Tief eingeschnittene Fjorde, Fernblick vom Fjell, Lachs an der Angel, Blaubeeren auf dem Berg, hot tubs und traumhafte Holzhütten: Beim Wandern in den Sunnmørsalpen präsentiert sich Norwegen als Bilderbuchidylle.
Die Fjordregion an der Westküste Norwegens liegt abseits der Touristenrouten, auf halbem Wege zwischen Bergen und Trondheim. Als Wikinger eroberten ihre Bewohner Frankreich, heute widmen sich die „Schwaben Norwegens“ dem Möbeldesign, der Fischzucht und dem Tourismus.
Christer Lundberg Nes (36) ist Bergführer, Lawinenexperte, Survival-Profi und Outdoor-Freak und auf dem Weg zum Helgehornet, dem Ausflugsberg von Ørsta. Von der 623 Meter hohen Kuppe öffnet sich ein 360-Grad-Panorama auf einen Ring tiefblauer Fjorde, die die Sunnmørsalpen umschließen. Bis zu 1700 Meter hoch steigen die Gipfel steil vom Fjordufer auf, zerfurchte Felshänge aus Gneis und Granit.
Zwischen den Bergen windet sich Wildbäche, hier und da glitzert ein kleiner See im Sonnenlicht. Eine Wandergruppe pflückt Heidelbeeren und Moltebeeren zwischen den Heidesträuchern. Mehr als zwei Stunden hatte sie für den Aufstieg gebraucht, Halt gesucht an Sträuchern und Felsen. Ein wenig bewundernd blickt sie nun auf die Norweger, die mühelos und flott den Querfeldeinmarsch in der Hälfte der Zeit bewältigen.
Wandern durch die Wildnis der Fjordberge hat nichts mit den perfekt präparierten Pfaden der Alpen gemeinsam. Das zeigt sich tags drauf am Kolåstinden, mit 1432 Metern einer der höchsten Gipfel von Sunnmøre. Christer führt auf einem Trampelpfad, zu dessen Seiten es modrig gluckert, über weich federnden Boden voller Moos, Heide und Morast. Nassgraue Felsbrocken, mit Flechten überzogen, stellen sich in den Weg.
Als Wegweiser dient ein Bachbett. Plötzlich stapeln sich Granitkolosse zu einer Felswand auf. Hände und Füße suchen Halt; verkrallen sich in Vorsprünge und Nischen. Langsam, sehr langsam, geht es weiter bergauf. Auf der Hochebene reduzieren sich die Farben auf Grau und Grün in allen Schattierungen. Die Sonne sticht vom wolkenlosen Himmel.
Noch einmal Kraxeln, Balancieren, eine letzte Kehre. Weißgrau leuchtet der Gletscher des Kolåstinden im Hochtal. Blaue Glockenblumen setzten Farbtupfer im Steingrau. Stille. Nur das Gletscherwasser gurgelt leise über die Steine, wächst zum Bach, bricht als breiter Fall 20 Meter tief ins Kvanndal.
Unbändig war auch die Naturgewalt am 26. Mai 1908. Damals ergoss sich eine Steinlawine im Norangsdalen und staute den Lyng-Fluss zu einem See, der langsam eine Alm mit neun Häusern versinken ließ. Noch heute sind im grünklaren Wasser der alte Dorfweg und Mauerreste zu erkennen. Ausgelöscht wurde auch Rise bei Sæbø. Eine 400 Meter breite Schneelawine begrub das Dorf und drei Bewohner 1968 unter sich. Erhalten blieb einzig ein Treppenaufgang in der Einsamkeit.
Auf Brudevolltunet, Ørstas ältestem Bauernhof vom Anfang des 17. Jahrhunderts, wird das alte Leben auf dem Lande bei Familientagen wieder lebendig. Im Wohnhaus spinnen Frauen in Tracht Schafwolle, vor der Schmiede werden Hufeisen geformt, auf einer riesigen Steinplatte, die seit mehreren Jahrhunderten draußen auf dem Hof als Tisch dient, Rømmegrøt serviert: Rahmgrütze mit Zimt und Zucker, Rosinen und „Spekemat“ – Schafswurst und getrocknetem Schinken.
In Rekkedal restaurierten Margrethe und Bjarne Rekkedal ihren Bauernhof, der seit 1604 im Besitz der Familie ist, zum gehobenen Gästehaus im authentischen Ambiente. Geschlafen wird im Himmelbett oder Alkoven, zum Waschen müssen Krug und Schale genügen.
Feudaler logierte die europäische Aristokratie, die zur Jahrhundertwende West-Norwegen als In-Destination entdeckte. Für sie entstand 1891 im kleinen Örtchen Øye am Hjørundsfjord das Hotel Union, eine Prunk-Residenz der Belle Epoque. Bereits im ersten Jahr nächtigen Königin Wilhelmina der Niederlande, König Oskar II., Königin Maud und König Haakon VII. in den Himmelbetten.
Kaiser Wilhelm II. wurde Stammgast. Bis 1914 kam er jedes Jahr. In seinem Zimmer lädt seine Originalwanne heute gut betuchte Gäste zum Bade: ein schwerer, schwarzer Bottich, verziert mit den goldenen Initialen des letzten deutschen Kaisers. Ålesund, das Tor zu Sunnmøre, ist Wilhelm II. bis heute dankbar.
Als 1904 ein verheerender Großbrand fast die ganze Stadt in Schutt und Asche legte, war er der Erste, der neben Geld vier Schiffe mit Baumaterial nach Norwegen entsandte. Der Wiederaufbau erfolgte nicht in Holz, sondern im Geschmack der Zeit – Steinhäusern im Jugendstil. Sie verwandelten den größten Fischereihafen Norwegens in ein architektonisches Kleinod – und Pflichtstopp der Kreuzfahrtschiffe auf der Hurtigruten.
Sunnmøre: Info
Hinkommen
Flug mit SAS via Oslo nach Ålesund oder Ørsta.
Unterkunft
Møre Folkehøgskule
Kyrkjegt 48, N – 6150 Ørsta, Tel. +47 70 04 19 99, Fax: +47 70 04 19 98, E-Mail kontor@more.fhs.no, Web www.more.fhs.no
Hotel Union Øye
N- 6196 Norangsfjorden Tel + 47 70 06 21 00, Fax + 47 70 06 21 16, E-Mail post@unionoye.no, Web www.unionoye.no
Standalhytta
Reservierung: Bodil Standal, Tel. +47 70 06 15 15
Hütte des Skiclubs Ålesund am Fuße des 1432 Meter hohen Kolåstinden. 54 Betten.
Rekkedal Gjestehus
Margrethe und Bjarne Rekkedal
N – 6165 Sæbø, Tel. +47 70 04 00 19, Mobil: +47 952 22 679, E-Mail rekkedal@online.no Web www.rekkedalgjestehus.no
Restauriertes Hofensemble zwischen Sæbø und Ørsta an der RV 655 mit acht Zimmern.
Brudevoll Gard
N-6150 Ørsta, Tel. +47 70 06 71 05, Fax + 47 70 06 73 18, E-Mail ebornstein@c2i.net, Web www.brudevoll-gard.no
Gemütliche Hütten auf einem Bauernhof von Elfried Bornstein mit Hühnern, Kühen, Schafen, Ziegen und Fjordpferden.
Auskunft
Norwegisches Fremdenverkehrsamt
Postfach 11 33 17, 20433 Hamburg, www.visitnorway.com, www.ntr.no
Fremdenverkehrsamt Ørsta/Sunnmøre
Postboks 324, N – 6151 Ørsta, Tel. +47 70 06 85 18, Fax +47 70 06 75 05, E-Mail info@orstainfo.no, Web www.orstainfo.no
Dieser Beitrag wurde von Spiegel Online am 15. April 2004 und später vom Online-Reisemagazin Schwarzaufweiss.de ebenfalls veröffentlicht.