Auf halbem Weg zwischen Oslo und Bergen lässt in Norwegen ein kleines Dorf mit großen Plänen mitten in den „Skandinavischen Alpen“ Wintersportler schwärmen: von 34 perfekt präparierten Pisten, steilen Tiefschneehängen, sechs Monaten Schneesicherheit – und einem einzigartigen Weiß, das es sonst nur noch in den Rocky Mountains gibt: dem stiebenden Champagner-Schnee von Hemsedal.
In der Nacht ist Neuschnee gefallen. Einen halben Meter, pulvrig fein und puderig trocken. Jungfräulich bedeckt er die Wege und Pisten und lockt selbst bettverliebte Langschläfer morgens um neun vor die Tür und auf die Ski. Direkt am Ferienhaus beginnt das Wedelvergnügen. Bei jedem Schwung staubt der Schnee in den stahlblauen Himmel, funkeln die feinen Flocken in der strahlenden Sonne. Minus 18 Grad zeigt das Thermometer an der Talstation, kaum Luftfeuchtigkeit das Barometer.
„Wer Champagne-Powder sucht, muss nicht ganz bis nach Kanada fliegen – den haben wir auch hier in Hemsedal, und das von November bis Mai“, sagt stolz Odd Hold, Tourismuschef des größten norwegischen Skigebietes, in dem 1961 der erste Skilift in Betrieb ging. Heute erschließen 13- Schlepp- und sechs Sessellifte 34 Abfahrten mit 42 Kilometer Piste sowie unzählige Hänge und Routen im Gelände.
Hinauf zum 1.497 Meter hohen Totten führt der höchstgelegene Sessellift Skandinaviens. Hinab durch die baumlose Weite gleitet eine grüne Panoramapiste. Sie eröffnet immer wieder neue Aussichten über die tief verschneite Fjelllandschaft, ein endloses, weich gekupptes Weiß, nur hier und da durchzogen von den Spuren der Langläufer.
Auch am Hamaren (1.444 Meter) überziehen einfache Pisten die oberen, baumfreien Hänge. Doch sobald die ersten Krüppelkiefern auftauchen, wird das Gelände schwieriger und steiler. An der Mittelstation beginnen fünf eisglatte, schattige Schneisen für Cracks, die von Osten nach Westen an Gefälle gewinnen. Weniger Wagemutige finden eine rote Piste, die zum Schwingen verführt. Einsteiger bringt die längste Piste des Skigebiets, die vier Kilometer lange grüne Turistløypa, sicher zurück ins Tal.
Einfach bis mittelschwer sind auch die beiden langen Abfahrten vom Røgjin (1.370 Meter) mit direktem Anschluss an die beiden Ski-In/Ski-Out-Ferienhausanlagen Skarsnuten und Vesletøjen. Sämtliche Skihänge von Hemsedal liegen im Norden oder Nordosten – sonnige Südhänge gibt es einzig talaufwärts in Sollheisen, deren Pisten der Liftpass von Hemsedal mit abdeckt.
Abseits der markierten und präparierten Pisten ist das Terrain für Freerider schier unbegrenzt – und weniger gefährlich als in den Alpen. Da die Fjellberge runde Kuppen und keine steilen Abrisskanten wie in den Alpen besitzen, gibt es in Norwegen kaum Lawinen. Zudem werden die zahlreichen inoffiziellen Off-Piste-Routen genauso kontrolliert werden wie die nummerierten Abfahrten.
Mette-Marit und Prinz Haakon boarden fast jeden Winter im Snowpark an der Lialøypa, der von den Snowboardern Daniel Franck und Lars Eriksen gestaltet wurde: als 600 Meter lange Arena mit zwei Halfpipes, Boardercross, 360 Grad-Karussell, Bump-Area und einem „Big Jump“ für 40 Meter weite Sprünge. Auf dem Gravset ziehen Langläufer in 1.000 Meter Höhe ihre Runde. Allabendlich erhellt Flutlicht bis Mitternacht das 90 Kilometer lange Loipennetz. Jeden Februar werden weitere 120 Kilometer Bergrouten präpariert.
Mit diesem Angebot ist Hemsedal die Nr. 1 im Königreich – und will doch höher hinaus. Mit seinem „Mountain Concept Plan“ will es bis zum Jahr 2015 zur Nummer eins in Skandinavien werden und den Skigebieten der Alpen und Amerika noch stärker Konkurrenz machen. In den nächsten zehn Jahren soll die Bettenzahl in Ferienwohnungen, Hütten und Hotels von 6.000 auf 11.000 nahezu verdoppelt werden, die Zahl der Pistenkilometer auf 75 Kilometer wachsen.
Dazu wird ein autofreies Skidorf als neues Herz von Hemsedal angelegt und der so genannte „Gummiwald“ an der Rückseite des Røgjin in das jetzige Skigebiet integriert. Hinter dem 150 Millionen Euro teuren Ausbau steht die Aktiengesellschaft Skistar, die Hemsedal seit März 2000 im Portfolio führt. Nach einer zweijährigen Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigte die Gemeinde im Februar 2003 die Entwürfe des Joint-Venture von Doppelmayr-kanadischen Ecosign Mountain Recreation Planners Ltd. – und wurde damit Skandinaviens erstes Skigebiet mit Masterplan. In zehn Jahren werden sich dann nicht mehr 9.000, sondern bis zu 16.000 Skifahrer täglich die Pisten bevölkern – ausreichend Schnee garantiert der norwegische Winter. „Unsere Schneekanonen kommen kaum zum Einsatz“, sagt Odd.
Wenn die Sonne sich hinter den verschneiten Kuppen verabschiedet und Flutlicht einzig zwei rot-schwarze Pisten beleuchtet, beginnt der „Aften-Ski“, die große Sause nach dem Skispaß. Erste Station ist die Skistua an der Talstation, wo die Bierkrüge im Takt der rockig-derber Live-Musik geleert werden. Die trendbewusste Szene schaukelt mit dem kostenlosen Skibus in den nur wenige Kilometer entfernten Ort, tanzt in der Disco „Garasje“ auf den Tischen, zwängt sich ins überfüllte Hemsedal Café oder hebt auf den Barhockern der Elgen Bar noch ein letztes Øl (Bier) – härtere Getränke sind in Norwegen zu teuer. Abends um neun sind die Kneipen, Cafés und Bars wieder gähnend leer. Partygänger wie Pistenprofis schlafen längst in ihren Ferienhäusern, während die ersten Schneeflocken am nächtlichen Himmel tanzen.
Hemsedal: Info
Innovation Norway (Norwegisches Fremdenverkehrsamt)
Postfach 113317, 20433 Hamburg, www.visitnorway.com
Hemsedal Turistkontor
Postboks 3, N – 3561 Hemsedal, Tel. +47 32 05 50 30, Fax +47 32 05 50 31, info@hemsedal.com, www.hemsedal.com
Dieser Beitrag ist am 26. Januar 2005 auf Spiegel Online und später im Online-Reisemagazin Schwarzaufweiss.de erschienen.