Stadtbummel in Rostock

Rostock ist anders: Hafen und Hanse brachten schon für die Fremden hierher, Freigeist und Forschung garantiert seit Jahrhunderten die Universität. Als “Leuchte des Nordens” war sie 1419 als erste Alma Mater des Nordens gegründet worden. Trotz Werftenkrise und leerer Kasse pulsiert das Leben in der Viertelmillionen-Stadt.

Rostock ist damit nicht nur die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns, die zugleich eine der ältesten Siedlungen ist. Schon im Jahr 1161 erwähnt eine Chronik die Burg Rozstoc. Der Name – er bedeutet “Flussverbreiterung” – verweist auf die bis heute günstige Lage: Rostock liegt 12 Kilometer von der Trichtermündung der Warnow gut geschützt im Hinterland.

Wer heute mit dem Wagen die Strecke entlangführt, blickt entsetzt auf Bettenburgen aus Beton, im sozialistischen Einheitsgrau errichtet für die Arbeiter in der Schiffahrtsindustrie, die Rostock einst zum größten Hafen der ehemaligen DDR machen.

Heute besinnt sich die Stadt lieber auf ihre hanseatische Tradition: Im Sommer treffen sich alte Schooner und moderne Segler zur Hanse Sail; in der “Kogge” verleihen unzählige Schiffsmodelle selbst dem Speisen maritimen Flair. Liebevoll werden die letzten Zeugen der Hanse-Zeit restauriert und ins rechte Licht gerückt: Abends leuchtet die Stadt. Im Herzen der alten Stadt verläuft die Kröpeliner Straße.

Den Abschluß nach Westen bildet das 54 Meter hohe Kröpeliner Tor. Architektonisch reizvoll ist der reiche Blenden und Ziegelschmuck auf dem dunkelroten Backstein. In den Tor-Etagen ist das Stadtgeschichtliche Museum untergebracht, das wechselnde Sonderausstellungen, unter anderem auch zur Backsteingotik, zeigt.

Vorbei an dem “Brunnen der Lebensfreude”, der recht deutlich die Quell der Lust zeigt, und den dahinter liegenden Gebäuden der Universität, führt der breite Boulevard hin zum Markt, wo politische und geistliche Macht sich direkt gegenüberstehen.

Boutiquen, Cafés, Kaufhäuser und Krimskramsläden säumen die Fußgängerzone; Straßenmusikanten, Akrobaten und Zauberkünstler laden zum Verweilen ein. Die Kröpeliner Straße mündet schließlich auf den Markt, wo Autofahrer sich um die leeren Parkplätzen drängeln.

Breit und wuchtig dominiert das Rathaus den länglichen Platz. Der Gotikbau aus dem 13. Jahrhundert wurde im Mittelalter vorrangig als Kaufhaus genutzt. Weber, Barbiere, Tuchmacher, Gerber und Buchhändler trieben hier Handel – die Stadtverwaltung verfügte nur über wenige Räume.

Erst zum Ende des 16. Jahrhundert zogen die Ratsherren ein. Ein architektonisches Kuriosum bietet die Fassade: Der gotischen Giebelfront mit den sieben schlanken Türmchen setzte Baumeister Zacharias Voigt eine barocke Palastfassade vor. An der Westseite, unterhalb der alten Lauben, lag einst das “Brummbärenloch”. In dem Verlies für Leute, die leichte Delikte verübt hatten, saßen meist Studenten ein.

Das bedeutendste Bauwerk Rostocks erhebt sich auf der anderen Seite des Platzes hinter einer Reihe von prunkvoll restaurierten Patrizierhäusern: 1230 wurde hier die Marienkirche nach westfälischem Vorbild erbaut. Das erste Kirchenschiff stürzte jedoch ein. 1398 folgten einen neues Lang- und Querschiff, 1452 wurde der Bau vollendet, 20 Jahre später die astronomische Uhr installiert.

Ihr Kalendarium reicht bis zum Osterfest im Jahr 2017. Täglich Punkt zwölf Uhr herrscht dichtes Gedränge vor der Uhr: Der berühmte Apostelrundgang beginnt. Erst 1769, 300 Jahre später, kamen Turmbekrönung samt Laterne hinzu.

Von hier droben bietet sich ein beeindruckendes Panorama über das alte und neue Rostock: Im Norden sind die Ostsee, der Überseehafen und die Neubausiedlung Lütten-Klein zu sehen, im Westen Reutershagen, Marienehe, im Süden die Südstadt und im Osten die ältesten Stadtteile Rostocks, Dierkow und Brinckmansdorf.

Dieser Beitrag ist 1991 in “1000 Ausflugsziele in Mecklenburg-Vorpommern” erschienen. 

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