Der wilde Süden von Westaustralien

Orcas! Von Januar bis März ist die weite Bucht der Bremer Bay die Spielwiese der Killerwale. Auch Robben, Haie und Delfine tummeln sich im kristallklaren Wasser des Southern Ocean. Der wilden Süden von Westaustralien ist ein wahrhaft tierisches Terrain!

Weit und hoch zeigt sich der blaue Himmel im  Süden von Westaustralien. Eine kräftige Brise aus dem Süden hat die Wolken weggefegt. Zu Füßen der kleinen Kuppe am Rand des sandig-roten Buschlandes erstreckt sich ein Meer von Grün, das sich am Horizont mit dem Blau des Southern Ocean vermählt. 3300 Quadratkilometer Busch, wild und undurchdringlich, das ist der Fitzgerald River National Park.

Die riesige Wildnis zwischen Bremer Bay und Hopetoun wurde von der UNESCO als Welt-Biosphären-Reservat anerkannt. Besonders berühmt ist der Nationalpark für seine Flora. 1.784 Pflanzenarten wurde bislang im Park gefunden. Endemisch, sprich, nur dort zu finden, sind 75 Pflanzen – wie die Quaalup Bell.

Wilder Süden: Seltene Schönheit: die Hakea Victoria im Fitzgerald National Park. Foto: Hilke Maunder
Seltene Schönheit: die Hakea Victoria im Fitzgerald National Park. Foto: Hilke Maunder

Oder die seltene Hakea Victoria, deren Blütenstände aus dem Dickicht ragen. In der Ferne erheben sich Hügel, die größer, wie richtige Berge, wirken: der East Mount Barren mit 311 Metern, den Mid Mount Barren mit 451 Metern und der West Mount Barren mit 340 Metern Höhe. Der Park ist ein Paradies zum Buschwandern.

Auf der Ostseite lockt der Aufstieg zum Gipfel des East Mount Barren. Markierte Wanderwege erschließen auch den Sepulcralis Hill und No Tree Hill. Auf der westlichen Seite des Parks lädt der Point Ann Heritage Trail ein, in das Erbe der Region einzutauchen. Lohnenswert ist auch der Weg zum St Mary Inlet.

Wilder Süden: Die Barren Mountains erheben sich aus dem weiten Busch des Fitzgerald River National Park. Foto: Hilke Maunder
Die Barren Mountains erheben sich aus dem weiten Busch des Fitzgerald River National Park. Foto: Hilke Maunder

Farbenfrohe Wildblumen begleiten im Frühjahr den Aufstieg auf den 184 m hohen Mt Maxwell mit 360°-Panorama über die Wildnis und am 355 m hohen West Mt Barren, von dem an klaren Tagen die 100 Kilometer entfernte Stirling Range zu sehen ist. Von Juni bis Oktober kommen die Buckelwale zum Point Ann, um ihren Nachwuchs zu gebären. Dann werden im wilden Süden von Westaustralien auch  Whale Watching-Touren angeboten.

Auch zwei  Hamburger fahren dann mit ihren Gästen dorthin. Denn hier, inmitten grandioser Natur und absoluter Einsamkeit, hat ein australienbegeistertes Paar 14.243 km südlich ihrer norddeutschen Wiege eine neue Heimat gefunden. Am Tag der Deutschen Einheit 2003 sind die beiden Nordlichter ausgewandert. Karin, Jahrgang 1970, hatte als Lehrerin für Hauswirtschaft und Religion in Hamburg gearbeitet, ihr Mann, 1968 in Hamburg geboren, als IT-Spezialist.

Wilder Süden: Hofstelle aus viktorianischen Zeiten: die Quaalup Homestead, heute ein B&B. Foto: Hilke Maunder
Hofstelle aus viktorianischen Zeiten: die Quaalup Homestead, heute ein B&B. Foto: Hilke Maunder

Nach einer großen Reise durch den fünften Kontinent verliebten sich die beiden im Fitzgerald National Park in die historische Quaalup Homestead und verwandelten sie in eine Ökolodge, authentisch, rustikal und doch überraschend komfortabel. 1858 wurden die ältesten Gebäude der Hofanlage erbaut, 1940 die jüngsten – allesamt aus großen Feldsteinen, mit tief heruntergezogenen Dächern und Veranda.

Wilder Wein rankt an einer Pergola; ein Rattansofa und ein kleiner, runder Tisch vor den Zimmern auf der Veranda zum Verweilen ein. Im Innern der Doppelzimmer stehen zwei Einzelbetten, Tisch und Stuhl oder ein großes Doppelbett neben einer Küchenzeile.

Die tief stehende Sonne lässt die Steine der alten Häuser leuchten. Licht liefern Ökoleuchten, den Strom eine Solaranlage. Erwartet sie einen Gast, füllt Karin frisches, kühles Brunnenwasser in die Karaffe.  Am Rande des Anwesen markiert eine ausrangierter Teepot mit Geldschlitz im Deckel den Eingang zum Nature Walk, den Karin und Carsten angelegt haben.

Wilder Süden: Karin hat die Kängurus als Babys aufgepäppelt - bis heute kommen sie abends vorbei für einen kleinen Imbiss. Foto: Hilke Maunder
Karin hat die Kängurus als Babys aufgepäppelt – bis heute kommen sie abends vorbei für einen kleinen Imbiss. Foto: Hilke Maunder

Wer ein kleines Tribut zahlt, kann als Besucher das fast 16 Hektar große, private Buschland entdecken, das die Farm umgibt – für Kinder und Hausgäste ein kostenloses Vergnügen. Immer wieder knirscht Sand unter den Sohlen und macht das Gehen anstrengender als gedacht. Schilder mit kurzen Infos zur Tier- und Pflanzenwelt säumen den schmalen Pfad. Dann taucht plötzlich ein Turm auf. Was für eine Aussicht!

Die Orcas der Bremer Bay

An klaren Tag ist am Horizont die Bremer Bay zu sehen. Wilder wird’s kaum im Süden von Westaustralien. Schuld daran ist der Bremer Canyon. Unter der Schlucht lagern riesige Gas- und Erdölvorräte. Sie geben Methan, Propan, Butan und andere chemische Verbindungen ins Meerwasser ab. Winzige Bakterien verwandeln sie in Stickstoff – und damit in einen Turbo-Dünger für Phytoplankton.

Es steht am Anfang einer Nahrungskette, die schließlich die großen australischen Raubfische und Meeressäuger anlockt: Ocras, Spermawale, Schnabelwale, unzählige Hai- und diverse Delfinarten sowie Seelöwen. Mit dem Bremer-Bay-Projekt untersucht David Riggs das Wechselspiel zwischen den untermeerischen Öl- und Gaslagerstätten und der Artenvielfalt im Ozean.

Einsamer Naturstrand mit Blick Richtung Arktis: der Strand der Bremer Bay. Foto: Hilke Maunder
Einsamer Naturstrand mit Blick Richtung Arktis: der Strand der Bremer Bay. Foto: Hilke Maunder

2013 stellte er es erstmals auf dem Discovery Channel in einem Film vor. Finanziert wird die Forschung zum Großteil aus dem Gewinn, den die Bootsausflüge von Naturaliste Charters abwerfen.

Mit an Bord der Wildnistörns sind Meeresbiologen wie Kirsty Alexander. Entlang der Südküste Australiens gibt es rund drei Dutzend Tiefwasser-Schluchten am Rand des australischen Kontinentalsockels – doch keine produziert eine derartige Artenvielfalt, ist solch ein Wildnis-Hotspot wie Bremer Bay.

Wilder Süden: Die türkisfarbenen Fluten der Bremer Bay sind... eiskalt! Foto: Hilke Maunder
Die türkisfarbenen Fluten der Bremer Bay sind… eiskalt! Foto: Hilke Maunder

Australiens berühmtester Pirat

Wild, rau und ursprünglich sind nicht nur die Landschaften im Süden. Sondern war auch ein Mann, der auf Middle Island sein Quartier aufschlug: Black Jack Anderson – Australiens berühmtester Pirat. Den australischen Seelöwen und neuseeländischen Pelzrobben, die sich in den Fluten ringsum tummeln, zog er mit seinen Mannen das Fell ab und verkaufte die Pelze.

Das war lukrativ. Doch noch lukrativer waren die Überfälle auf die Handelsschiffe, die vorbei an Westaustraliens zur Ostküste segelten. Die indigenen Kaurna-Männer mordeten seine Piraten, die Frauen nahmen sie als Sex-Gespielinnen. Die Piraten waren eine solch wilde Meute, dass sie schließlich auch Anderson ermordeten und seine Knochen auf der Insel vergruben, wo sie noch heute liegen.

Middle Island gehört zum Recherche Archipel, einer Gruppe von rund 140 Inseln, die sich 230 km lang von Esperance bis zur Great Australian Bight erstreckt.

Die Ausnahme-Insel

Woody Island ist heute die einzige, die betreten werden darf. Wahrzeichen der „Holzinsel“ sind die großen Bäume, die auf den anderen Inseln fehlen: hohe Eukalypten, die der Insel ihren Namen gaben. Drei markierte Wanderwege erschließen die kleine, nur 1,5 km lange Insel. Ein 800 m langer Weg führt als 20-minütiger Spaziergang entlang der Südküste zu Twiggy’s Landing.

Wer von dort einen Kilometer weiterwandert bis zum Shearwater Lookout, kann während der Nistzeit Sturmtaucher beobachten, die in der Morgendämmerung zu ihren Nestern zurückkehren. Die Nordseite der Insel erschließt sich bei einer 1,5 km langen Spazierrunde zur Skinny Dip Bay. Der rund zwei Kilometer lange Island Top Walk präsentiert als Naturlehrpfad durch Heide und Wald die Inselnatur.

Unterwegs eröffnen sich Paradeblick auf das Festland und die anderen Inseln des Archipels. Was alles im Meer lebt, erläutert ein markierter Schnorchelpfad an der Shearwater Bay, der bei der Jetty beginnt. Die Pier ist auch der Treffpunkt der Angler, die dort ihre Leine nach Harlekinfisch und Hering, Zackenbarsch und diversen Tintenfischen auswerfen. Zweiter Hotspot ist die Skinny Deep Bay, wo vom Boot aus geangelt wird.

Wilder Süden: Glatt polierter Granit und türkisfarbenes Wasser: Wylie Bay bei Esperance. Foto: Hilke Maunder
Glatt polierter Granit und türkisfarbenes Wasser: Wylie Bay bei Esperance. Foto: Hilke Maunder

Wilde Dünen

Wer kein eigenes Boot hat, kann auf Ausflügen mit Woody Island Eco Tours die Insel entdecken – oder von November bis Juni die Fähre des Veranstalters nutzen, der von Esperance dorthin übersetzt. Das einzige Seebad der Region Goldfields verweist seinem Namen auf die französische Fregatte „L’Espérance“, die 1792 in der Bucht ankerte. Ihre türkisfarbenen Fluten sind erstaunlich frisch. Wer hier badet, stürzt sich in mehr als nordseefrisches Wasser.

Der Vorteil: Esperance träumt touristisch noch im Dornröschenschlaf. Hier ist der Südwesten noch echte Provinz, noch nicht für die Reichen aus Perth entwickelt. So freuen sich die Einheimischen, dass sie dieses herrliche Fleckchen Erde noch für sich haben. „Hoffnung“ bedeutet der Name der Sommerfrische auf Deutsch, Hoffnung, dass es so bleibt.

Denn in der Nähe versteckt sich ein Strand, der alle Australien-Klischees erfüllt: Lucky Bay – schneeweißer Sand, türkisblaues Meer, rotbraune Granitkuppen – und nebenan das Känguru. Die Paradebucht, die längst werbewirksam ausgeschlachtet wird, versteckt sich in dem weiten Dünenland, das sich  östlich von Esperance ersteckt – ein riesiges Terrain für Offroad-Abenteuer und Adrenalinkicks.

Bei Ebbe geht es im Allradwagen von Esperance via Wylie Bay bis zum Cape Le Grand National Park. Dabei sollte man dicht an der Wasserlinie fahren, um die am Dünenrand brütenden „hooded plovers“ (Kappenregenpfeifer) nicht zu stören. Die Einheimischen treffen sich hier gerne zum Brandungsangeln.

Für Adrenalinkicks sorgt nach dem Durchfahren des Brandy Creek der Wylie Rock (auch: Wylie Head), der sich als glatt geschliffener Granit vor den Zugang zur gleichnamigen Bucht stellt. Nur der Himmel ist bei der Auffahrt zu sehen – für Offroad-Fans ein echter Nervenkitzel!

Wilder Süden: Adrenalinkick garantiert: mit dem Jeep hinauf und hinauf durch das Dünenland beim Wylie Head. Auch den Granitkoloss erklamm unser Jeep... Foto: Hilke Maunder
Adrenalinkick garantiert: mit dem Jeep hinauf und hinauf durch das Dünenland beim Wylie Head. Auch den Granitkoloss erklamm unser Jeep… Foto: Hilke Maunder

Oben angekommen, schweift der Blick erst über ein Meer in Türkis und Blau, dann über Wellen in Weiß: Dünen bis an den Horizont, ständig auf Wanderschaft im Spiel des Windes. Auch die Abfahrt zum Strand hat es in sich – extrem steil geht es zurück zur Wasserlinie.

Erst am Ende der weiten Wylie Bay beginnt wieder die asphaltierte Straße hin zum Cape Le Grand National Park mit der berühmten Lucky Bay. Die weite Bucht ist nicht nur für ihren unglaublich hellen Quarzsand bekannt, sondern auch für die Kängurus, die hier wirklich überall herum hoppeln – auf dem Strand, im flachen Buschland, auf den Wegen, neugierig und nur wenig ängstlich.

Wahrzeichen der Nachbarbucht Thistle Bay ist der Whistling Rock, der je nach Windrichtung und -stärke zu flüstern scheint. Schuld daran sind die Löcher und Spalten im Granit, der die Bucht in den ausgefallenen Formen und unglaublich intensiven Farben in allen Schattierungen von Rost, Rot und Orange säumt.

Dritte Traumbucht ist die Duke of Orleans Bay an östlichen Rand des Nationalparks, ein 2,8 km großer Halbmond, den die Inseln Nares und Table Island begrenzen. Paradiesische Urnatur – und trotz des kleinen Campingplatzes noch ein echter Geheimtipp!

Wilder Süden: Magisch: die Dünen von Esperance. Foto: Hilke Maunder
Magisch: die Dünen von Esperance. Foto: Hilke Maunder

Der wilde Süden Westaustraliens: Info

Lage

Der Fitzgerald River National Park liegt rund 550 südöstlich von Perth; nach Esperance weiter östlich sind es rund 700 km ab Perth.

Hinkommen

In das Gebiet führen am schnellsten die State Roads 30 und 120, gefolgt vom National Highway 1. Vom Highway führen markierte, aber größtenteils unversiegelte Stichstraßen zur Bremer Bay und zum Fitzgerald National Park. Esperance liegt direkt am National Highway 1.

Schlafen

Bremer Bay Resort

Praktische Motelzimmer, komfortable Fewo mit Whirlpool im Bad oder Familie-Villa? Das Dreisternehaus mit Blick auf die Flussmündung und Mount Barren überzeugt mit seiner Auswahl auch auf der Karte seines Mount Barren-Restaurants.
• Frantom Way, Bremer Bay WA 6338, Tel. 08 98 37 41 33, www.bremerbayresort.com.au

Bremer Bay B & B

Drew und Jen heißen seit 2009 Gäste willkommen – seit 2012 im eigens erbauten Gästehaus mit Gemeinschaftsraum und Küche hoch über der Küste.
• 171 Point Henry Road, Bremer Bay WA 6338, Tel. 04 47 79 01 29, www.bremerbaybedandbreakfast.com.au

Quaalup Homestead

Einzige Unterkunft im Nationalpark ist die Quaalup Homestead. Sie bietet einfache, saubere Zimmer und Hütten für 2-7 Personen mit Solarstrom und fließend Wasser, aber auch Camping und Caravan.
• Quualup Homestead, Lot 1298 Gairdner Rd, Bremer Bay WA

6338, www.whalesandwildflowers.com.au; Buchung per Mail an richelmann@web.de oder per Tel. 08 98 37 41 24.

Camping

Das Zelt aufstellen kann man außerhalb des Nationalpark im Westen bei St Mary Inlet (https://parks.dpaw.wa.gov.au/site/st-mary-inlet) nahe Point Ann sowie im Osten auf dem Four Mile Campground (https://parks.dpaw.wa.gov.au/site/four-mile-campground).

Woody Island

Safarihütten (ab 130 AU$) sowie Zwei- und Viermannzelte (ab 80 AU$) vermietet Woody Island Eco Tours.
• 32 The Esplanade, Esperance WA 6450, Tel. 04 84 32 75 80, http://woodyisland.com.au.

The Jetty Resort

Backstein für die Motelzimmer, strahlendes Weiß für die Ferienwohnungen, dazu ein Pool und Blick auf die Pier: Die Ferienanlage befriedigt einfache wie gehobene Ansprüche.
• 1 The Esplanade, Esperance WA 6450, Tel. 08 90 71 33 33, www.thejettyresort.com.au

Esperance Coastal Retreat

Sieben Ferien-Hütten auf zehn Morgen Land perfekt geeignet für digitales Detox: Es gibt kein WLAN, sondern nur Natur pur.
• 561 Fisheries Road, Myrup WA 6450, Tel.  08 90 71 32 22, www.esperancecoastalretreat.com

Duke of Orleans Bay Caravan Park

Etwas in die Jahre gekommene Anlage direkt am Strand mit Stellplätzen mit und ohne Strom, sowie Hütten, Sanitärblock, Gemeinschaftsküche und Shop, Kinderspielplatz, Minigolf, Tennisplatz.
• Wharton Road, Condingup WA 6450,Tel. 08 90 75 00 33, kein www.

Diese Beitrag ist in Heft 1/2019 des Ländermagazins 360° Australien erschienen. 

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