Sopot: Renaissance an der polnischen Riviera

Vierundzwanzig Monate Bauzeit, 51 000 Quadratmeter Fläche, 74,5 Millionen Euro an Investitionen: Dicht auf dicht präsentiert ein Schildermeer auf Hochglanz Fotos und Fakten von Sopot. Das mondäne Ostseebad, auf Deutsch Zoppot, in dem reiche Danziger Patrizier im 19. Jahrhundert den Meerblick genossen und später Politik und Prominenz ihre Reichtümer verspielten, erlebt eine Renaissance. Anfang 2009 soll die polnische Riviera noch größer und mondäner aussehen.

Den Zeitungsverkäufer, der zwischen dem Schildermeer an einer alten HolzbankSonnenschirm und Plastiktisch aufklappt,lässt die geballte Imagewerbung kalt. „Gegen den Stadtpräsidenten des Ostseeortes Sopot wird wegen Verdachts auf Korruption ermittelt“, ruft er laut und hält den Passanten die Samstagsausgabe der Zeitung Rzeczpospolita entgegen.

Sopot (Zoppot): Nordstrand mit dem Grand Hotel (r.) und dem Sheraton-Hotel (l.)
Nordstrand mit dem Grand Hotel (r.) und dem Sheraton-Hotel (l.)

Im Innenteil verrät ein Gesprächsstenogramm, dass Bürgermeister Jacek Karnowski Schmiergeld verlangt hat. Die Ermittlungen der Bürokratieaufsicht NIK laufen, Karnowski musste sein PO-Parteibuchzurückgegeben.

Bei der Eröffnung des Hotels Sheraton spielen solche Schlagzeilen keine Rolle, politisches Showbiz ist gefragt, der rote Teppich ausgerollt. Der amerikanischeBotschafter, die deutsche Konsulin, Investoren aus Frankreich, Schweden, internationale Baukonzerne und Veranstalter sind gekommen, um die Renaissance der „Sommerhauptstadt Polens“ zu feiern.

„Sopot“, sagt die österreichische Sheraton-Direktorin Andrea C. Wrba, „wird mit uns zum exklusivsten Seebad an der polnischen Küste avancieren!“ 189 Zimmer und Suiten, Kids Club, Bar und Restaurant im Jacht-Look stehen seit dem 10. Juli den Gästen zur Verfügung, das Konferenzzentrum und ein 2000 Quadratmeter großer Wellnessbereich sollen zum Jahresende ihren Betrieb aufnehmen.

Sopot: Blick vom Leuchtturm auf die Neubauprojekte Einkaufszentrum, Kurhaus und Resort-Bereich des Sheraton-Hotels
Blick vom Leuchtturm auf die Neubauprojekte Einkaufszentrum, Kurhaus und Resort-Bereich des Sheraton-Hotels

In der größten Suite im fünften Stock holt ein Fernrohr hautnah heran, wie sich Sopot in allen Ecken neu erfindet. Zum Großkomplex Centrum Haffnera, dessen Baukosten sich Polens größte Bank, PKO, die Stadt Sopot und das Bauunternehmen NDI S.A. teilen, gehören nicht nur das neue Sheraton-Hotel und der Tunnel unter der Fußgängerzone zur Mole.

Die architektonische Verjüngungskur umfasst auch vier Gebäude: ein Apartmenthaus mit 74 Ferienwohnungen, ein Einkaufszentrum mit Tiefgarage, die Verwaltung der Parkgarage sowie das neue Kurhaus, das direkt ans Sheraton anschließt und neben einem Spa auch die Städtische Kunstgalerie beherbergen wird. Integriert in den Bau wird die Rotunde des alten, sehr eleganten Sopoter Kurhauses – hier soll künftig ein gehobenes Restaurant Gäste mit internationalen und polnischen Spezialitäten verwöhnen.

Auf dem Vorplatz der Seenbrücke von Sopot trifft man sich
Auf dem Vorplatz der Seenbrücke von Sopot trifft man sich

Selbst am Wochenende wird bis zum späten Abend gehämmert. Doch der Baulärm ist nichts gegen die Beats am Kurhausplatz. „Sopot ist so voller Leben“, schwärmt Agnieszka Najberek, die seit zwei Jahren in dem Ostseebad lebt. „Bis tief in die Nacht ist hier überall Party pur! Auf der Open-Air-Bühne vor der Mole, auf der Waldoper, in den Bars am Strandoder einfach auf der Straße.“

Wie passt das in das edle, exklusive Werbekonzept der Stadtväter? „Auf Sylt klappt es doch auch“, retourniert der Bürgermeister gekonnt mit einem Lächeln und genießt erfreut das edle Perlen von Veuve Cliquot.

Auf einer Bank im Nordpark, einer kleinen Grünfläche zwischen Sheraton-Hotel und dem legendären Grandhotel, das 2006 nach umfangreicher Sanierung unter der Marke Sofitel als Fünf-Sterne-Haus neu eröffnete, packen ein Vater und seine halbwüchsige Tochter auf einer Parkbank ihr Picknick aus: belegte Stullen, etwas Obst, eine Limo für sie, Bier aus der Büchse für ihn.

Abends werden sie mit dem Regionalzug zurück nach Gdynia (Gdingen) fahren, nur dort kann sich die Familie die Feriennächte noch leisten. Sopot hat längst westliches Preisniveau – und ist damit für einen polnischen Kumpel aus Kattowitz unerschwinglich geworden.

Sopot: Haffner-Denkmal (Gründer des Kurbades) im Nordpark zwischen Grand Hotel und SFINKS Club, gestaltet von Zbigniew Józwik
Das Haffner-Denkmal von Zbigniew Józwik

Mitten aus dem Meer blühender Lobelien und Geranien ragt Jan Georg Haffner (1777–1829) heraus. Der Gründer des Kurbades, verewigt in Bronze, an einem Stein sitzend, Spazierstock und Zylinder im Gras, richtet den Blick in die Ferne.

Voller Begeisterung hatte der Chirurg aus dem Elsass nach seinem Dienst in der napoleonischen Armee bei einem Urlaub Sopot und Umgebung erlebt und das Potenzial des einstigen Fischerortes erkannt. Im Frühjahr 1823 errichtete Haffner die erste Badeanstalt, im Jahr darauf das Kurhaus, 1827 die erste Mole. Im Jahre 1910 wurde der Pier um 160 Meter verlängert.

Blick vom Leuchtturm auf die Seebrücke von Sopot.
Blick vom Leuchtturm auf die Seebrücke von Sopot

Nach der Restaurierung ist die Mole wieder das, was sie einst war: Europas längste Seebrücke – und das Wahrzeichen von Sopot. Genau 511,5 Meter ragt der Steg ins Meer hinein. Wer die Pier erleben will, muss erst einen  Tribut entrichten, der dem Preis eines 20 Zentimeter hohen „Lody“ entspricht, das jeder hier auf den Bänken schleckt: kunstvoll geformte Softeispyramiden in Cremeweiß, Braun oder Erdbeerrot, die beim Gehen dem Gesetz der Schwerkraft folgen und umkippen.

Sopot: auf der Molo, mit 511,5 m die längste Seebrücke Europas (Gebühr)
Straßenmusiker auf der Seebrück

Hinter den resoluten Kassiererinnen beginnt auf langen Holzplanken das Flanieren: Der Gang wird zum Genuss, die Schritte wippen, plötzlich kommt ein Hauch von Leichtigkeit auf. Junge Mädchen lassen kleine Plastikkugeln, die plötzlich zu großen Bällen heranwachsen, über den Boden rollen. Eine Stehgeigerin bittet um Gehör und Geld,

Souvenirhändler lassen Piratenflaggen und Bernsteinketten in der leichten Brise wehen. Nur die Passagiere haben es eilig: Sie strömen zu den Ausflugsschiffen, die nach Danzig und zur Halbinsel Hel ablegen.

Ausflugsschiffe an der Mole von Sopot
Ausflugsschiffe an der Mole von Sopot

Am Brückenkopf hat sich auch die angesagteste Location des Ostseebades ihre Pole-Position gesichert: das „Sefinir“, Restaurant, Bar und Musikklub in einem. Von der spritzwassergeschützten Terrasse schweift der Blick weit über die Danziger Bucht: Vorn liefern sich Segelboote mit einer „Piratenkogge“ ein vergnügliches Wettrennen, am Horizont ragen die Kräne der Danziger Volkswerft in den Himmel, kreuz und quer brausen Jetski-Fahrer durch die Fluten.

Sopot: auf der Molo, mit 511,5 m die längste Seebrücke Europas (Gebühr)
Entspannung auf der Mole von Sppot

Beim Rückweg zum Land präsentiert Sopot seinen jüngsten Superlativ: das größte Sofa der Welt. Frisch aus dem schottischen Edinburgh importiert, ist der 1,2-Tonnen-Koloss die neueste Attraktion des Ostseestegs. Auf seiner 51,40 Meter langen Bank mit den 54 Beinen können 104 Menschen sitzen – nur: Was ist solch ein Monstrum gegen die ohnehin schon endlos langen, sanft geschwungenen Bänke beiderseits des Aufgangs der Seebrücke, wo man im Liegen durch die schmalen Lücken der Holzplanken das bunte Treiben am Strand beobachten kann?

opot: unteres Ende der Fußgängerzone ul. Bohaterow Monte Cassino
Die Fußgängerzone Ulica Bohaterow Monte Cassino

Am frühen Abend verwandelt sich die Fußgängerzone „Monciak“ in einen Laufsteg. In Strandkluft oder Abend-Outfit schieben sich die Menschenmassen durch die Passage, die nur von Ortsfremden „Ulica Bohaterow Monte Cassino“ genannt wird und die die Mole mit dem Bahnhof verbindet.

264 Bars und Lokale drängen sich hier auf 600 Metern zwischen Meer und bewaldeter Moräne, berühmte In-Treffs wie das Spatif, der Kunstclub des Polnischen Bildhauerverbandes, Cafés wie das Wedel des besten Chocolatiers Polens und das „Schiefe Haus“ mit seinen Pubs, Restaurants und Geschäften.

Sopot: Das Geburtshaus von Schauspieler Klaus Kinski ist heute die Kneipe Kinsky, Kósciusko 10
PDas Geburtshaus von Schauspieler Klaus Kinski ist heute die Kneipe Kinsky, Kósciusko 10

„Nur der ungeliebte Sohn der Stadt liegt etwas abseits“, erzählt Stadtführer André Falkowski, der mit der Wende den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt hat, und biegt in eine Seitengasse ab. Im Geburtshaus von Klaus Kinski haben Ewa und Andrzej Reichel die Bar Galeria Kinski  eröffnet. Auf das geplante Nosferatu-Denkmal des deutschen Schauspielers und Bürgerschrecks, das vor der Kneipentür aufgestellt werden sollte, mussten sie nach bürokratischen Streitigkeiten verzichten. Das passt nun wirklich nicht ins angestrebte Image, meint der Bürgermeister. Und das jetzt ganz entschieden.

opot: Grand Hotel, Privatstrand mit Badekabinen des "Sopot Summer Club"
Privatstrand des Sofitel Grand Hotel Sopot mit den Badekabinen des “Sopot Summer Club”

Sopot: Kurz informiert

Anreise

Mit Lufthansa oder Lot sowie den Billigcarriern Ryanair und Wizzair von mehreren deutschen Flughäfen nach Danzig, dann weiter mit Regionalbahn, Bus oder Taxi bis Sopot (20 Kilometer).

Übernachten

Sheraton-Hotel Sopot,

Powstancow Warszawy 10, 81-718 Sopot, Tel. 0048/58/767 10 00, Fax 767 10 01, DZ ab 229 Euro.

Sofitel Grand Sopot

Powstancow Warszawy, 12/14, Pomorskie, 81-718 Sopot, Tel. 0048/58/520 60 00, Fax 520 60 99, DZ ab 258 Euro.

Essen & Trinken

Villa Sedan

Pulaskiego St. 18–20, 81-762 Sopot, Tel./Fax 0048/58/551 06 17, Menü ab 20 Euro.

Restaurant Sefinir & Nemiroff

Lounge, Mole, Sopot.

Bar Galeria Kinski

Geburtshaus von Klaus

Kinski, Ulica Tadensza Kocinszki 10.

Veranstaltungen

Sopot International Song Festival am 23./24.8.

Die Ostsee bei Sopot
Die Ostsee bei Sopot

Reiselektüre

Baedeker “Polnische Ostseeküste”

Ostfildern 2008, 340 Seiten, 31 Karten und Pläne, 19,95 Euro.

Auskunft

Informacja Turystyczna Sopot

ul. Dworcowa 4, Tel. 0048/58/550 37 83, Fax 555 12 27.

Polnisches Fremdenverkehrsamt,

Kurfürstendamm 71, 10709 Berlin, Tel. 030/210 09 20, Fax 21 00 92 14, Internet: www.polen.travel/de

Dieser Beitrag ist am 7. August 2008  im Rheinischen Merkur erschienen.Sopot - ein Beitrag von Hilke Maunder im "Rheinischen Merkur"

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