Hamburg: Das deutsche Ellis Island

Sie flohen vor Hunger, Armut, Krieg, Unterdrückung und religiöser Verfolgung: fast fünf Millionen Menschen. Von 1836 bis 1914 wurde Hamburg ihr Tor zur Welt. Aus diesem fast vergessenen Kapitel der Geschichte schlägt die Hansestadt heute touristisches Kapital – multimedial.

Spätestens seit der Fernsehserie Roots ist Ahnensuche in, wühlen Nachfahren in Einwanderungskarteien und kämmen Passagierlisten von Ozeandampfern durch. Die Personalien der von 1850 bis 1934 registrierten Passagiere finden sich in den Auswandererlisten des Hamburger Staatsarchivs: 550 Bände mit fünf Millionen Namen.

Darunter befinden sich auch die Vorfahren von weltberühmten Filmgrößen wie Barbra Streisand, Steven Spielberg, Kirk Douglas und Woody Allen. Keine andere Hafenstadt besitzt ähnlich umfangreiche Nachweise.

Die Reedereien notierten Name, Geburtsort, Herkunft, Familienstand, Konfession und Beruf aller Aus- und Durchreisenden, die sie nach Übersee beförderten. Diese nahezu lückenlos erhaltenen Listen werden im Projekt LinkToYourRoots seit Mai 1999 digitalisiert.

25 Mitarbeiter mit Handicap entziffern die altdeutsche Sütterlinschrift, erfassen die Daten in der Datenbank und beantworten Anfragen. Finanziert werden die Arbeitskräfte aus Geldmitteln, die Unternehmen wegen Nichterfüllung des Schwerbehindertengesetzes gezahlt haben.

Bislang wurden 270.000 Namen der Jahrgänge 1890 bis 1893 erfasst. Monatlich kommen 50.000 bis 70.000 Personen hinzu. Mehrere Tausend Interessierte fragten täglich die Datenbank ab – zu 85 Prozent aus den USA, zu 15 Prozent aus Kanada, Australien und Südamerika.

Sind die nächsten 150.000 Namen im Netz, wird die Recherche 20 Dollar kosten – und so die zunächst auf vier Jahre befristeten Jobs der Behinderten in Dauerarbeitsplätze verwandeln.

Möglich wurde das Projekt durch eine Public-Private-Partnership. Oracle, Sun, Siemens und Debis stellten die Softwarelizenzen, die Hardware und die Anwendungen bereit.

Um das Internet-Projekt, beim Finale des Global Stockholm Challenge kürzlich als einziger deutscher Beitrag mit einem gläsernen Award ausgezeichnet, rankt sich ein multimediales Begleitwerk.

Komplett zweisprachig in Deutsch und Englisch realisiert, bietet das Cross-Media-Programm sechs Zugänge zum Thema Auswanderungshafen Hamburg:

Die Trails

Durch Neustadt und Speicherstadt wurden zwei Emigration-Trails gelegt. Die Rundwege führen durch Gegenden, in denen sich früher Auswandererherbergen und andere mit der Auswanderung verbundene Stätten befanden. Dauer: 1,5 bis 2 Stunden.

Ein 24-seitige Begleitheft gibt Hintergrundinformationen und Wegbeschreibungen. Erhältlich: Rathaus, Tourismus-Schalter am Hauptbahnhof und an den Landungsbrücken. 2 DM.

Die Ausstellung

Großflächigen Wandfotos und Begleitgeräuschen geben auf dem Emigration Ponton unterhalb des Zollmuseums Gelegenheit, die Atmosphäre der Auswanderung von vor 100 Jahren zu schnuppern. Alter Wandrahm 16, Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr. Katalog: “Auswandererhafen Hamburg Emigration Port*”, Medien-Verlag Schubert, ISBN 3929229-75-7, 19,80 DM. Wer mag, kann ihn hier* online bestellen.

Der Film

Das Video „Krakau-Hamburg-New York“ zeichnet in elf Minuten die Geschichte der Auswanderung über den Hamburger Hafen anhand animierter historischer Aufnahmen und eingestreuter Spielszenen nach. Verkauf: Emigration Ponton, Rathaus; Preis: 10 DM.

Der Roman

Der Hamburger Autor Gerd Fuchs hat “Die Auswanderer – von Hamburg in die neue Welt” verfasst – auf Deutsch und Englisch, gedruckt und digital. Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.

Projekt “LinkToYourRoots”

Die Vermarktung des neuen Tourismus-Themas „Auswanderung“ hat für Hamburg erst begonnen. Die Vision von Stadtentwicklungssenator Wilfried Maier, auch für das Staatsarchiv zuständig: „Mein Ziel ist es, die letzte erhaltene Auswandererhalle auf der Veddel zu restaurieren und für Besucher zugänglich zu machen.

In Amerika kamen für den Wiederaufbau von Ellis Island 50 Millionen an Sponsoren- und Spendengeldern zusammen. Es sollte möglich sein, in Hamburg ein Zwanzigstel dieser Summe, nämlich 2,5 Millionen DM, durch privates Engagement zusammenzubringen.“

Der Beitrag ist  am 23. Januar 2001 auf Spiegel Online sowie in der Ausgabe 3.-9. September 2001 in der New Yorker Staatszeitung erschienen. Der Artikel wurde damit vor der Eröffnung der Ballinstadt in den historischen Auswanderungshallen auf der Veddel veröffentlicht. Sie stellt heute die Geschichte der Auswanderung über den Hamburger Hafen vor und hilft bei der Ahnensuche weiter.

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