Schleswig-Holstein: Paddeln zwischen zwei Meeren

Mehr als 300 Seen, Hunderte Flüsse und Bäche, drei Förden und zwei Meere machen Schleswig-Holstein zum Eldorado für Kanu-Urlauber. Ob hart am Wind oder geruhsam – hier findet jeder sein Revier.

Auf mehr als 30.000 Kilometern durchziehen Flüsse, Auen und Bäche das Land. Grachten und Kanäle prägen auch Friedrichstadt, das Holländer ab 1621 an der Mündung von Eider und Treene anlegten. Heute ist die idyllische Kleinstadt ein beliebtes Ziel für Wasserwanderer: Dicht an dicht liegen Kanus und Kajaks in allen Größen und Farben hinter der Stadtschleuse im feuchten Gras.

Mehrtägige Paddeltouren auf der Treene, die sich vom Treßsee südlich von Flensburg idyllisch durch Weiden und Wiesen, Moore und Wälder bis nach Friedrichstadt schlängelt, beginnen meist in Frörup, wo eine flotte Strömung über leichte Schwälle und umgestürzte Bäume bis nach Tarp führt, ehe es geruhsam weiter bis Hünning geht.

Abends wird das Bett mit einer großen Gabel aufgeschüttelt: Wer in der Heuherberge von Bauer Jensen nächtigen möchte, kann für sechs Euro seinen Schlafsack auf dem Dachboden der Scheune ausrollen – für Allergiker gibt es Extrakojen.

Bei Hollingstedt wandelt der Fluss seinen Charakter: Die Geestlandschaft weicht einer Marschniederung. Weißstörche waten am Ufer und stochern im graugrünen Nass, über dem sich ein makellos blauer Himmel spannt. Hinter der nächsten Biegung glotzen rotbunte Milchkühe über den niedrigen Deich, der jetzt den Fluss begleitet.

Eiderstedt: Das Eidersperrwerk. Foto: HIlke Maunder
Das Eidersperrwerk. Foto: HIlke Maunder

Die Weiterfahrt auf der Eider nach Tönning und weiter bis zum Eidersperrwerk gleicht einer Wattenmeerfahrt und ist nur Seekanuten mit Erfahrung zu empfehlen.

Besonders, wenn nach Hochwasser oder Sturmflut die bis zu 250 Tonnen schweren Wehrtore des Bollwerks gegen die Nordsee wieder geöffnet werden, kann es zu einem heftigen Ebbstrom kommen. Auch verwandeln heftige Winde hier den längsten Fluss des Landes in ein Meer von Schaumkronen.

Eine ideale Region für Einsteiger und Familien ist die Plöner Seenplatte, die viele Stichkanäle durchziehen. Zu den Highlights der Holsteinischen Schweiz gehört eine Fahrt auf der Schwentine.

Idyllisches Kanu-Revier: der Große Plöner See. Foto: Hilke Maunder
Der Große Plöner See. Foto: Hilke Maunder

Von Bad Malente geht es vorbei an historischen Gutshäusern, Schlössern, uralten Dörfern und vielen Inseln vom Großen Eutiner See bis zur Kieler Förde – auf der 52 km langen Route werden dabei zwölf Seen durchgequert. Gelegentlich huschen Fischotter durch die dichten Schilfgürtel der Ufer, in denen noch Rohrdommeln brüten.

Im Herzogtum Lauenburg bilden die Trave, die Wakenitz, der Ratzeburger See und der Schaalseekanal ein 80 km langes Wegenetz für Wasserwanderer – bei dem, anders als sonst, die Fließrichtung der Gewässer für eine gelungene Paddeltour keine Rolle spielt.

Mitten in Lübeck, an der Falkenstraße, wird das Boot eingesetzt. Die Wakenitz ist hier kein Fluss, sondern ein Stausee, einst angelegt zur Trinkwasserversorgung der Hansestadt. Weiße Prunkvillen und Bootshäuser der Gründerzeit säumen das Ufer, später Kleingartenkolonien, und immer wieder Badestellen.

Hinter Müggenbusch wandelt sich die Wakenitz zum „Amazonas des Nordens“: Bäume, Büsche, Blumen und Lianen bilden ein grünes Dickicht. Auf und zu fliegt ein Eisvogel auf. Eine Ringelnatter huscht durch das Gras; Schwäne, Blässhühner, Haubentaucher und Gänsesäger schwimmen neugierig auf die Paddelausflügler zu. Um das Idyll zu schützen, ist das Anlegen am Ufer verboten, das Paddeln nur von 6 bis 19 Uhr gestattet.

Ideal für einen Kurzausflug oder ein Kanuwochenende ist auch die Stör. Der größte Nebenfluss der Elbe entspringt bei Neumünster und mündet nach knapp 90 Kilometern bei Glückstadt in die Elbe. Zusammen mit seinen Zuflüssen Wilster Au, Bekau, Bramau, Hörnerau und Breitenburger Kanal bildet er ein 200 km großes Revier, das hinter Kellinghusen der Kraft der Tiden ausgesetzt ist. Bei Ebbe „saugt“ die Nordsee die Paddler hin zur Flussmündung, bei Flut sorgt der Meeresdruck für Schweißperlen auf der Stirn.

Eiderstedt, Morgens im Wattenmeer. Foto: Hilke Maunder
Morgens im Wattenmeer. Foto: Hilke Maunder

Echten Cracks vorbehalten ist Schleswig-Holsteins anspruchsvollstes Revier: das Wattenmeer. Hier im fünf bis sechs Meter langen Seekajak zu paddeln, ist ein anstrengender Kraftsport, der beste Bootsbeherrschung, Seewetter-Wissen und Navigationskenntnisse erfordert. Und Seenotsignalraketen, nicht im Boot verstaut, sondern griffbereit an Deck festgezurrt sind.

Auch hat Küstenwandern wenig mit einer beschaulichen Flussfahrt zu tun. Schon nach den ersten Schlägen bedeckt Salzwasser die Haut, ständig spritzt Gischt ins Gesicht. Möwen und Austernfischer schreien im Wind. Dann tauchen Seehunde dicht am Boot auf und verschwinden sofort wieder in der Tiefe. Endlos und einsam erstreckt sich eine Welt aus Wasser, Wind und Wellen.

Pausen sind oft erst nach Stunden möglich – auf einem Sand- oder Wattrücken, einer Hallig – oder einem der acht „Trittsteine“, die von der Nationalparkverwaltung im Wattenmeer angelegt wurden: entlegende Idylle, einzig gestattet für eine kurze Rast.

Abschied von Hallig Hooge ... Foto: Hilke Maunder
Abend auf Hallig Hooge … Foto: Hilke Maunder

Wasserwandern in Schleswig-Holstein: Gut zu wissen

Umfassende Info zu den Paddelrevieren Eider, Schwentine, Sorge, Treene, Wakenitz und Schaalsee finden sich unter www.flussinfo.net.

14 Paddeltouren in Schleswig-Holstein enthälft die Broschüre „Kanus, Kajaks, Kilometer – Wasserwege in Schleswig-Holstein“, die kostenlos beim Umwelt- und Landwirtschaftsministerium erhältlich ist (Tel. 0431/988 72 67, E-Mail: broschuere@munl.landsh.de).

Eine Übersicht über Leihkanus zwischen Nord- und Ostsee bietet die Arbeitsgemeinschaft der Kanuvermieter unter www.kanu-vermieter.de

Dieser Beitrag ist am 10. März 2007 im Weserkurier erschienen.

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