Blaue Reise: Segelträume in der Ägäis

Zwischen Bodrum und Marmaris boomt der türkische Jachttourismus. Das Inselhüpfen, das ein Intellektueller vor rund 50 Jahren in der Verbannung erfand, boomt heute als „Blaue Reise“. Und lockt auch Milliardäre an, die sich dafür Megajachten der Superlative bauen lassen.

Weiße Häuser, geschmückt von lila leuchtende Bougainvillea, überragt von der mächtigen Kreuzritterkastell St. Peter: Bodrum. Als Halikarnassos in der Antike Hauptstadt des karischen Herrschers Mausolos, ist die Hafenstadt auf der gleichnamigen Halbinsel heute In-Treff der türkischen High Society.

Wahrzeichen Bodrums sind neben der Burg Windmühlen – besonders viele stehen in Yalıkavak. Zusammen mit Tilkicik, Pascha und Ağaçbaşı zählt Yalıkavak zu den besten Badebuchten der Halbinsel. An ihrer Südspitze versteckt sich Akyarlar, ein malerischer Miniort mit Burg und Paradeblick über die Ägäis bis nach Kos. Ebenfalls sehr lecker: die Fischtavernen, die in Gümüşlük, dem antiken Hafen von König Mausolos, direkt am Meer liegen.

Etwas abseits, am rechten Ende des Strandes, hockt die schönste Meyhane – Türkisch für Taverne– über den Wellen: Gümüscafe (www.gumuscafe.com). Windsurfer zieht es nach Gümbet, Bitez, Güvercinlik und Ortakent, wo der Meltemi konstant bläst – wie der Ritt auf den Wellen perfekt gelingt, verrät die türkische Meisterin Lena Aylin Erdil und Sechste der PWA World Tour beim VIP Windsurf Center (www.ortakentwindsurf.com).

Wenn am endlos blauen Himmel der Abend anbricht und die Festung im letzten Licht leuchtet, beginnt an der palmengesäumten Hafenpromenade das Nachtleben. Im Marina Yacht Club (www.marinayachtclub.com) steuern Yachties in Designerjeans für jeden Drink eine andere Bar an. Schön für einen Sundowner ist auch das Küba (www.kubabar.com) mit Blick auf Kastell und Karada Marina – wer zum Essen bleibt, kann unter Maulbeerbäumen und Akazien mediterrane Küche und Meeresfrüchte genießen – und danach in den Morgen rocken. Oder durch die Cumhuriyet Caddesi, der Bar Street von Bodrum, bummeln – zum Aufwärmen für eine lange Nacht auf dem Dancefloor.

Vor Mitternacht läuft in den Megadiscos nichts. Doch danach schießt das „Halikarnas“ (www.halikarnas.com.tr) Laserblitze in den Nachthimmel, dreht sich im „Fink“ ein riesiger Kronleuchter über tausend Tänzern, hämmern im „Hadigari“ die Beats. Heidi Klum und Hollywoodstars wie Tom Hanks zieht es nach Türkbükü, wo die Reichen unter sich bleiben und in noblen Clubs wie Maki 29 (www.makihotel.com.tr) oder Flavio Briatores „Billionaire Club“ (www.billionairelife.com/eng/il_club/bodrum) an der Palmali Marina zu coolen Klängen chillen. Nachts um halb eins legt der „Club Catamaran“ (www.clubcatamaran.com), Europas größtes Partyschiff, zum Discotörn mit DJ Gielen ab – Zapfenstreich ist erst früh morgens um sechs.

Dann stehen andere schon wieder längst auf den Planken ihres „Gulet“, eines türkischen Holzseglers, und kreuzen im ersten Licht des neuen Tages vor der 174 km langen Küstenlinie mit ihren 32 Inseln Halbinseln, Buchten und Kaps.

Etappe der "Blauen Reise": die Bucht von Marmaris
Meer, Berge, Weite und Ruhe: beim Segeln in der Ägäis alltäglich

„Erfunden“ wurden die Kreuzfahrten durch die Inselwelt, die heute das Rückgrat des türkischen Jachttourismus bilden, von einem Intellektuellen, der 1925 zu Burgarrest in Bodrum verurteilt worden war: Cevat Sakir Kabaağaçli (1886-1973). Wieder frei, lud er 1957 Literaten, Künstler, Altphilologen und Historiker zu einer Kulturreise im eigenen Land ein. In den einfachen Booten der Schwammtaucher ohne Kajüte oder Komfort entdeckten sie die Buchten rund um Bodrum, nahmen als Verpflegung nur Wasser, Reis und Raki mit, fingen Fische, schliefen unter freiem Himmel und unterhielten sich aus Spaß auf Altgriechisch.

Als „Blaue Reisen“ gingen die Törns in die Literatur ein – und wurden 1993 mit Hannah Schygulla in der Hauptrolle vom deutschtürkischen Regisseur Erden Kiral unter dem Titel „Mavi Sürgün“ (Das Blaue Exil) verfilmt. Cevats Spuren folgen im Sommer heute mehr als 600 Jachtcharter; eine gute Auswahl an Booten mit sehr erfahrenen Crews hat ARYA Yachting & Tours (www.aryatours.de).

Etappe der "Blauen Reise": der Hafen von Marmaris
Etappe der “Blauen Reise”: der Hafen von Marmaris

Nicht nur in Bodrum, auch in Marmaris beginnen solche Törns. Früher war Marmaris ein verschlafenes Fischerdorf. Früher… war vor 20 Jahren. Seitdem hat das antike „Physios“, von dem aus Admiral Nelson den Angriff seiner Flotte auf die Franzosen bei Akubir startete, einen kometenhaften Aufstieg hingelegt. Marmaris heißt Trubel. Besonders in den engen, verwinkelten Altstadtgassen zu Füßen des Kastells und im überdachten Bazar, wo Feilschen einfach dazugehört – um Leder, Schmuck, Teppiche und Trend-Labels. Garantiert echt und eine tolles Mitbringsel: der Thymianhonig (Çam balı).

Etappe der "Blauen Reise": die Bucht von Marmaris
Einsame, idyllische Fleckchen finden sich bis heute bei der Blauen Reise

Wucherte in der engen Bucht zwischen den zerklüfteten Bergen des Taurusgebirges anfangs der Wildwuchs in Beton, hat die Stadtverwaltung in den letzten Jahren für nachhaltigeres Wachstum gesorgt – und als Erstes die Hafenpromenade einem Facelift unterzogen. Dicht an dicht drängen sich auch hier die Ausflugsboote, die entlang der Küste von Knidos bis Kaunos schippern und zu mehrtägigen Blauen Reisen starten. Immer mit auf dem Programm steht die Kleopatra-Insel Sedir Adası mit dem allerfeinsten Sand der Westküste.

Am günstigsten geht es mit der Fähre von Cami lzur zur Zederninsel, die Kaiser Marc Antonius seiner Kleopatra geschenkt haben soll. Ihren feinen Sand ließ er für seine Geliebte der Legende nach vom Roten Meer herbringen. Tatsachlich besteht er aus lauter rund geschliffenen Muschelschalen. Ein Absperrband schützt den Strand vor dem Zugriff. Und vor dem Betreten durch die unzähligen Besucher, die auf die Insel strömen. Für sie wurden rechts und links vom Strand Badetreppen aus Holz angelegt, die in die warmen, azurklaren Fluten führen, in denen – wenn nicht zu viel Trubel herrscht – Delfine mit den Wellen spielen.

In der Türkei aktiv unterwegs: bei der Blauen Reise zur Sedir Adasi segeln
In der Türkei aktiv unterwegs: bei der Blauen Reise zur Sedir Adasi segeln

2000 Jahre nach Marc Antonius wurde die kleine Insel im Golf von Gökova wieder Ort eines Liebesbeweises. 2011 machte der russische Milliardär Vladislav Doronin seiner geliebten Schönen Naomi Campbell zum 41-jährigen Geburtstag ein nicht minder wertvolles Geschenk: ein Ökohaus des spanischen Architekten Luis de Garrido auf Sedir Adası, das dank Solarpanelen und Geothermie völlig autark im Hinblick auf Wasser und Energie ist. Aus der Luft ähnelt der Bau mit seinen 25 Zimmern dem Auge des Horus – in Ägypten ein Symbol für Gesundheit und Gerechtigkeit.

Rund eine Autostunde von Marmaris entfernt, verwirklicht ein anderer Milliardär seinen Traum: Roman  Abramovich, dessen stählernde Motorjacht Eclipse lange die größte der Welt war, bis Sheikh Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum aus Dubai sie um Längen mit seinem Schiff schlug, lässt seit 2011 in Bozburun bei der Dream Ship Victory (DSV) ganz handwerklich einen traditionellen „Gulet“ bauen, der dann, so hofft er, unschlagbar sein wird.

Dream Symphony, ein 141 m langer Traum aus Holz. 300 Tonnen Harz halten das Gebälk zusammen. Vor der Werfthalle liegt ein Hund an der Kette. Valeriy Stepanenko krault ihn. In drei Jahren, 2016, will der Werftchef sein neues Flagschiff aus der Halle schieben – als 20 Knoten schnellen Segler mit Swimmingpool, Helipad und Freitreppe zur Badeplattform. Es zu segeln, gleicht – fast – einem Kinderspiel. Auf Knopfdruck lassen sich fast alle der neun handlichen, 550 qm großen Tücher setzten, reffen und bergen. Nur beim Gaffelgroß muss die Mannschaft wie einst Hand anlegen.

In der Werft von Bozburun entdeckt: der neue Gulet-Holzsegler für Abramowitsch.
In der Werft von Bozburun entdeckt: der neue Gulet-Holzsegler für Abramowitsch.

Blaue Reise: die Infos

Bodrum

Zu den schönsten Hotels an Land gehört das Kempinski Barbados Bay mit Privatstrand, hoteleigener Jacht und dem Six Senses Spa, wo Olivenöl und Meersalz den Körper reinigen für eine türkische Seifen- oder klassische Thaimassage (www.kempinski.com/de/bodrum). Tiefe, zeitentrückte Ruhe prägt auch das Amanruya, wo 36 Cottages mit Privatpool und Kamin eine stille Bucht an der Nordküste säumen (www.amanresorts.com). Schönstes Refugium in Göltürkbükü ist das Boutiquehotel Ada (www.adahotel.com), das neben Hamam, Pool und Privatjacht auch einen beeindruckenden Weinkeller sein Eigen nett.

Die Restaurantszene in Bodrum ist schnelllebig. Seit Jahrzehnten konstant gut – und herrlich romantisch – ist das Kocadon (www.kocadon.com), wo im Innenhof Barbun, Palamut und Chupra – Rotbarbe, Makrele und Seebrasse – fangfrisch auf den Tisch kommen und auch osmanische Klassiker wie Hünkar Beğendi, ein Lammtopfeintopf mit Auberginenpüree und Béchamelsauce nicht auf der Karte fehlen. Für Türken das beste Mittel gegen Katerist „Işkembe Çorbasi“, Kuttelsuppe, wie sie auch das Café del Mar (www.cafedelmar.com.tr) serviert – der Beachclub hat rund um die Uhr geöffnet!

Marmaris

Bestes Haus am Platze ist das Marti-Resort De Luxe (http://www.martiresort.de), das mit fünf Sterne-Ultra-All-Inclusive-Ferien lockt: selbst Bargetränke und Snacks kosten nichts extra. Im April 2013 eröffnete auf einer Klippe der Datça-Halbinsel 45 m hoch über dem Meer das D-Hotel Maris (www.dhotel.com.tr) – vor der Verwandlung in ein luxuriöses, stilles wie stilvolles Refugium tobte dort das Leben im Robinsonclub. Geräumige Zimmer, Infinity-Pool, Frühstück im Patio und Sunsetblick auf die Bucht: Klein, fein und Kult in Kümbülük ist das charmant-edle B&B „Serendip Select Hotel“ von Cihangir Özbek (www.serendipselect.com).

Erstes Haus am Platze in Marmaris: das Marti-Hotel
Erstes Haus am Platze in Marmaris: das Marti-Hotel

Appetit auf Meeresfrüchte? Im Antique-Restaurant am Jachthafen von Marmaris landen Seebrasse, Dorade im Salzmantel, Tun- und Tintenfisch topfrisch auf dem Teller (Netsel Marina, keine URL, Tel. +90 25 24 13 29 55). Dede heißt auf Türkisch Großvater – und mit ihrem Dede Restaurant (http://dederestaurant.com) huldigen die Enkel ihrem Großvater, der als Postschiffer Briefe und Pakete aus Rhodos nach Marmaris brachte – und 104 Jahre alt wurde. Sein Geheimnis: eine gesunde Ernährung mit Fisch, Meeresfrüchten und Salat – und genau das steht heute auf der Karte. Bei Birgül, der resoluten wie charmanten Köchin und Eigentümerin des Ney Restaurant, muss man die manti böregi probieren, türkische Ravioli (Tel. +90 412 0217)

Zum Sundowner treffen sich die Einheimischen in der Castle Cafe Bar oben auf dem Burghügel (Tepe Mah.  37. Sok. 59, Tel. +90 252 412 75 28). Karaoke, Konzerte, Schaumparty und Lasershow sind Programm in der Bar Street, die eigentlich 39 Sokak heißt: Von sieben Uhr abends bis vier Uhr früh wird ausgelassen gefeiert. Und freizügiger als sonst in der Türkei. Älteste Disco, und immer noch „in“, ist das Greenhouse (www.greenhouse.com.tr) – vor Mitternacht gibt’s Blues und Pop, später wird mit Funk und House eingeheizt. Die Generation 30+ rockt bei Davy Jones oder open-air in der Crazy Daisy Bar (www.crazydaisybar.com).

Größte Partyhöhle der Türkei ist das „Arena“ (www.clubarena.com.tr), wo 4000 Tänzer bis früh um vier feiern. „Talk of the Town“ startet sein Nachtprogramm mit tollen Travestieshows – nach dem Cabarat wird im Cheers Club am Uzunyali Beach open-air in den Morgen gefeiert (www.talkofthetowncheers.com).

Event-Tipp: Olympische Dreieckskurse, ein Offshore-Race und tolle Abendveranstaltungen – wen’s wundert’s, dass die Marmaris Race Week Ende Oktober immer beliebter wird? Denn seit 2012 ist das Teilnehmerfeld nicht mehr begrenzt – und jeder darf mitsegeln. Auf jeden Fall mitbringen: Konzentration und Kondition (marmarisraceweek.com)!

Blaue Reise: Es gibt Hunderte, vielleicht auch Tausende Anbieter. Ich war an Bord des 25 m lange n Gulet „Şenkaya” unterwegs, mit dem ein sehr sympathisches türkisch-schottisches Paar durch die Ägäis mit Gästen schippert.

Allgemeine Reise-Infos zur Türkei

Einreise

in gültiger Personalausweis oder Reisepass genügt – bei Schweizern wird die Einreise auf einem Extrablatt abgestempelt. Wer es verliert, muss be der Ausreise eine Geldstrafe zahlen.

Geld

Die Währung ist TL (nicht mehr YTL) und die alte türkische Lira ist nichtmehr gültig. Es gibt Scheine zu 1, 5, 10,20 und 50 TL. Eine Lira ist in 100 Kuruş gestückelt; weitere Münzwerte sind 10, 25 und 50 Kuruş sowie 1 TL.
Achtung: TL-Münzen ähneln stark den Euromünzen, sind aber nicht mal halb so viel wert!

Gesundheit

Die europäische Krankenversicherungskarte ist in der Türkei nicht gültig. Den UrlaubskrankenscheinT/A 11 gibt es für gesetzlich Versicherte bei der Krankenkasse, der in der Türkei im Krankheitsfall von einer Regionalstelle der Sozialversicherungsanstalt (Sosyal Sigortalar Kurumu, S.S.K.) in eine „Gesundheitshilfebescheinigung gemäß Sozialversicherungsabkommen“ umgewandelt wird, mit der man in Krankenhäusern mit S.S.K-Vertrag behandelt. Einfacher ist es, für wenige Euro eine private Reisezusatzversicherung abzuschließen.

Strom

Die Netzspannung beträgt 220 Volt; Adapter sind unnötig.

Zeit

Die Türkei ist Deutschland um eine Stunde voraus, auch während der Sommerzeit, die in der Türkei am gleichen Tag beginnt und endet wie in Deutschland.

Zoll

Da die Türkei kein Mitglied der EU ist, gelten Obergrenzen bei der Einfuhr nach Deutschland. Zollfrei sind 200 Zigaretten, 250 g Tabak oder 50 Zigarren, 1 l Spirituosen und 2 l Wein. Quittungen aufbewahren! Die Türkei hat schon drakonische Strafen gegen Urlauber verhängt, die selbst gesammelte Scherben vom Strand ausführen wollten. Ebenso verboten ist die Ausfuhr von Fossilien, Steinen und Muscheln. Beliebte Souvenirs sind gefälschte Markenprodukte. So gelungen und preiswert sie auch sein mögen: Finger weg! Info: zoll.de

Auskunft

www.goturkeytourism.com

Dieser Beitrag ist in einem Beileger des Life Magazin Verlags für Food & Travel erschienen.

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