Luxemburg: Schlemmen nach Sternen

Geld, Banken, Radio, vielleicht auch noch Europa – das sind gängige Klischees. Doch Luxemburg, das kleine Land im Herzen Europas,  hat weitaus mehr zu bieten. Knapp so groß wie das benachbarte Saarland, konzentrieren sich die Kontraste auf kleinstem Raum: im Süden das “Land der roten Erde”, geprägt von Kohle und Stahl; im Norden die Schluchten der Ardennen mit Schlössern und Burgen; im Westen Wald und Wasser; im Osten Weinberge. Unter Gourmets gilt das Großherzogtum als Schlemmerparadies. 2001 bedachte der Michelin-Gourmetführer elf Restaurants mit insgesamt zwölf Sternen.

Die Hauptstadt des Großherzogtums stellt mit 250 Instituten die stärkste Bankenkonzentration innerhalb der europäischen Gemeinschaft dar. Ihre “Wall Street” ist der  Boulevard Royal. Die internationale Bedeutung verleiht der Stadt ein erstaunliches kosmopolitisches Flair. Doch im Kern ist “Lützelburg” klein geblieben. 1000 Jahre Geschichte lassen sich so bequem auf engstem Raum entdecken: die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, die 23 Kilometer langen Kasematten, die die Stadt wie Schweizer Käse unterhöhlen, und die Festungsanlage, die der Stadt den Beinamen “Gibraltar des Nordens” eintrug.

Hinter dem Großherzoglichen Palais, der offiziellen Residenz der großherzoglichen Familie, serviert der Franzose Thierry Duhr  im “Saint Michel” (32, rue de L’Eau, Tel.: 26 20 06 20, ein Stern) in einem Haus aus dem 16. Jahrhundert Carpaccio von Jakobsmuscheln an Kaviar, Steinbutt unter einer Kartoffelkruste  oder Lamm-Gratin mit Basilikumgemüse. Talent und Temperament paaren sich bei Tony Tintinger. Politiker, Diplomaten und Banker treffen sich gerne in seinem Sterne-Restaurant Clairefontaine (9, place de Clairefontaine, Tel.: 46 22 11) hinter schweren Draperien zu Gänsestopfleber mit Port und gegrilltem Petersfisch mit Safrankartoffeln an Hummer.

Das Restaurant Speltz in Luxemburg
Das Restaurant Speltz in der Rue Chimay

Isabelle und Carlo Speltz setzen auf klassische französische Küche, die sich bei warmem Sonnenschein auch draußen in der Fußgängerzone an wenigen Tischen genießen lässt (Restaurant Speltz, 8, rue Chimay, Tel.: 47 49 50). Meeresfrüchte und mehr sind das Metier von Pierre Bousch, der am beliebtesten Platz der Stadt im Restaurant La Lorraine (7, Place d’Armes, Tel.: 47 14 36) eine opulente Fruits de Mer-Platte für rund 30 Mark auffährt: Austern, Venus- und Herzmuscheln, Seeschnecken, Seeigel und Scampis, bekrönt von einer Königskrabbe.

Und zum Dessert? Einen Kaffee mit einem “Knippercher” aus der ältesten Konditorei der Stadt. So heißen die kleinen, umso kalorienreicheren süßen Verführer, die im Namur (27, rue des Capucins, Tel.: 22 34 08) auf der Zunge zergehen: Pralinés, Trüffel, Petit Fours, Marzipan, Nougat oder kandierte Früchte. Noch heute werden sie von 90 Mitarbeitern handgefertigt nach Original-Rezepten von Nicolas Namur, die der reiselustige Firmengründer vor mehr als hundert Jahren von seinen Lehr- und Wanderjahren in Metz, Paris, New York und Kalifornien mitbrachte. Das passende Service für solche Tafelfreuden liefert seit 1767 die königlich-kaiserliche Manufaktur Villeroy & Boch (Geschäft in der Fußgängerzone: 2, rue du Fossé; Fabrik-Besichtigung: Tel.: 48 62 12-16). mit seinem Klassiker “Vieux Luxembourg” – filigrane, blaugezeichnete Pflanzen auf weißem Grund.

Luxemburg hat überdies sehr alte Töpfertradition. Am Ostermontag schenken sich Verliebte traditionell “Peckvillercher”, kleine Pfeifer aus Ton. Als einziges Romantik-Hotel des Landes setzt die Hostellerie du Grünewald (10, route d’ Echternach, Tel.: 43 18 82) auf Tradition. Antiquitäten, von Madame Decker-Augustin in jahrelanger Suche zusammengetragen, bestimmen das Ambiente, Küchen-Klassiker wie  Krebssuppe die Karte.

Luxemburg: Der Markt mit Basilika und Rathaus in Echternach
Echternach: Markt mit Basilika und Rathaus

In Echternach, dem Tor zur Luxemburger Schweiz mit ihren eigenwilligen Felsformationen und bizarren Flussläufen, erkochten sich  Josette und Claude Phal  in ihrer idyllischen Bergerie am Geyershaff (N 77 Richtung Luxemburg, Tel.: 79 04 64) die höchste Auszeichnung, die Michelin im Land vergab: zwei  Sterne. Bewertet wurde dabei auch der Keller – 14.000 Flaschen lagern hier, 750 finden sich auf der Karte. 

Beim nahen Bel Air (1, route de Berdorf, Tel.: 72 93 83), Mitglied im Verband der European Castle Hotels & Restaurants kreiert Küchenchef Claude Faurimont Schlemmereien wie Loup de Mer in Hummerkruste sinnliche Hochgenüsse. Beeindruckend wie das Ambiente ist die Größe der schlossartigen Anlage: Allein vier Hektar umfasst der private Gartenpark mit Wasserspielen und Gartentempel. Wanderwege führen zum Müllerthal, eine Promenade entlang der Sauer zur Stadt Echternach. Am Pfingstdienstag lockt die berühmte Springprozession alljährlich Tausende zum Marktplatz, zur Basilika und hin zu den Gebeinen des Irländers, der vor 1300 Jahre Stadt und Abtei gründete: der Heilige St. Willibrord.

Im Zweiten Weltkrieg seiner Vergangenheit beraubt, gibt sich Diekirch heute progressiv und modern. Wie die bekannte Brauereistadt  bei der Rundstedt-Offensive dem  Erdboden gleichgemacht  wurde, zeigt das Museum der Ardennenoffensive (10, rue Bamertal) eindrucksvoll und beklemmend.  Doch die Stadt, die 1945 im Kreuzfeuer zwischen  deutschen und amerikanischen Fronten lag, lohnt dennoch einen Abstecher: Das Hotel-Restaurants “Hiertz” (1, rue Clairefontaine, Tel.: 80 35 62) hatte einst als erstes Haus einen Michelin-Sternen erhalten – vor mehr als 50 Jahren. Madame Hélène Hiertz hatte den damals 16-jährigen Antonio Pretti aus Südtirol zu sich in die Küche geholt und wie einen Adoptivsohn ins Métier eingeführt.

Die Burg von Vianden in Lusemburg
Die Burg von Vianden

Weiter gen Norden beginnt  das Burgenland des Ösling. Die Hochebenen mit ausgedehnten Feldern wechseln sich ab mit Schieferfelsen und steilen Talhängen, im Frühjahr mit Ginster übersät. Die größte Burganlage westlich des Rheins thront über Vianden. Ein Sessellift erleichtert von April bis Oktober den Aufstieg. Schon Victor Hugo war von dem Ardennen-Städtchen begeistert, besuchte den Ort an der Our 1871 mehrmals während seines Exils – und half beim Stadtbrand kräftig beim Wasserschleppen. So säumen bis heute malerische Herbergen und Häuser die Grand Rue. An ihrem oberen Ende erhebt sich eindrucksvoll das gastliche Hotel “Oranienburg” (126, Grand Rue, Tel.: 84 33 3, 84 33 4), wo Jean-Paul Hoffmann-Guillaume in “Le Châtelain” in dritter Generation die Sinne befriedigt. Sein hauchdünn geschnittener Ardenner Schinken zergeht auf der Zunge.

Die passenden Weine zum feinen französischen oder deftigen Luxemburger Essen kommen von den Hängen der Mosel. 1.200 Betriebe produzieren hier jährlich etwa 140.000 Hektoliter trockenen Weißwein. Neben dem sehr würzig-trockenen Gewürztraminer und einem feinfruchtigen Riesling werden besonders drei Weine angebaut und getrunken, die in Deutschland kaum bekannt sind: vollmundiger Auxerrois, fruchtiger Rivaner und kräftiger Elbling.

Alle Qualitätsweine tragen das Gütesiegel “Marque Nationale”, das vom staatlichen Institut für den Schutz der Reinheit und der Qualität der luxemburgischen Weine vergeben wird. Zu den kleinen frittierten Moselfischen bevorzugte Charles de Gaulle bei seinen häufigen Besuchen im “kleinen Land der großen Weine” jedoch  spritzigen Cremant. Bernard-Massard (8, rue du Pont, Grevenmacher Tel.: 75 54 51) ist die größte private Kellerei, die diesen Sekt nach  der Champagnerart perlen lässt. Zur Kellerbesichtigung samt Kostprobe laden vom 1. April bis 31. Oktober auch die Caves St. Martin (53, route de Stadtbredimus, Remich, Tel.: 69 97 74) und der Schaumweinfabrikant Poll-Fabaire (115,  Route du Vin, Wormeldange, Tel.: 69 83 14) ein.

Das Restaurant von Léa Linster in Luxemburg
Das Restaurant von Léa Linster

Nur selten führt den Feinschmecker der Weg auch gen Süden. Zu Unrecht:, ist noch neben dem Stahl auch die Sterneküche zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. In Frisange, einem Durchfahrtsdorf auf dem Weg nach Frankreich, hängte Léa Linster nach dem Tod ihres Vaters das Jura-Studium an den Nagel, schickte ihren Mann Francis in den Weinkeller, später aus dem Haus, begab sich selbst an den Herd und verkündete Vorbeifahrenden auf einem weißen Schild in schwarzer Schreibschrift ihre neue Profession als Köchin mit Léa Linster Cusinière (17, route de Luxembourg, Tel.: 66 84 11).

Heute eine der bekanntesten Starköchinnen, ging sie schon 1989 nach Lyon, um den ”Goldenen Bocuse” (Bocuse d’Or) entgegen zu nehmen. Ein Michelinstern folgte flugs. Seit April 1999 ist Léa Linster auch in der Hauptstadt präsent: Ihr zweites Restaurant liegt in der ersten Etage des Hauptbahnhofs. Regionale Spezialitäten wie “Judd mat Gardebounen” stehen im “Au Quai de la Gare” (Tel.: 40 67 67) immer auf der Karte, aber auch französische Gerichte zu vernünftigen Preisen – so auch mittägliche Drei-Gänge-Menüs ab 35 Mark.

Weiter westlich und weitaus alltäglicher: Esch-sur-Alzette. Die zweitgrößte Stadt des Landes, die es trotz aller Anstrengungen nie zur Landeshauptstadt geschafft hat, brodelt vor Leben und Menschen. 37 Prozent Ausländer – Italiener, Portugiesen, Belgier und Franzosen, einst als Gastarbeiter für die Stahlwerke angeworben – prägen das bunte Flair der Stadt; internationale Architekten wie Violet le Duc, Joseph Stübben, Gottfried Böhm oder Peter Rice das Stadtbild. An den schönsten ihrer Bauten führt eine Architekturpromenade vorbei.

Der Stolz der Stadt ist jedoch die Rue de l’Alzette, die längste Fußgängerzone und Shoppingstraße des Landes. Noch können Gäste gleich neben dem Theater im “Domus” (60, rue du Brill, Tel.: 54 69 94) von Illario und Simonetta Mosconi mediterrane Kreationen genießen, die einmalig sind: Domus hat als einziges italienische Restaurant der Benelux-Länder einen Michelin-Stern erhallten.

Diese ausgezeichnete Kochkunst können Gäste ab 2001 nur noch in der Hauptstadt genießen – denn Domus zieht um, ins untere Altstadtviertel “Grund”. Deutlich früher hat schon Jan Schneidewind, den Süden des Landes verlassen. Auch den einstigen Sternkoch der Stadt zog es ins Zentrum – nach Luxemburg. Im “Restaurant Jan Schneidewind” (20 rue Curé, Tel.: 22 26 18) kreiert er erfindungsreiche Kochkunst ohne Schnörkel.

Dieser Beitrag ist im Handelsblatt sowie am 29. Juni 2001 auf Spiegel Online erschienen.

Luxemburg: Festungsanlage mit Ober- und Unterstadt
Die Festungsanlage von Luxemburg mit Ober- und Unterstadt

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