Ein schmaler Streifen Land an der Westküste Jütlands hat sich in den letzten Jahren zum Geheimtipp für behinderte Urlauber entwickelt: Holmsland Klit – hohe Dünen und Heide zwischen Meer und Fjord. Quirliges Herz dieses Ferienidylls ist Hvide Sande.
Der lebhafte Fischerort hat in den letzten fünf Jahren Hunderttausende Euro in den Ausbau einer barrierefreien Infrastruktur investiert. Fertig gestellt wurden damit auch 70 geräumige Ferienhäuser direkt am Ringkøbing Fjord, errichtet im Stil traditioneller Fischerhäuser – schwarze Holzhütten mit Spitzgiebel, geschütztem Innenhof und Terrasse zum Fjord.
13 der Urlaubsdomizile von „Hvide Sande Sluse“ sind behindertengerecht eingerichtet. Zugang gewährt ein breites Tor, hinter dem ein geschützter Innenhof zum Sonnenbad einlädt, falls der Wind zur Fjordseite zu heftig bläst.
Ebenfalls im Innenhof befindet sich der Wirtschaftsraum mit Waschmaschine, Trockner und einem Ensemble für passionierte Angler: ein großer Tisch samt Stahlwaschbecken und 120 Liter Gefriertruhe – hier lässt sich selbst gefangener Fisch bequem zerlegen und eingefrieren.
Ebenerdig, ohne Schwelle, geht es ins Haus, das modernen Zeitgeist und skandinavisches Ambiente geschmackvoll verbindet: helles Holz, Naturtöne und schwarzes Leder. Die offene Küche mit ausreichend Drehfläche für Rollstuhlfahrer vereint kompakt moderne Technik: Elektroherd, Kühl-/ Gefrierkombination, Geschirrspüler, Kaffeemaschine und Mikrowelle.
Bindeglied zwischen Essecke und Wohnzimmer ist ein Kamin, in dem leise das Holz knistert. Alle Unterhaltungsangebote – der Fernseher wie auch die Stereoanlage mit CD- und DVD-Player – lassen sich bequem im Sitzen bedienen. Mobile Kommunikation ermöglicht ein Internetzugang.
Bewährungsprobe bestanden
Geschlafen wird nicht in den sonst für Dänemark so typischen kleinen Kammern, sondern großen Schlafzimmern. Spezielle Hilfen, um beispielsweise aus dem Bett aufzustehen, können vorab bestellt und gemietet werden. Für Wellness und Wohlbefinden sorgen Sauna und Whirlpool.
Kaum fertig gestellt, folgte die erste Bewährungsprobe: Ein Rollstuhlfahrer, ein Blinder und ein Taubstummer der Turistgruppe Westjütland Ribe & Ringkøbing Amt unterzogen sämtliche Wohnungen einem Praxistest – und waren begeistert.
Ihr Urteil: Die Häuser sind eine komfortable, barrierefreie Unterkünfte für vier Personen – bei sechs Personen wird’s allerdings eng. Ein Lob wert war auch der kostenlose Eintritt in die Schwimmhalle von Hvide Sande für alle Ferienhausgäste.
Alles leicht zu erreichen
Nur wenige Meter vom Haus erhebt sich der Aussichtshügel Troldbjerg. Sein Signalmast diente noch bis Ende der 1980-er Jahre als Orientierungsmarke für einlaufende Schiffe. Den 22 Meter hohen „Gipfel“, einst nur mit Treppen zu besteigen, erschließt heute ein Rundweg mit mäßigen Steigungen, breit genug für Rollstuhlfahrer und Familien mit Kinderwagen. Heckenrosen und Ginster säumen den Weg vorbei an deutschen Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Oben laden Sitzgruppen und Picknicktische zur Rast.
Eine Besonderheit ist das Münzfernrohr: Es lässt sich stufenlos bis auf Rollstuhlniveau verstellen. Für ein paar Kronen holt es Details heran: Die Bürgersteige im Ort sind an Übergängen und Kreuzungen allesamt abgesenkt, der Zugang zu den Geschäften und Restaurants fast ausschließlich ebenerdig.
Am Hafen gibt es eine Toilette für Behinderte; am Behindertenparkplatz Hvide Sande Syd hat ein Rollstuhlfahrer seinen Wagen geparkt und rollt jetzt auf einer breiten Holzrampe fast bis zum Brandungssaum der Nordsee. Nördlich von Hvide Sande führt ein befestigter Fahrweg mitten durch die Dünen – eine Panoramastrecke mit weitem Blick auf das Meer und den Fjord.
Eine gute Einführung in die Geschichte von Hvide Sande, der Seenotrettung, der Fischerei und der heimischen Fischwelt gibt das Fiskeriethuset. Hinab zum Vestkyst Akvariet im Untergeschoss geht es in einem Aufzug, der speziell für Behinderte angelegt wurde. Selbst das Berührbecken, in dem sich Seesterne, Seeigel, Einsiedlerkrebse und andere kleine Meeresbewohner tummeln, wurde bewusst den Bedürfnissen von Behinderten angepasst.
Wer selbst einmal die Angel auswerfen möchte, hat dazu in den barrierefreien Put & Take-Angelseen von Søndervig und Klegod Gelegenheit. Alljährlicher Höhepunkt ist das Heringsfestival im April. Hunderte Sport- und Hobbyangler werfen beim Wettangeln ihre Haken aus, dem größten Ereignis dieser Art in Dänemark. Besonders begehrt sind die Fangplätze an der Schleuse – sie sind per Rollstuhl leicht zu erreichen.
Was die Berufsfischer aus den Fluten gezogen haben, steht werktags früh um sieben vor der Auktionshalle am südlichen Hafenbecken. Während der Hauptsaison kommen hier nicht nur ganze Kisten und Partien, sondern auch einzelne Fische unter den Hammer. Frisch geräuchert, schmecken Hering und Makrele, Schillerlocke, Dorsch und Butterfisch an den Tischen der Røgeriets Cafeteria.
So gestärkt, geht es zu einem Juwel der Geschichte, fast zu schön angesichts des rauen Alltags von einst: Abelines Gård. Der historische Hof, 1854-1871 erbaut, zeigt mit teilweise originalen Exponaten das Leben einer westjütländischen Strandvogtfamilie. Einzig am Eingang ist ein Höhenunterschied von 27 Zentimetern zu meistern – das Innere des Heimatmuseums lässt sich gut mit dem Rollstuhl befahren.
Eine Toilette mit ausreichend Wendefläche ist ebenfalls vorhanden. Im Garten laden Bänke und Tisch zur Rast inmitten einer Landschaft, die typischer nicht sein könnte: gen Osten die langen Felder der Marsch und die flachen Fluten des Fjords, gen Westen die lange Kette der Dünen, in denen sich farbige Ferienhäuser ducken. Eine salzige Brise lässt die nahe See ahnen.
Dieser Beitrag war eine Auftragsarbeit für den Reportagedienst von Visit Denmark, wurde am 28. Juli 2014 versandt und von zahlreichen deutschsprachigen Medien abgedruckt.
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