Kopenhagens Strandvej: Kunst & Meer

Der Strandvej ist eine allererste Adresse. Auf 43 Kilometer Länge vereint die Küstenstraße zwischen Kopenhagen und Helsingør alles, was Einheimische und Urlauber schätzen: Badestrände und Boutiquen, Kunst und Natur, schöne Stätten zum Schlemmen und Schlafen, gepaart mit viel Raum für eigene Entdeckungen.

Der fast programmatische Auftakt am Stadtrand: das Experimentarium. Dänemarks Science Center ist ein Paradies für Neugierige. 300 Exponate laden ein, interaktiv, spielerisch und unterhaltsam die Geheimnisse von Mensch, Natur und Technik zu entdecken – zum Beispiel beim Vergleich der eigenen Kraft mit anderen Energiequellen.

Herden von mehreren hundert Rehen, Kron- und Sikawild leben im zehn Quadratkilometer großen Naturpark Dyrehaven bei Klampenborg. Jagdrecht besitzt einzig die Königin. Von der S-Bahn Klampenborg lässt sich der Park gemütlich per Pferdekutsche erleben. Am südlichen Ende liegt Bakken, der älteste Vergnügungspark der Welt. Deutlich volkstümlicher als Tivoli, kommt die ganze Familie auf ihre Kosten.

Natur pur am Strandvej: der Dyrehaven. Foto: Visit Denmark/Kim Wyon.
Natur pur am Strandvej: der Dyrehaven. Foto: Visit Denmark/Kim Wyon.

Der Nachwuchs schwebt auf einer Schwanenbahn zwischen Kastanien und Wasserfällen umher. Bei den Älteren sorgt die 30 Meter hohe hölzerne Achterbahn von 1932 für Adrenalinkicks – denn die schnelle Fahrt wird nicht vollautomatisch, sondern noch von Hand gebremst. Und der Bremsen-Mann richtet sich dabei völlig nach den Vorlieben der Fahrgäste….

In unmittelbarer Nachbarschaft von Dyrehaven liegt der herrschaftliche Landsitz, den Wilhelm Hansen erbaute. Heute residiert hier ein kulturelles Kleinod: das Kunstmuseum Ordrupgaard. Zu sehen ist dänische und französische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts mit Werken von Gauguin, Matisse, Hammershøi und Lundbye.

Hyggelig in Reet: die kleine Kate von Klampenborg. Foto: Hilke Maunder
Im Kopenhagener Stadtteil Klampenborg steht diese nostalgische Kate. Foto: Hilke Maunder

Zurück an der Küste bevölkern Badegäste und Sonnenanbeter den Strand von Bellevue. Am nahen Bellevue Teatret inszenierte Robert Wilson im Rahmen der Kulturbro 2002, der Biennale für Kunst und Kultur am Öresund, sein Bühnenspektakel „The White Town“ – mitten in Arne Jacobsens weißer Stadt. Jacobsen hatte 1932 die Ausschreibung für die Bebauung der Bellevue-Strandregion gewonnen.

Sein schlichtes, kubisches und weiß gekalktes Ensemble aus Theater, Strandbad und Wohnungen, weltweit anerkannt als eines seiner wichtigsten Werke, illustriert sein Verständnis von Architektur: funktional und voller Symbolik. Bereits während des Zweiten Weltkriegs jedoch war die 1932-37 erbaute Siedlung in Vergessenheit geraten, Theater und Restaurant geschlossen worden. Seit September 1999 beleben Restaurateur Anders Moesgaard und Architekt Jarl Witzke den alten Glanz.

Strandvej: Bellevue-Strand. Foto: Visit Copenhagen(Astrid-Maria-Rasmussen (Pressebild)
Strandvej: Bellevue-Strand. Foto: Visit Copenhagen(Astrid-Maria-Rasmussen

Vor dem Kamin ihres Restaurants „Jacobsen“ stehen einige Originalstühle, mit denen der Designer einst das Lokal persönlich eingerichtet hatte. Ebenfalls original erhalten sind Teile des Geschirrs und sowie einige Lampen; andere Möbelstücke – wie der Tresen aus Teak und Ahorn – wurden meisterhaft rekonstruiert.

Hinter Bellevue weicht die Stadt zurück, säumen immer häufiger Buchenwald und Ferienvillen die Küstenstraße. Die ältesten und mondänsten Ferienhäuser stammen aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Damals verbrachten gut betuchte Kopenhagener ihre Ferientage nördlich von Kopenhagen entlang des alten Strandvej. Gutsbesitzer Johannes Hage (1842-1923) indes eröffnete hier 1908 Dänemarks einzige Privatsammlung älterer europäischer Kunst in einem romantischen Park zwischen Feldern und Wäldern am Sund.

Heute lockt die Nivaagaard Malerisamling mit kleinen Kostbarkeiten: Rembrandts Portrait einer Bürgerfrau und Gemälde von Tizian Lucas Cranach und Pieter Breughel hängen neben Meisterwerken des „Goldenen Zeitalters“ dänischer Kunst Anfang des 19. Jahrhunderts. Der markanter Schornstein in der Nähe gehört zum historischen Ringofen der Ziegelei Nivaagard. Mittlerweile renoviert, informiert er heute als Museum über die Ziegelherstellung.

Öresund, Rundstedlund - hier schrieb Tania Brixen ihre Erfolgsromane. Foto: Hilke Maunder
Rundstedlund – hier schrieb Tania Brixen ihre Erfolgsromane. Foto: Hilke Maunder

Unzählige schaukelnde Schiffsmasten ragen bei Rungsted in den Himmel. Silbrig funkelt die Sonne auf den Wellen des Öresund. Mit 776 Liegeplätze ist Rundsted Havn einer der größten Jachthäfen Dänemarks. Doch die Luft riecht nicht nach Salz oder Fisch, sondern den roten Pølser-Würstchen, die ein Imbiss verkauft. Das Geschäft lohnt sich – gegenüber liegt das Karen Blixen Museum.

Weltberühmt wurde die 1885 auf Rungstedlund geborene Baronin Karen Christence Blixen-Finecken mit ihrem Roman „Afrikas dunkle lockende Welt“, 1986 als „Jenseits von Afrika“ mit Robert Redford, Meryl Streep und Klaus-Maria Brandauer verfilmt und mit sieben Oscars ausgezeichnet. Ihr Geburtshaus, seit 1991 Museum, erlaubt private Einblicke in das Leben der Autorin.

Öresund: Hier war Tania Blixen daheim. Foto: Hilke Maunder
Am Strandvej war auch Tania Blixen daheim. Foto: Hilke Maunder

Im Sommer arbeitete Blixen am Stehpult ihres Vaters mit Blick auf den Öresund. Im Winter zog sie ins Gästezimmer – es war als einziger Raum heizbar. Ihre ewige Ruhe fand Blixen unter einer riesigen alten Buchen im 16 Hektar großer Garten. Mit einer Handvoll Erde, die sie in einem Holzkästchen aus Afrika mitgebracht hatte, wurde sie vier Tage nach ihrem Tod, am 11. September 1962, beigesetzt.

Ein Hauch Vergangenheit prägt auch den Gl. Strandvejen von Humlebæk. Alte weißgekalkte Fischerkaten säumen die schmale Strandstraße. In den Vorgärten blüht hoch der Rittersporn. Am Strand lassen Kinder flache Kiesel über die spiegelglatte Wasserfläche des Sunds springen.

Das Karen-Blixen-Museum am Strandvej vermittelt intime Einblicke in das Leben der Autorin. Foto: Hilke Maunder
Das Karen-Blixen-Museum am Strandvej vermittelt intime Einblicke in das Leben der Autorin. Foto: Hilke Maunder

Dort, wo sich der Strand endet, erhebt sich Humlebæks berühmtestes Anwesen: das Louisiana Museum für Moderne Kunst, Kultstätte für Kunst nach 1945. Rund die alte weiße Villa von Alexander Brun, der drei Frauen vor den Traualtar zu führte, die alle Louise hießen und daher seinen Besitz nach ihnen nannte, entstand in den Pavillons und im Park eine sprichwörtliche Kunst-Landschaft.

Hier säumen Plastiken von Henry Moore und Max Ernst die Steilküste, dort spielen Skulpturen von Hans Arp mit dem Wind, verbirgt eine Buche die Kunst Calders. Eine schlanke Skulptur von Alberto Giacometti dient als Garderobe beim Sonnenbad, eine andere Plastik ersetzt den Picknicktisch.

Strandvej, Blick über den Skulpturenpark von Louisiana auf den Öresund. Foto: Hilke Maunder
Blick über den Skulpturenpark von Louisiana auf den Öresund. Foto: Hilke Maunder

Kunst, sinnlich und selbstverständlich, im Innern der Pavillons vertreten mit Anselm Kiefer, Francis Bacon, Andy Warhol, Picasso, Dubuffet, Rauschenberg und vielen mehr. Durch die Panoramafenster im Nordflügel fällt der Blick auf den Humlebæk Sø: Hier versteckten sich während der Napoleonischen Kriege kleine Kaperschiffe.

Der Strandvej endet an der schmalsten Stelle des Öresunds in Helsingør. Die strategische Lage brachte Erik von Pommern 1429 auf eine einträgliche Idee: Er führte den Öresundzoll ein – und sorgte so für Jahrhunderte langen Wohlstand der Stadt. 400 Jahre lang kontrollierten Burg Krogen, später Schloss Kronborg, und die Festung Kärnan im schwedischen Helsingborg die Einfahrt in den Öresund und die Ostsee.

Strandvej, Helsingør: Schloss Kronburg. Foto: Hilke Maunder
Helsingør: Schloss Kronburg. Foto: Hilke Maunder

Kein Schiff konnte passieren, ohne Zoll an den Dänenkönig zu zahlen. Der blühende Wohlstand zur Zeit des Zolls hat Helsingør bis heute geprägt. Wehrhaftes Wahrzeichen jener Tage ist Schloss Kronborg.

Das „Hamletschloss“, das Shakespeare selbst nicht kannte, gehört seit Sommer 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das Schlossmuseum präsentiert die Pracht der königlichen Gemächer; das Handels- und Seefahrtsmuseum erzählt die Geschichte der dänischen Seefahrt seit dem Mittelalter. In den Kasematten ruht Holger Dranske, bis er zur Rettung Dänemarks gebraucht wird.

Das Stadtzentrum hat viele Häuser aus dem Häuser des 16., 17. und 18. Jahrhundert bewahrt. Ganz mittelalterlich gibt sich die Gasse Gl. Færgestræde. Doch Helsingør ist mehr als nur Historie. Im Fährhafen legen rund um die Uhr alle 20 Minuten Schiffe nach Schweden ab.

Im August feiern Hafen, Stadt und Schloss den Hamlet-Sommer – ein Kulturfestival mit Shakespeare, Jazz und der Baltic Sail. Windjammer aus aller Welt säumen den Kai. Auf dem Wasser tanzen Schlepper Ballett – und staunend vergessen die Zuschauer ihr Softeis, das sahnig aus der Tüte tropft.

Dieser Beitrag wurde im Dezember 2003  für den Reportagedienst von Visit Denmark verfasst und wurde von zahlreichen Medien im deutschsprachigen Raum veröffentlicht.

Strandvej: Schloss Kronborg von der Wasserseite. Foto: Hilke Maunder
Schloss Kronborg von der Wasserseite. Foto: Hilke Maunder

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