Attraktiv wie die Millionen auf den Konten sind die natürlichen Schätze Liechtensteins: Im Tal leuchten die Kiesbänke des jungen Rheins, 2.000 Meter höher glühen die Gipfel der „Drei Schwestern“ im Abendlicht.
Beim Aperitif, hier „Apéro“ genannt, zeigt sich der Zwergstaat zwischen Österreich und Schweiz von seiner schönsten Seite. Von der Terrasse des Park-Hotels Sonnenhof reicht der Blick über das gesamte Land. Keine Schlote, keine Rauchschwaden, kein Lärm stören die Idylle – geschickt verdecken Obstgärten, Wiesen und Bergwälder die zahlreichen Industrieanlagen des einstigen Agrarstaates.
Trotz seiner Kleinheit – 25 Kilometer lang, sechs Kilometer breit – teilt sich das Land innenpolitisch in das Oberland mit der ehemaligen Grafschaft Vaduz und das Unterland auf dem Gebiet der einstigen Herrschaft Schellenberg. Gebieter über die 30.000 Einwohner in elf Ortschaften ist Fürst Hans-Adam II. Seine wuchtige Burg überragt noch heute die kleine Residenzstadt Vaduz.
Allein – die erhabene Wohnlage der fürstlichen Familie darf nicht symbolisch interpretiert werden – eine demokratische Verfassung verteilt die Macht auf den Landesfürsten und das Volk. Für finanzielle Sicherheit steht die Schweiz. Mit ihr verbindet Liechtenstein seit 1923 eine Zoll- und Währungsunion. Nach Norden stoppen jedoch Grenzer die freie Fahrt: Österreich kontrolliert zwar nur stichprobenartig, aber umso strenger.
Auf einen fürstlichen Stempel im Pass braucht dennoch niemand zu verzichten: Zahlungswillige erhalten ihn im Fremdenverkehrsamt gegen einen Obolus von drei Schweizer Franken. Dieser Stopp ist fest im Programm organisierter Busreisen eingeplant. Kommen Asiaten, wird der Hoheitsakt zum Happening: Smile, Stempel, Cheese! Lächeln, Stempel, Klick, Klick, Klick. Über 40.000 Pässe werden jährlich mit dieser schönen Erinnerung an die “Fürstlichen Momente” Liechtensteins versehen.
Auch bei den Briefmarken hat sich das Fürstentum seine Eigenständigkeit bewahrt. Die schönsten Exponate – samt Studien, Entwürfen und Druckmustern der eigenen Emissionen – präsentiert das Briefmarkenmuseum. Ebenfalls im Engländerbau untergebracht ist die Staatliche Kunstsammlung, die neben Wechselausstellungen auch Werke aus der Sammlung des Fürsten zeigt. Mit Gemälden der holländischen, flämischen und englischen Schule gehört sie zu den ältesten und umfassendsten Privatsammlungen Europas.
Unterhalb der Trutzburg erstrecken sich die fürstlichen Rebenhänge. Ein sandiger Fußweg führt vorbei an Chardonnay-, Burgunder- und Riesling-Reben zur Hofkellerei, wo auf Voranmeldung fünf Weine aus fürstlichem Eigenanbau verkostet werden. Versteckt hinter einer hohen Steinmauer steht, inmitten von Reben, der Fürstliche Torkel. Im ehemaligen Presshaus des Domänenbetriebs, dessen Namensgeber der große Torkelbaum aus dem 17. Jahrhundert ist, serviert Rolf Berger seit 20 Jahren französische Küche mit lokalem Einschlag.
Die stimmige Einheit von Küche, Keller und Service belohnen die Gault-Millau-Tester seit Jahren mit 16 Punkten – und damit einen Punkt besser als der Liechtensteiner Klassiker „Au Premier“ im Hotel Real. Vom Scheitel bis zur Sohle Gastgeber, empfängt Felix Real auch als hoch betagter Senior noch immer jeden Gast selbst, auch wenn inzwischen Tochter Maria Real Lapp das 15-Gault-Millau-Punkte-Restaurant im Viersternehotel leitet.
Und immer noch kontrolliert der Pionier der liechtensteinischen Gastronomie jeden Teller, der aus der Küche kommt. Unbedingt zu empfehlen ist die Käseauswahl zum Abschluss. Dazu ein Bordeaux – parfait. Oder doch ein anderer Tropfen? Dann empfiehlt sich ein Abstecher zu Schächles Weinstube. 350 Tropfen aus ganz Europa können hier in einem speziell dafür eingerichteten Raum degustiert werden.
Wenn seine Durchlaucht auf den Pfaden der Familie wandern möchte, fährt er hinauf nach Malbun. Vom Dorfzentrum in 1.600 Meter Höhe bringt ihn eine Seilbahn hinauf zum Sareis. Hier beginnt der Fürstin-Gina-Weg, der 1988 zu Ehren der beliebten Landesmutter und Blumenliebhaberin angelegt wurde. Vorbei an Legföhren, über karge Wiesen und kantige Grate führt der Pfad hinauf zum Augustenberg (2.360 Meter).
Vom Gipfelkreuz aus bietet sich ein wahrhaft majestätisches Panorama: lotrecht zu Füßen das Malbuntal, am Horizont der Säntis, rechts das Rhätikon, links die Alvierkette, dahinter die Glarner Alpen; im Süden schließlich die gleißenden Gipfel des Bündnerlandes. Für die richtige Stärkung beim Abstieg sorgt Elfried Beck von der Pfälzerhütte (2.108 Meter) – mit uriger Hirschwurst, kaltem Veltliner und auf Wunsch Matratzenlager.
Kleiner und feiner sind die Portionen, die Vibeke Vögeli-Schroth im Alpenhotel serviert. Satt, müde – da fehlt nur noch Entspannung im gediegenen Ambiente. Die gesunde Alternative zum ohnehin recht dürftigen Nachleben bietet Tobias Strauss in seinem Gorfion Hotel mit Schwimmbad, Sauna, Dampfbad und Solarium.
Seine Wellness-Oase wird besonders im Winter geschätzt, wenn drei Sesselbahnen und zwei Skilifte von November bis Mitte April zwischen Kirchlespitz, Ochsenkopf, Hornspitz und Scesaplana zwischen 1.600 und 2.000 Meter Höhe ein schneesicheres Familienskigebiet erschließen. Das rund zwei Kilometer entfernte Valünatal ist den Langläufern vorbehalten, die auf vierspurigen Loipen leise durch die verschneite Unberührtheit gleiten. Und auch das ist äußerst angenehm: Für Snowboarder wurde ein separates Revier geschaffen – samt „Acht-Elemente-Fun-Park“ und Snowboard-Schule.
Die Sorge um die Sicherheit der Gäste macht auch vor den Kleinsten nicht halt: Fangnetze zwischen den Chalets sorgen dafür, dass die Kleinen nicht ungehindert von der Straße auf die Piste sausen. Zudem ist im Winter samstags und sonntags das Zentrum von Malbun von 9 –17 Uhr autofrei – für Hotelgäste gibt es Jetons, um die Zufahrtsschranke zu passieren.
Der Rückweg zum Rheintal führt durch einen Tunnel. Der Gnalp-Steg, der 1947 den engen Durchstich auf Sücka ersetzte, trennt den Mikrokosmos Malbun vom Trubel im Tal. In Triesenberg läuft der Almbetrieb auf Hochtouren; freilaufende Rinder queren unter lautem Geläut die Straße; wandern hinauf zu den rauchdunklen Almhütten, die heute nur noch als Lager und Schuppen dienen.
Die hölzernen Herzen und Wappen, die einst die Tiere beim Almauf- und abtrieb zierten, hängen heute an den Hauswänden – Vergangenheit, die langsam verwittert. Auch die typische Küche der Almen gerät langsam in Vergessenheit. „Törkarebl“, eine dicke Maisspeise, oder „Hafaläb“, ein Hafergericht, wer kennt das noch? Doch „Käsknöpfli“ – deftige Spätzle mit Apfelkompott – werden immer noch serviert, zum Beispiel bei Familie Schädler im Hotel Kulm. Statt eines klassischen Apéros verkürzt ein Sprudel mit Seltenheitswert die Wartezeit: leichte Lavendel-Limonade.
Dieser Beitrag ist am 6./7. Oktober 1998 im Handelsblatt sowie, gekürzt und aktualisiert, am 4. April 2001 auf Spiegel Online erschienen.