Seoul: Auf den Spuren der Tradition

Dicht an dicht drängen sich Hochhaustürme und hypermoderne Neubauten zwischen den flachen Hügeln. Auf schachbrettartig angelegten Straßen braust rund um die Uhr der Verkehr. Videoleinwände, Reklametafeln und Schriftzeichen verkünden übergroß Parolen aus Politik und Kommerz, bunt und grell. Doch inmitten der Hektik der Moderne hat die Megacity Seoul, in deren Großraum 25 Millionen Menschen leben, etliche Zeugnisse der Joseon-Dynastie bewahrt.

Seoul: Junger Look, altes Erbe

Seit ihr Gründer Taejo Seoul 1394 zur zur Hauptstadt seines Reiches machte, ist sie politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Koreas. Obgleich der Koreakrieg 1950 – 1953 die Stadt nahezu dem Erdboden gleich gemacht hat, 2008 durch einen verheerenden Brand der Nationalschatz Nummer eins, das Namdaemun-Tor, in Flammen aufging, birgt die Stadt, die auf den ersten Blick nur in der Gegenwart und Zukunft lebt, noch bedeutende historische Zeugnisse – liebevoll sanierte Paläste, Königsgräber, die alte konfuzianische Akademie und den Jogyesa-Tempel.

1395 vom Jogye-Orden, der größten buddhistischen Schule Koreas, gegründet, ist er bis heute das Zentrum des Zen Buddhismus. Mehr als 500 Jahre alte Robinien und Baeksong-Bäume umgeben sein stattliches und prachtvoll geschmücktes Hauptgebäude, das Daeungjeon. Wer es betreten möchte, muss am Eingang seine Schuhe ausziehen – wild durcheinander stapeln sich Galoschen und Sportschlappen, Sandalen, Pumps und hohe Stiefel.

Ab Anfang April hängt der Himmel hier voller Wünsche – an Lampions in Gelb, Rot, Pink, Grün oder Blauen haben die Gläubigen ihre Wunschzettel für Buddha gehängt. Seinen Höhepunkt erreicht das Lotus-Laternen Festival Anfang Mai, wenn am am achtenTag im vierten Monat des chinesischen Kalenders die Stadt Buddhas Geburtstag mit einer großen Laternenparade feiert.

Mehr als 100.000 Menschen ziehen dann mit einzigartigen Laternen in Form von Tieren, Blumen oder mystischen Kreaturen, die mal überlebensgroß, dann wieder nur handklein sind, vom Dongdaemun Stadion über die Straßen von Jongno bis zum Jogyesa-Tempel.

Ein Himmel voller Wünsche

In den Straßen um den Tempel haben sich die buddhistischen Spezialläden längst auf die vielen Touristen eingestellt. Zum Sortiment gehören längst nicht mehr nur hölzerne Tak, Gebetsperlen, buddhistische Schriften und Weihrauch, sondern auch Souvenirs, wie Puppen und Schlüsselanhänger.

Wenig weiter verwandeln junge Männer an mobilen Verkaufsständen einen Teig aus Mandeln, Maismehl und Honig geschickt in 16.000 hauchdünne Fäden. Dieser „Königsbart“ ist eine beliebte und äußerst klebrige Leckerei in Südkorea. Kleine Kunstwerke sind auch die vielfarbigen Reiskuchen in den Auslagen von Insa-dong. Zur Mittagszeit ist Nodku bindaetteok besonders beliebt.

Viele der mehr als 100 Garküchen des Kwangjang oder East Side Market brutzeln den herzhaften aus fein gemahlenen Mungobohnen mit klein geschnittenen Lauch und Karottenschnipseln und Sprossen. Andere Stände stillen den Hunger mit Blutwurst und gebratener Leber. Fische, Frösche und Hühner brutzeln in der Fressgasse in Öl; Schnecken, Muscheln werden in Wasser gegart, Seidenraupen kross geröstet. Dazu gibt es Soja-Soßen und Kim’chi, eingelegten Kohl von sanfter bis extremster Schärfe.

Exotik auf der Zunge

Als Hochgenuss gelten auch schleimig-grüne Seegurken, die roh genossen werden, und frisch zerlegter Oktopus. Die Krakenstückchen zucken noch, während sie zwischen den Stäbchen klemmen… Fischhändler, die Makrelen und Stockfisch auf gelbe Plastikschnüre aufgezogen haben, und Ginseng-Händler buhlen um Kundschaft, hinter sorgfältig aufgestapelten Türmen aus Apfelsinen und anderen Südfrüchten spielen Frauen mit Kopftuch und weitem Rock Karten.

Getrocknete Fischer auf dem Kwangjang-Markt von Seoul
Kwangjang-Markt: getrocknete Minifische

Im ersten Stock des Marktes, der mit seinen nach Warengruppen organisierten Bereichen an einen orientalischen Souk erinnert, vermessen traditionell gekleidete Frauen die Seide für das Hanbok, das unter der Brust geschnürte Kleid der Koreanerinnen, das noch zum Geburtstagen und Hochzeiten getragen wird.

Im Alltag dominiert längst Fashion aus dem Westen – je teurer das Label, desto angesagter ist die Mode der Designer aus Europa oder Amerika. Erst spät nachts schließen die Boutiquen von Gucci & Co., klappen die Markthändler mit den Marken-Kopien ihre Stände hoch.

Auch für die Gruppe, die ihre Reise mit einem Stop-over-Programm in Seoul unterbrochen hat, ist jetzt auch Zeit, Abschied zu nehmen. Die historische Innenstadttour mit Tempelbesichtigung ist beendet – doch das Interesse am südostasiatischen Land geweckt. Genügend Anregungen für das nächste Stop-over-Programm bietet die Broschüre des koreanischen Fremdenverkehrsamtes. Oder wird es doch ein Korea-Urlaub?

Dieser Beitrag ist im Online-Reisemagazin www.schwarzaufweiss.de erschienen.

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