menschenprinzen opferte, von einem vom Meer umspülten Fels vor dem Langelinie-Kai sehnsüchtig über das Meer.

ie Oper von Kopenhagen am Hafen. Foto: Hilke Maunder
Die Oper von Kopenhagen am Hafenkanal. Foto: Hilke Maunder

Neues Leben für den Holmen

Von Nordre Toldbod geht es hinüber zur ehemaligen Militärinsel Holmen, die ab 1989 neu erschlossen wurde. Auf Holmen halten die Hafenbusse gleich zwei Mal: vor der 2005 eröffneten Oper nach einem Entwurf von Hennig Larsen, und in Nordholmen. In die denkmalgeschützten Kasernen zog eine Kunstschule, auch eine Ballett- und Filmakademie siedelte sich auf den drei künstlich aufgeschütteten Inseln an.

Die alte Torpedohalle wurde in avantgardistische Eigentumswohnungen umgewandelt, in die einstigen Schuppen der Kanonenboote sind kreative Firmen eingezogen. Vor der Königlich Dänischen Architekturschule lockt die Kontiki Bar zum After-Work-Drink. Zwar spielen dort auch gelegentlich Bands und legen DJs auf, doch die eigentlichen Stars sind die selbst gemachten Kuchen – und die Aussicht auf die Industrielandschaft des Hafens.

Zur Bar, die letztendlich aus einigen Pollern besteht, gehört das strahlend weiße Fährschiff „Ellen“, das heute fest vertäut als Restaurant auf rustikalen Planken und weißem Leinen frische Fischküche serviert.

Nächster Stopp: Nyhavn

Nächster Stopp ist ein angesagtes Ausgehviertel von Mittag bis Mitternacht: Nyhavn. Im Stichkanal, unter König Frederik III. 1671 – 1673 als Hafenerweiterung geschaffen, dümpeln wuchtige Holzkähne mit eingeholten Segeln neben restaurierten Dampfschiffen. Eingedeckte Tische von einfach bis edel bedecken das Kopfsteinpflaster des Kais und bilden den „längsten Esstisch Kopenhagens“.  Wer keinen Platz ergattern kann, hockt auf den Pollern, Pølser oder Hotdog in der Hand.

Hyggelig & maritim: Nyhavn. Foto: Hilke Maunder
Hyggelig & maritim: Nyhavn. Foto: Hilke Maunder

Wenig weiter legen offene Barkassen der DFDS Canal Tours ab und gleiten an den bunten Hafenhäusern vorbei, die den Märchendichter Hans-Christian Andersen so begeisterten, dass er gleich dreimal dort einzog: in Nr.12, 20 und 67.

Bei der Kvæsthusbro am Nyhavn wurde am 16. Februar 2008 das von Lundgaard & Tranberg entworfene, 120 Millionen Euro teure Schauspielhaus eröffnet – das dritte Haus des Königlichen Theaters. Von Hand gemauert aus flachen, dunklen Ziegeln, erhebt sich der schlichte, aber noble Bau direkt an der Hafenfront – zur Wasserseite mit einer Promenade aus Eichenholz und einer Caféterrasse geschmückt, die die Kopenhagener sogleich zu ihren Lieblingsplätzen unter freiem Himmel hinzufügten.

Hygellig und modern: das Schauspielhaus und die Oper. Foto: Hilke Maunder
Ikonen der neuen Hafenfront: das Schauspielhaus und die Oper. Foto: Hilke Maunder

Dann schippert der gelbe Hafenbus auf eine Brücke zu, die seit Herbst 2010 den 200-Kronen-Schein ziert: die Klappbrücke Knippelsbro, die auch im Film „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ von Bille August eine zentrale Bedeutung hat.

Am Schwarzen Diamanten

Letzter Halt der Linien 901, 902 und 903 ist Det Kongelige Bibliotek. „Schwarzer Diamant“ tauften die Kopenhagener den Anbau der Königlichen Bibliothek, der sich als Monolith aus poliertem südafrikanischen Granit und Glas am Kai erhebt.

Der Schwarzer Diamant birgt die Staatsbibliothek. Foto: Hilke Maunder
Der Schwarzer Diamant birgt die Staatsbibliothek. Foto: Hilke Maunder

Das architektonische Juwel der dänischen Architekten Schmidt, Hammer und Lassen aus Århus birgt im Innern nicht nur vier Millionen Bücher, sondern auch eine Konzerthalle, Ausstellungsräume, einen Buchladen, ein Café und das minimalistisch eingerichtete Restaurant Søren K, das zu den besten Lokalen der Stadt gehört.

Auf zur Christiansbro

Linie 904, die der Subunternehmen Netto Bådene mit einer halboffenen Barkasse betreibt, startet in Nyhavn und wagt sich weiter gen Süden vor. Erstes Ziel ist Christiansbro. Das neue Stadtviertel entstand rund um die barocke Christianskirche auf dem einstigen Werksgelände der Werft B & W.

Mit dem Hafenbus unterwegs in Kopenhagen. Christianshavn: die Hauptverwaltung von Nordea. Foto: Hilke Maunder
Christianshavn: die Hauptverwaltung von Nordea. Foto: Hilke Maunder

Sein Wahrzeichen zur Wasserkante sind vier glänzend schwarze Bürobauten mit einem verbindenden Riegel zur Strandgade, die Henning Larsens Architekturbüro als Hauptsitz die schwedische Großbank Nordea entwarf.

Mit der Bryggebroen erhielt Kopenhagen zum ersten Mal seit 50 Jahren eine neue Brücke über den Hafen von Kopenhagen. Besonders abends ist die Brücke eine Augenweide – ihre Beleuchtung, unterhalb der Handläufe des Geländers angebracht, beleuchten die schrägen Flanken des Tragbalkens, während die untere Seite von deckenintegrierten Armaturen beleuchtet wird.

Mit dem Hafenbus unterwegs in Kopenhagen. Blick auf die neue Bebauung von Islands Brygge (l., Gemini-Wohngebäude) und Havneholmen (r.). Foto: Hilke Maunder
Blick auf die neue Bebauung von Islands Brygge (l., Gemini-Wohngebäude) und Havneholmen (r.)

Islands Brygge

190 Meter lang und knapp sechs Meter breit, schwingt sich die Drehbrücke im sanften Bogen von Havneholmen nach Islands Brygge und schafft so für Fußgänger und Radfahrer eine sichere wie stilvolle Verbindung zwischen Vesterbro mit den 120 Shops des Einkaufszentrum Fisketorvet und der S-Bahn-Station Dybbelsbro und Islands Brygge.

Vor zehn Jahren noch ein tristes Arbeiterviertel mit Fernhafen und Werften, gilt Islands Brygge heute als Kopenhagens Antwort auf Londons Covent Garden. Im Hafenpark, den die junge Architektengruppe PLOT entwarf, erfrischen sich im Sommer Tausende mit einem Sprung ins kühle Nass – das Havnebad auf Island Brygge ist das berühmteste der mittlerweile vier Hafenbäder von Kopenhagen.

Grünes Kopenhagen. Islands Brygge. Foto: Hilke Maunder
Das Hafenbad von Islands Brygge. Foto: Hilke Maunder

Helle Holzstege und Terrassen rahmen es ein – perfekte Aussichtsliegen für ein Sonnenbad. Zu den neuen architektonischen Highlights von Islands Brygge gehört auch die Gemini Residence von MVRDV, für die sich aus zwei ehemaligen Silos in Wohnrundtürmen mit Glashaut verwandelten.

Das Kulturhuset von Islands Brygge, von den Kopenhagenern nur KIB genannt, wurde im Jahr 2000 direkt an der Uferpromenade erbaut und veranstaltet neben einem Jazzclub für Kinder, Ballettkursen und Vorträgen regelmäßig Auftritte von angesagten Tanz- und Theaterensembles sowie Bands und Einzelinterpreten der New Independent Musik, und damit lauter Events, die zu de Highlights der Kopenhagener Kulturszene zählen.

Grünes Kopenhagen Islands Brygge. Foto: Hilke Maunder
Backstein und Street Art: Islands Brygge. Foto: Hilke Maunder

Berühmt ist das Kulturhaus mit seiner bodentiefen Glasfront auch für sein Café „Bryggens Spisehus“: Dort gibt es nicht nur Burger, Sandwichses und ein Barbeque-Büffets im Sommer, sondern auch die günstigste und leckerste Hummersuppe der Stadt. Und ganz gratis hinzu: die traumhaft schönen Ausblicke auf die Skyline der City von der Terrasse.

Weiter nach Teglholmen

Ein Ziegelwerk, das ab 1871 vor allem Vesterbro mit Tonziegeln belieferte, gab Teglholmen seinen Namen. Ab den 1970-er Jahren verabschiedete sich die Industrie; Firmensitze dänischer und internationaler Firmen eroberten das Terrain und begründeten Teglholmens Ruf als IT-Standort.

Unterwegs im Hafenbus: Der neue Stadtteil Teglholmen. Foto: Hilke Maunder
Der Stadtteil Teglholmen. Foto: Hilke Maunder

Endstation: Sluseholmen

Als besonders gelungenes Beispiel moderner Büroarchitektur gilt die Nokia-Zentrale, bei der eine Brücke alle Einheiten verbindet. Eine neue Brücke ist seit 2007 auch hinüber nach Sluseholmen geplant. Wo einst Ford neue Autos baute, sollen insgesamt 5.000 Wohnungen auf vier Halbinseln entstehen.

Die ersten Mehrfamilienhäuser in Blockrandbebauung mit Wasserzugang zu allen Seiten sind bereits fertig gestellt. Ebenfalls realisiert ist das Wahrzeichen von Sluseholmen – das Metropolis-Hochhaus nach Entwürfen des britischen Avantgarde-Architektenbüros Future Systems.

Von Kanälen durchzogen, ist die Neubebauung im Südhafen optisch ein Hingucker, aber ansonsten recht isoliert. Vor allem die schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sorgt immer wieder für Schlagzeilen – einzig der Hafenbus 904 hält in Sluseholmen. 30 Minuten braucht er zurück in die City.

Dieser Beitrag wurde am 5. August 2015 in meinem ehemaligen Skandinavienblog  “nordtour” veröffentlicht, der inzwischen in der ReiseSchreibe aufgegangen ist. 

Grünes Kopenhagen: Das Metropolis-Wohngebäude bei Sluseholmen. Foto: Hilke Maunder
Das Metropolis-Wohngebäude bei Sluseholmen. Foto: Hilke Maunder

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