LSODE: Das größte Klassenzimmer der Welt  

 “Effort conquers distance” ist das Motto, der Fleiß überwindet die Distanz – und wie sehr dies stimmt, zeigt die Longreach School of Distant Education. In der größten “School of the Air“ von Queensland unterrichten dort 40 Mitarbeiter mit Funk und Internet rund 300 Schüler von der Vorschule bis zur 10. Klasse. So wie Jemimah Phillott von der Carisbrooke Station.

„Get out of your PJ’s!“ ruft Penelope Phillott, raus aus dem Pyjama, ihrer Tochter zu, die gemütlich im Sessel ihre Frühstücksflocken isst. Kurz vor acht zeigt die Uhr bereits, um halb neun ist Schulbeginn. Der laute Gong, der den Unterrichtsstart im größten Klassenzimmer der Welt ankündigt, hallt durch die gesamte Homestead.

Jemimah rückt sich das Headset zurecht, loggt sich am Rechner ein: „Good Morning, Miss Riekard!“ begrüßt sie ihre Lehrerin im rund 170 km entfernten Longreach. „Good Morning, Jemimah!“ „Ann, are you there? Frances… Sharon…. Tasman….?“ So wie sie wählen sich auch ihre Mitschüler aus der fünften Klasse ins virtuelle Klassenzimmer ein.

Longreach School of Distant Education: morgendliche Begrüßung der Schüler durch die Schulleiterin Rachelle Moore und ihre Stellvertreterin Nadine Stock (rechts). Foto: Hilke Maunder
Longreach School of Distant Education: morgendliche Begrüßung der Schüler durch die Schulleiterin Rachelle Moore und ihre Stellvertreterin Nadine Stock (rechts). Foto: Hilke Maunder

Eine Hymne ertönt, dann begrüßt auch die Schulleiterin die Schüler in den 14 Shires, die zum Einzugsgebiet der Longreach School of Distant Education (LSODE) gehören, der Fernschule für die Farmerskinder im Outback.

Jemimah lebt mit ihren Eltern Penelope und Charles Phillott auf der Carisbrooke Station. Ihre Heimat sind 200 Quadratkilometer Land im Williams-Tal und auf dem angrenzenden Plateau, ein unwirtliches Terrain aus roter Erde, stacheligem Spinifex-Gras, Mulga-Bäumen und Abermillionen Fliegen – und doch bestes Weideland. Rinder und Schafe teilten sich hier den weiten Busch – für Australien sehr ungewöhnlich.

Carisbrooke Station: der Briefkasten im Nirgendwo. Foto: Hilke Maunder
Carisbrooke Station: der Briefkasten im Nirgendwo. Foto: Hilke Maunder

Der Norden gilt als Cattle Country, der Süden als Schafland. Das Land der Phillotts eignet sich für die Zucht beider Tierarten. Mit einer Fläche kaum größer als Liechtenstein zählt Carisbrooke zu den kleineren Viehfarmen im Westen von Queensland.

Bis 1934 gehörte die Farm der Phillotts als Williams Outstation zur Bladensburg Station, die zehn Mal so groß war. 1959 kauften Charles und Anne Phillott, Charles Eltern, das Land und öffneten ihre Gelände sogleich für Gäste, eine Tradition, die ihr Sohn nicht nur fortgeführt, sondern ausgebaut hat.

Jemimah freut’s, dass dank der Gäste aus aller Welt nun etwas mehr Leben auf der Homestead herrscht, zumal ihre drei Brüder Sebastian, Josiah und Harrison 500 Kilometer entfernt in einem Internat die Highschool besuchen und nur noch in den Ferien nach Hause kommen. Zumal auch ihre beste Freundin fünf Autostunden entfernt wohnt…

Penelope und Jemimah Phillott bei der morgendlichen Begrüßung für Schüler der Longreach School of Distance Education. Foto: Hilke Maunder
Penelope und Jemimah Phillott bei der morgendlichen Begrüßung für Schüler der Longreach School of Distance Education. Foto: Hilke Maunder

Die Stimme der Rektorin holt sie in den Schulalltag zurück. Termine, Grüße und Hinweise auf bevorstehende Veranstaltungen gehen über den Äther, Schüler werden für ihre Leistungen gelobt, neue Projekte und Pläne vorgestellt. Nach zehn Minuten übernimmt die Klassenlehrerin. Der Unterricht beginnt. Auf dem Stundenplan stehen von Montag bis Freitag nicht nur Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften, sondern auch Kunst, Musik, Sport und Fremdsprachen wie Japanisch.

20 bis 30 Minuten lang dauert eine Lektion, drei bis sechs dieser sehr intensiven „units“ werden täglich unterrichtet. Ihre Lerneinheiten erhält Jemimah alle zwei Wochen per Post, dicke Pakete mit Hintergrundtexten und Übungsaufgaben für jeden Schultag, die ausgefüllt zur Auswertung zurück nach Longreach geschickt werden – zum Briefkasten geht’s einmal pro Woche kilometerweit im Allradwagen.

Für ein viel intensiveres Zusammengehörigkeitsgefühl als in so manch “normaler” Klasse sorgen Eltern-Workshop, Minischools und Camps, Activity Days und Feature Days, Sportwettbewerbe und der einwöchige Präsenzunterricht in Longreach, zu dem sich die Klasse einmal im Jahr trifft – voller Stolz zeigt Jemimah ihre Schuluniform, die sie dann trägt.

Die Longreach School of Distant Education. Foto: Hilke Maunder
Die Longreach School of Distant Education. Foto: Hilke Maunder

High-Tech für den Lernerfolg

Zur Finanzierung der technischen Ausrüstung – Computer, VoIP oder Funk, Online-Zugang und Web-Cam – bietet die Schule günstige Darlehen an; sehr entfernte Farmen werden sogar kostenlos mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet.

Einmal pro Jahr macht sich Jemimahs Klassenlehrerin auf den Weg zu ihren Schülern und muss dann beweisen, dass sie jenseits von Pädagogik, Psychologie und Fachwissen auch ganz praktisch für die Unterrichtsalltag im Outback geeignet ist – und notfalls einen platten Reifen selbst auswechseln kann.

Mehrere Tausend Kilometer fährt sie auf ihrer Tour durch eine Landschaft, einsam und ursprünglich wie nur noch an wenigen Regionen der Welt, urzeitlich, wild und weit. 75 Prozent des australischen Terrains sind bis heute fernab der Zivilisation, ein riesiges Never-Never, ein „Nichts“, wo der Geist der Pioniere noch immer lebendig, autark zu sein überlebenswichtig ist. Isoliert und auf sich selbst gestellt, ist das Schulmotto gelebte Realität.

Longreach: School of Distant Education: die Bibliothek. Foto: Hilke Maunder
Longreach: School of Distant Education: die Bibliothek. Foto: Hilke Maunder

“Effort conquers distance” – nur durch eigene Anstrengung wird die Einsamkeit und Isolation auf den Farmen überwunden, kann Jemimah eine gleichwertige Schulbildung wie andere australische Kinder erhalten. Eine Schlüsselrolle kommt dabei ihrer Mutter zu, als Mentorin und Motivatorin, Lehrerin vor Ort und Garant für Kontinuität.

Dass sie dabei mitunter an ihre Grenzen kommt, gesteht Penelope offen ein: „Einer meine Söhne war anfangs so scheu, dass er nicht mit der Maschine kommunizieren wollte… er konnte nicht glauben, dass es wirklich ein Mensch am anderen Ende war, der ihn unterrichten wollte.“ Wochenlang dauerte die Verweigerungshaltung.

Jemimah hingegen ist von den Möglichkeiten des Internet-Unterrichts begeistert, postet Fotos an die virtuelle Schulpinnwand und ordert neue Bücher per Fernausleihe aus der gut bestückten Schulbibliothek, die dank der Spenden-Aktion „Books for Bush“ umfangreich erweitert werden konnte.

Longreach School of Distant Education: Schülerbasteleien. Foto: Hilke Maunder
Longreach School of Distant Education: Schülerbasteleien. Foto: Hilke Maunder

111 Jahre Outback-Unterricht

Für Farmerskinder wie Jemimah ist der Fernunterricht das Fenster zur Welt. Als Gleichstellungsangebot und Baustein ihrer Sozialisation, wie es in einem Informationsblatt des Bildungsministeriums heißt, trägt das Department of Education des jeweiligen Bundesstaates die Kosten des Fernunterrichts, die fast doppelt so hoch sind die eines herkömmlichen Schulbesuchs.

Seit 1901 werden die Kinder im Outback unterrichtet. Zogen anfangs die Lehrer noch mit Pferd und Wagen als Hauslehrer für Wochen oder Monate zu den Familien, setzten sich ab 1916 die „Correspondence Schools“ durch, schriftliche Fernkurse, die preiswerter waren als Privatlehrer und ferne Internate. Doch erst mit Adelaide Miethke (1881 – 1962) öffnete sich die Bildung im Outback für alle.

Als Vizepräsidentin des südaustralischen Royal Flying Doctor Service (RFDS) regte sie an, den Kurzwellenfunk der fliegenden Ärzte auch für den Unterricht der Farmerskinder zu öffnen. Bereits 1948 funkte die RFDS-Basis in Alice Springs die ersten Unterrichtsstunden, 1951 wurde dort die weltweit erste „School of the Air“ (SOA) offiziell eröffnet. 1956 führte New South Wales die SOA ein, 1961 folgte Queensland.

Longreach School of Distant Education: Janice Ballard. Foto: Hilke Maunder
Longreach School of Distant Education: Janice Ballard. Foto: Hilke Maunder

International berühmt wurde die einzigartige australische Funkschule durch eine Fernsehserie mit Kultstatus: Skippy, the Bush Kangaroo. Heute wird – mit Ausnahme von Tasmanien und des Australian Capital Territory – der Fernunterricht für Farmerskinder von 16 SOAs auf dem fünften Kontinent flächendeckend angeboten. In Queensland ist die 1987 gegründete School of Distant Education die größte der insgesamt sieben Funkschulen.

Im Schulgebäude am Sir James Walker Drive betreuen 24 Lehrer sowie 16 Bibliothekare, Techniker und andere Mitarbeiter derzeit 300 Mädchen und Jungen in Kleinstklassen von maximal zwölf Schülern – nur so wird gewährleistet, dass jedes Kind beim Unterricht auch zum Zuge kommt.

Besucher, die einmal hinter die Kulissen des australischen Fernunterrichts schauen wollen, sind hier – wie bei den anderen School of the Air-Dependancen – gegen einen kleinen Obolus herzlich willkommen. In Longreach führt Janice Ballard durch das Schulgebäude. Sie kennt den Unterrichtsbetrieb von klein auf: Die heutige Lehrerin war einst selbst Funkschulkind im Outback.

Der Beitrag ist in Heft 2/2013  des Ländermagazin 360° Australien erschienen. 

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