Toronto: die Multi-Kulti-Metropole

Tarantua, Treffpunkt, nannten vor Hunderten von Jahren die Huron-Indianer ihre Siedlung am Ontario-See, und die Bezeichnung stimmt bis heute: Toronto ist eine multikulturelle Metropole, deren Stadtviertel von ethnisch bis edel die Herkunft oder den Lebensstil ihrer Bewohner spiegeln.

Im roten Mantel wartet sie Ecke Spadina Avenue und leckt an einem „Lucky Candy“, einem Erdbeer-Lolli in roter Folie: Shirley Lum (43), eine Energiebündel aus Kanada mit chinesischen Wurzeln. 1993 gründete sie A Taste of the World Neighbourhood Bicycle Tours and Walks.

Das ganze Jahr hindurch bietet sie Stadtspaziergänge und Fahrradtouren, die die Viermillionenmetrole aus neuen Blickwinkeln zeigen. Zu Halloween begibt sie sich mit ihren Gästen auf Geistersuche, im Winter folgt sie den Spuren von Charles Dickens oder zeigt, wie Toronto sich die Waterfront von Toronto vom Industriegebiet zum „urban national park“ gewandelt hat. Wo einst Fabrikschlote die Luft verpesteten, säumen heute Restaurants, Hafenbecken für Ausflugsbooten und kleine Jachthäfen das Seeufer.

Toronto multi-kulti: Unterwegs auf der Spadina Avenue von Chinatown
Die Chinatown von Toronto entlang der Spadina Avenue

An diesem Mittwoch jedoch steht eine kulinarische Weltreise durch Chinatown und Kensington Market auf dem Programm. Die Gruppe ist klein, drei Einheimische, zwei Gäste aus Europa, die Neugier groß. Beim Frühstück mit Rugelach, Schoko-Zimt-Hörnchen, und Boreka, Teigtaschen mit Spinat und Feta, lässt Lum die Geschichte des Viertels Revue passieren mit Anekdoten und Ansichten von einst.

Das Gebiet um den Kensington Market spiegelt die Einwanderungswellen der Stadt wider. Besonders Juden aus Osteuropa, dem Nahen Osten und Mittelmeerländern siedelten hier – daher hieß der Kensington Market um 1920 auch noch Jewish Market. Später fanden hier Boat People aus Vietnam ein neues Zuhause – in nächster Nähe zu China.

Ein Health Food Shop in der Chinatown von Toronto
Ein Health Food Shop in der Chinatown von Toronto

Das multikulturelle Ambiente hat schon früh die Szene angelockt. In der Kensington Street hausen Hippies in Häusern, die schon bessere Zeiten gesehen haben, züchten Cannabis in Blumentöpfen und verkaufen grellbunte Retro-T-Shirts mit Flower-Power-Motiven.

Eigenwillig sind auch die Kreationen von Pius Gomes im „Chocolate Addict“-Shop. Geräucherte Bitterschokolade ruht neben dunkler Schokolade mit Wasabi, Chili- oder Lavendelzusatz in den Regalen. Kanadische Klassiker sind hingegen die Köstlichkeiten, die „My Market Bakery“ anbietet: butter tarts – kleine Mürbteigtörtchen aus Unmengen Butter, pur, mit Pecan-Nüssen oder Rosinen gefüllt.

 

Street Art in Toronto an der Queen Street West
Street Art in Toronto an der Queen Street West

Bereits 1783 eröffneten der St. Lawrence Market im „Old Town of York“, der Keimzelle der Millionenstadt. An Markttagen mussten einst die Geschäfte ringsum von 6 bis 16 Uhr schließen – um ihren Mitarbeitern den Besuch des Marktes zu ermöglichen. Sobald die Marktglocke das Ende des Markttages verkündete, wurden die Ladentüren wieder geöffnet…

Heute erstrecken sich die hangarartigen Markthallen zu beiden Seiten der Front Street. Ein babylonisches Sprachgewirr schwirrt über den Ständen aus aller Welt. Italiener verkaufen Mortadella, Russen Wodka, Neuseeländer Wein und Honig. Die Chinesen locken mit einem Dutzend Tofu-Sorten, Ingwer und Tee für jede Seelenlage, Ruby’s Rice Stand mit mehr als 40 Sorten Reis.

Der Kinofilm My Big Fat Greek Wedding machte Greektown, die Heimat der griechischen Einwanderer, weltweit berühmt. Und wie im Film, ist das Viertel eine Verbindung der Kulturen. Die Straßenschilder tragen englische und griechische Namen; Souvlaki-Restaurants flankieren Sushi-Bars und Steak-Häuser. Italienisches Flair findet sich vor allem am Corso Italia an der St. Clair’s Avenue westlich von Bathurst, während Little Italy eher edel als ethnisch ist.

Was entlang der College Street zwischen Bathurst und Ossington Avenue in den Schaufenstern gezeigt oder in den Cafés serviert wird, gilt als Trendbarometer für Nordamerika. Ebenfalls im Westen der Stadt liegt das Portugal Village, die Heimat von Torontos großer portugiesische Gemeinschaft.

Uma Thurman als Mural an der Queen Street West von Toronto
Uma Thurman als Wandbild der Queen Street West von Toronto

Little Poland, eine Enklave russischer und anderer osteuropäischer Einwanderer, erstreckt sich auf der Roncesvalles Avenue zwischen King Street und Dundas Street West. Exotische Düfte schweben über dem Indian Bazaar an der Gerrard Street. Frauen ins Saris schleppen schwere Säcke mit Basmati-Reis, laut dringt indische Musik aus den Geschäften und Restaurants.

Michael (39) und Guy (34) Rubino, ambitionierte Söhne italienischer Immigranten, die bis heute ihre eigene Salami, Tomatensauce und Ricotta-Käse herstellen, haben die multikulturelle Wurzeln der Stadt in ein trendiges Design-Erlebnis verwandelt.

Ihr Restaurant „Rain“, im Januar 2002 im ersten Frauengefängnis der Stadt in einer schlecht beleuchteten Seitenstraße eröffnet, ist „hot & hip“. Selbst Liam Nelson, Robin Williams und Kate Hudson mussten Wochen im Voraus hier ihren Tisch buchen. Eine Wand aus Wasser trennt die Lounge im Retro-Look der 1970er-Jahre vom Restaurant.

Das Menü ist auf dünnem Reispapier gedruckt; das Duo von Ente und Wachtel mit Peking-Confit auf Schieferplatten serviert, die die Brüder in Bauschuttcontainern gefunden hatten.

Blick aus dem CN Tower auf Toronto
Blick aus dem CN Tower auf Toronto

Toronto: die Infos

Hinkommen

Air Canada fliegt ab Frankfurt und München täglich nach Toronto.

www.aircanada.ca

Klima

Toronto liegt auf 44° nördlicher Breite, und damit südlicher als Paris. Im Sommer schwanken die Temperaturen zwischen 16 und 26 Grad Celsius, der Herbst ist mit 7 bis 15 Grad Celsius angenehm mild. Im meist schneereichen Winter liegen die Temperaturen zwischen null und minus acht Grad Celsius. Der Frühling gerät mit drei bis elf Grad Celsius eher kühl.

Thematische Stadtführungen

A Taste of the World

Tel. + 1 (416) 923 68 13, www.TorontoWalksBikes.com

Gourmet-Tipps

Restaurant „Rain“

19 Mercer Street, Tel. +1 (416) 5 99 72 46, www.rainrestaurant.ca

Chocolate Addict

185 Baldwin Street, Tel. +1 (416) 979 58 09

Auskunft

Toronto Convention & Visitors Association

P.O. Box 126, 207 Queensway West, Toronto, Ontario M5J 1A7, Canada

Tel. +1 (416) 203 2600, www.torontotourism.com

Dieser Beitrag ist im Handelsblatt, im Rheinischen Merkur und auf www.schwarzaufweiss.de erschienen

Die Toronto Islands Ferry vor der Skyline der Metropole
Die Toronto Islands Ferry vor der Skyline von Toronto

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