Es muss nicht immer London, Paris oder New York sein. Um ein paar Tage lang eine Stadt mit Flair zu entdecken, genügt es, den Koffer zu packen und nach Aalborg zu reisen. Nordjütlands Hauptstadt hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer quicklebendige Metropole gewandelt, die vor Lebenslust brummt.
Für den ersten Überblick geht es auf den dreibeinigen Aalborgtornet im Mølleparken, der für die Industrieausstellung 1932 aus Stahl erbaut wurde. Der Blick aus dem gemütlichen Café in 105 m Höhe zeigt eine Metropole im Umbruch: Die alte Hafen- und Handelsstadt am südlichen Ufer des Limfjords, der hier eher einem Fluss gleicht, steckt mitten in der Revitalisierung ehemaliger Hafengebiete. An der Vestre Havnegade haben bereits attraktive Eigentumswohnungen mit Fjordblick die alten Industrie- und Gewerbeflächen erobert, am citynahen Strandvejen hat Michael Christiansen mit dem „Rosdahl“ ein Mekka für Feinschmecker geschaffen – mit Markthalle, Weinhandlung und Gourmetrestaurant.
Fest am Kai vertäut liegt hier auch der 50 Jahre alte Eisbrecher „Elbjørn“. Bei Sonne schmeckt ein Heringsteller an Deck, bei Schlechtwetter die jütländische Küche im Maschinenraum. Ein Deck höher hat Lars Jeppesen Dänemarks größte Aquavitbar einrichtet. Die Kommandobrücke nutzt Rikke Precht als Glasbläserstudio. Zu ihren Kundinnen gehört auch Königin Margrethe II. – sie erstand hier eine Schale in Meeresfarben, blaugrün wie der Sund. Als jüngstes Architekturjuwel am Hafenrand entsteht bis 2008 auf einem alten Kraftwerksgelände am Enghavevej die von Coop Himmelb(l)au gestaltete Konzertbühne Musikkens Hus.
Ein Klassiker der Weltarchitektur ist das 1972 fertig gestellte Nordjyllands Kunstmuseum, das das finnische Architektenpaar Alvar und Elissa Aalto in Zusammenarbeit mit Jean-Jacques Baruël und Elissa Aalto entworfen hat. Tische, Stühle, Fenster, Türen, Griffe und Lampen – fast alles wurde speziell für die Sammlung zeitgenössischer dänischer und internationaler Kunst entworfen, deren edles Interieur aus Esche, schwarzem Leder und Bronze stilvoll und doch zurückhaltend mit den weißen Wänden kontrastiert. Aus bodentiefen Panoramafenstern im Foyer öffnet sich der Blick auf den Skulpturengarten.
Die Bagger machten auch vor der Innenstadt nicht Halt. Am J. F. Kennedy Plads entstand ein brandneuer Busbahnhof, von dem aus ein die neu gestaltete Bummelmeile „Boulevarden“ direkt ins Herz der Altstadt führt. Bekanntestes Wahrzeichen des alten Aalborg ist Jens Bangs Stenhus, von einem Kaufmann 1624 im Renaissancestil gegenüber des alten Rathauses erbaut.
Verzieren ließ er es mit skurrilen Fratzen – als Rache dafür, dass er nie in den Rat der Stadt gewählt wurde. Im Erdgeschoss residiert seit mehr als 300 Jahren die älteste Apotheke der Stadt, im Gewölbe die gemütliche Weinstube Duus Vinkjælder, in der beim alljährlichen Blå Festival Jazz-Bands im Kerzenschein konzertieren.
Wenige Schritte weiter wurde 1437 Dänemarks älteste soziale Einrichtung gegründet: das Helligåndsklostret, heute ein innerstädtisches Refugium mit 25 Seniorenwohnungen und öffentlich zugänglichem Klosterhof. Dom des Stifts ist seit 1554 die Budolfikirche mit sehenswerten Fresken im Inneren.
Vor dem Kaufhaus Salling, Aalborgs größtem Warenhaus mit 35 Fachabteilungen, saust ein Fahrstuhl in die Unterwelt, wo täglich von 10 bis 17 Uhr Strahler per Knopfdruck die Ruinen des Gråbrødrekloster aus dem 13. Jahrhundert erhellen. Die Preisinfo für die Liftmünze lässt schmunzeln: 20 DKK für 250 kg. Entdeckt wurden das alte Franziskanerkloster bei Bauarbeiten auf Aalborgs Shoppingmeile Algade.
Der Abrissbirne nur durch heftigen Protest entgangen das Traditionshaus Kronen, das Hunderte von Kaffee- und Teesorten und grüne Bohnen zum Selberrösten verkauft. Wer von der Fußgängerzone in das Gässchen Hjelmerstald abbiegt, taucht ins Ambiente des 16. Jahrhunderts ein. Bunte, liebevoll restaurierte Fachwerkhäuschen säumen die Kopfsteingasse, Stockrosen blühen neben den Granitstufen, Spitzengardinen schmücken die Fenstergitter.
In einer sonnengelben, ehemaligen Schmiede wirkt ein stadtbekanntes Kunsthandwerker-Trio: Lisbeth Lange schmückt im Kaltverfahren riesige Glasschalen mit filigranen oder poppigen Mustern. Ihr Mann Peter kreiert meterhohe humorvolle Keramik-Skulpturen, während Tochter Louise das Handwerk der Mutter fortführt. Ebenfalls dem zerbrechlichen Werkstoff verschrieben hat sich die Aalborger Glasbläserin Lene Højlund, die aus einem unansehnlichen Klumpen Glas schöne Gebrauchsgegenstände zaubert. Zu den Top-Kunsthandwerkern der Stadt gehört schließlich auch Vibeke Nøddebo, die seit 20 Jahren in ihrer Werkstatt in der Jens Bangs Gade Schmuckkreationen aus eingefärbtem Porzellan herstellt: kunterbunte Ohrhänger, verspielte Ketten und puristisch kühle Broschen und Clips.
Geradezu romantisch wirkt das Renaissanceschloss Aalborghus (1540) mit seinem roten Fachwerk und weißen Wänden. Entstanden jedoch ist der heute letzte erhaltene Wohnsitz eines königlichen Lehnsmannes in Dänemark als Drohung gegen die Bürger und Bauern Jütlands, die sich gegen den König aufgelehnt hatten: Im düsteren Gefängnisloch mussten sie ihre Strafe absitzen. Auch die Architektur spricht eine klare Sprache: Die Rückseite weist zur Stadt, die Prunkfront zum Fjord. Doch jetzt sind Bagger angerückt: Strandvejen und Slotspladsen wandeln sich von einer Hauptverkehrsader zur Flaniermeile am Fjord. Schon in ein, zwei Jahren sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.
Nach Sightseeing und Shopping bringt eine Hafenrundfahrt an Bord von MS Kysten Erholung für die pflastermüden Füße. Während Kapitän Klaus Nielsen (42) die neue Hafenfront entlang schippert, steigt sein Maat in die Kombüse und kehrt mit dampfendem Kaffee und Keksen zurück. Hinter der Einfahrt zum Limfjordtunnel, der Aaalborg mit Nørresundby am Nordufer verbindet, wendet Nielsen und lässt seinen 1940 erbauten Holzkahn nun gen Westen durch die Wellen stapfen, bis die kleine Insel Egholm den Fjord teilt.
Dicht unter Land geht es zurück – vorbei am Søfahrt- og Marinemuseum mit dem 54 m langen U-Boot „Springeren“ und dem schnellsten Torpedoboot der Welt, den Segeljachten im Vestre Bådehavn und der Backsteinfabrik von Aalborg Akvavit, in der seit 1881 der weltbekannte Schnaps der Stadt gebrannt wird. Jeden Sonnabend gibt eine zweistündige Werksführung Einblick in die Geschichte und Geheimnisse der Schnapsherstellung. Bei der abschließenden Verkostung im kleinen Kellermuseum können alle 16 Sorten Aquavit probiert werden: der goldgelbe „Jubi“, der mit Gagelstrauch aromatisierten „Porse“, der milde Dild und der Taffel-Akvavit von 1846.
Noch ein Absacker gefällig? Die nahe Jomfrue Ane Gade bildet mit 22 Cafés, Kneipen, Bistros, Bars, Rockschuppen und Tanztempeln wie Bombay Barfly „Dänemarks längster Theke“.
In Aalborg, behaupten die Einheimischen, ist es nie weit zwischen zwei Schnäpsen. Doch jetzt ist eine ordentliche Grundlage vonnöten. 300 Restaurants, Cafés oder Bar stillen den kleinen Hunger, verwöhnen mit deftiger Traditionsküche oder begeistern mit Spitzenküche im stilvollen Ambiente. Nicht nur eine Aalborger, sondern fast schon dänische Institution ist der puristisch-edle Mortens Kro, in dem Morten Nielsen (38), dänischer Koch des Jahres 1996, Schriftsteller und Fernsehmoderator als Küchenchef am Herd wirbelt – und seine Köstlichkeiten gelegentlich auch selbst serviert.
Der Sonntag beginnt mit einem ausgiebigen Brunch im Café Luna am Boulevarden. Familien mit Nachwuchs zieht es dann zu den 1600 Tieren im Aalborg Zoo, Sportliche in das Erlebnisbad Svømmeland in Nørresundby. Wer nur ein Wochenende in Aalborg verbringt, sollte zum Abschied einen Ausflug in die Frühgeschichte machen. Nördlich des Limfjords, auf dem Weg zum Flughafen und den Badeorten der Westküste, liegt Skandinaviens größte Siedlung und Steinsetzung aus der Eisen- und Wikingerzeit: Lindholm Hoje.
Bis zu den Ausgrabungen 1952 bedeckte Flugsand die 682 Gräber auf der Hügelkuppe, zwischen denen heute Schafe und Zeigen weiden. Nördlich des Gräberfeldes wurden auch Überreste einer Siedlung mit Lang- und Grubenhäusern, Brunnen, Latrinen und holzgepflasterten Wegen freigelegt. Wie die Menschen der Vorzeit lebten, zeigt das angeschlossene Museum mit Dioramen, Modellen und vielen Fundstücken.
Jeden Sommer werden die Wikinger wieder lebendig: Von Mitte Juni bis Anfang Juli wird ein Wikingerspiel unter freiem Himmel aufgeführt, Ende Juni lockt ein Wikingermarkt mit Kunsthandwerk und Kulinarischem aus jener Zeit, das ganze Jahr hindurch ein unvergleichlicher Abschiedsblick auf Aalborg: „Farvel“ und – bis bald!
Aaalborg: die Infos
Wussten Sie schon…
….dass der Stadtname zur Freude seiner 160.000 Einwohner seit 1984 wieder mit Doppel-A geschrieben wird? Der dänische Rapper Niarn, 1979 in Aalborg geboren, feierte dies mit einem eigenen Song: „Dobbelt-A“.
Mein Buchtipp fürs Hotelbett
Jakob Ejersbo: Nordkraft.
Das Romandebüt des Journalisten Ejersbo ist eine dänische Sex-Drugs-and-Rock-‘n’-Roll-Geschichte aus dem Aalborg der 1990er Jahre, nicht romantisch, sondern hart recherchiert.
• DuMont Verlag, Köln 2004, ISBN 3832178449, 22,90 EUR
Auskunft
Aalborg Turist og Kongress Bureau A/S
Østerågade 8, DK – 9000 Aalborg, Tel. +45 99 30 60 90, E-Mail: info@visitaalborg.com, Web: www.visitaalborg.com
Schlafen
Hotel Hvide Hus
Vesterbro 2, DK – 9000 Aalborg, Tel. + 45 98 13 84 00, Fax +45 98 13 51 22, E-Mail: aalborg@hotelhvidehus.dk, Web: www.hotelhvidehus.dk
Phønix Hotel
Vesterbro 77, DK – 9000 Aalborg, Tel. + 45 98 12 00 11, Fax + 45 98 10 10 20, E-Mail: phoenix@helnan.dk, Web: www.helnan.dk
Schlemmen
Mortens Kro
Mølleå 4-6 (Mølleå Arkaden)m Tel. +45 98 12 48 60, E-Mail: info@mortenskro.dk, Web: www.mortenskro.dk
Restaurant Rosdahls
Strandvejen 6, Tel. +45 98 12 05 80, E-Mail: restaurant@rosdahls.dk, Web: www.rosdahls.dk
Madkonsortiet
Sankelmarksgade 15, Tel. +45 98 12 68 56, E-Mail: mad@madkonsortiet.dk, Web: www.madkonsortiet.dk
Isbryderen Elbjørn
Strandvejen 6B, Tel. +45 43 42 34 34, E-Mail: info@isbryderen-elbjorn.dk, Web: www.isbryderen-elbjorn.dk
Duus Vinkjælder
Østerågade 9, Tel. +45 98 12 50 56
Søgaards Bryghus
W. Obels Plads 1A, Tel. +45 98 16 11 14, Web: www.soegaardsbryghus.dk
Shopping
Unentbehrlich: der handliche Aalborg Shopping Guide für die Handtasche, kostenlos erhältlich beim Aalborg Turist og Kongress Bureau und Visit Denmar
Nicht verpassen
Lange Kunsthåndværk
Hjelmerstald 15, Tel. +45 98 13 82 68, E-Mail: peterlange@mail1.stofanet.dk, louiselange@stofanet.dk, Web: www.langekeramik.dk
Glaspusteriet Lene Højlund
Nørregade 6/Søndergade 9A, Tel. +45 98 13 01 20, Web: www.lenehojlund.dk
Vibeke Nøddebo
Jens Bangs Gade 4, Tel. +45 98 16 66 55, E-Mail: vibekenoeddebo@worldonline.dk, Web: www.vibekenoeddebo.dk
Dieser Beitrag war eine Auftragsarbeit für den Reportagedienst des dänischen Fremdenverkehrsamtes “Visit Denmark”, der ihn 2008 veröffentlichte.
In Aalborg erlebte ich auch das größte Narrenfest des Nordens. Mehr dazu gibt es hier.
Weiterlesen
Baedeker Dänemark
Christoph Schumann kennt Dänemark wie seine Westentasche. Seit Jahrzehnte bereist der Skandinavienspezialist das kleine Königreich. Und hat mit dem Baedeker „Dänemark“ einen Führer verfasst, der kompetent wie unterhaltsam Reise-Inspirationen mit detaillierten Infos zu Sehenswerten und Außergewöhnlichen, Klassikern und Kleinoden verbindet.
Entschleunigt am Nyhavn von Kopenhagen, erlebt Action und Abenteuer im Legoland in von Billund, erobert das Watt beim Wandern, entdeckt die Welt des Märchendichters Hans Christian Andersen und erlebt hautnah, warum in Dänemark die glücklichsten Menschen der Welt leben!
Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.
* Durch den Kauf über den Referral Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du unabhängigen Journalismus unterstützen und meine Webseite werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci!
Ein Gedanke zu „City-Break in Aalborg: Lebenslust am Limfjord“