Meterdick hat der Schnee den Gipfel im Griff, umhüllt Bergstation und Höhenrestaurant wie ein eiserner Panzer. In der klaren Luft haben die Schneeflocken riesige Kristalle gebildet, die filigran in der Sonne glitzern. Eine leichte Brise treibt feinen Schneestaub über die Kuppe des Åreskutan, mit 1.420 Metern Höhe Hausberg des schwedischen „Davos“.
100 Abfahrten in vier Sektoren
Von der Bergstation der einzigen Kabinenbahn Skandinaviens erschließen 40 Lifte 100 Abfahrten in vier Teilgebieten, die nach den Ortschaften der Talstationen benannt sind: Åre Björnen, Tegefjäll, Duved und Åre Village, mit 23 roten und sechs schwarzen Pisten Tummelplatz der ambitionierten Skifahrer.
Für die alpinen Weltmeisterschaften 2007 wurde bei den Olympialiften nach Plänen von Bernhard Russi, der schon die örtliche Weltcup-Abfahrt der Herren gestaltet hat, in Åre eine weitere schwarze Piste gebaut: die Damenabfahrt für die Wettbewerbe im Slalom und Super-G.
Nostalgische Bergbahn zum trendigen Hotel
Vom lebendigen Dorfzentrum Åre Torget zieht sich seit 1910 alle 20 Minuten die Åre Bergbana am Stahlseil zum Hotel Fjällgarden empor, das 1910 mitten im Skizirkus eröffnete – und heute, durchgestylt im erdig-dunklen Zeitgeist der minimalistischen Moderne, ein angesagter Treffpunkt ist. Im Foyer checken Wintersportler an kostenlosen Internet-Terminals ihre E-Mails; am Kamin stehen gemütliche Sessel zum Aufwärmen bereit.
Geradezu gigantisch, fast wie ein Fremdkörper, wirkt in dieser Bullerbü-Idylle der riesige Åre Holiday Club, der seit November 2004 das Seeufer dominiert. Die Ferienstadt mit Mehrzweckhalle, Konferenzsälen, Erlebnisbad und Saunapark ist in ihren enormen Ausmaßen sichtbarstes Zeichen der neuen Zeit, mit der Åre in die erste Liga europäischer Wintersportorte aufsteigen will. Während sich die Kommune so bestens gerüstet sieht, investiert Liftbetreiber Skistar in den Nachwuchs.
Bären-Spaß für Familien
„Välkommen“, schallt es aus dem Wald, als eine Kindergruppe von der Bergstation des Förberget (727 m) den Eingang zur Björnlandet-Piste betritt. Versteckt zwischen hohen Tannen, duckt sich eine kleine Hütte. An der „Reception“ steht eine freundliche Bärenmutter, handgeschnitzt in Kiefernholz. Ein Bewegungsmelder hat ihre Stimme aktiviert, mit der sie die Gruppe begrüßt.
Die animierte Slalom-Piste für Kinder, die sich vorbei an neun Stationen mit Bären-Szenen durch Krüppelkiefern und Birken bergab schlängelt, ist die Attraktion von Åre-Björnen. Die autofreien Ferienanlage im Osten von Åre ist perfekt für Familien: 14 der 17 Pisten sind für Anfänger geeignet; im Kinderfunpark saust der Nachwuchs mit Ski oder Snowboard über Bodenwellen, Tabletops, Jumps und durch die Quarterpipe.
Abwechslung abseits der Pisten
Mitten im „Dorf“ liegt der Snøtorget mit Schneebergen, Iglus, Grubendorf mit Bergbaustollen, Grillplätzen, Spielplatz und dem Barnhuset, wo der Nachwuchs bis zur Rückkehr der Eltern im Warmen spielen und toben kann. Und steht der Sinn nach einer Auszeit vom Ski, saust der Same Reidar Nordfjell (55) mit dem Schneescooter zu seinem Lager und führt Familien in die Technik einer „Renrajd“ ein, einer Schlittentour mit Rentier.
Nur per Skibus zu erreichen ist das Duved, das zusammen mit dem Familiengebiet Tegefjäll eine kleine Skischaukel mit zwölf Liften und 24 Pisten bildet. Am westlichsten Ende des Skigebietes schwingt sich eine kuppelbare Sechser-Sesselbahn mit Wetterhauben in die baumfreie Gipfelregion des Mullfjället (1.031 m).
Hinab geht es auf breiten, wenig steilen Abfahrten, die meist blau markiert sind und immer neue Ausblicke auf den tief verschneiten Gipfel des Åreskutan und den lang gestreckten Åresjøn bilden, auf dessen Eisfläche der Brite Peter Bramwell (49) in die Technik des „Snowfering“ einführt – des Windsurfens im Schnee. In der Mitte des Stausees rutschen mehrere Limousinen über einen Parcours. „BMW-Fahrertraining“ steht auf den Jacken der tief vermummten Frauen und Männer.
Wilde nordische Natur
Doch Skiguide Esa will nicht schauen, sondern fahren – abseits der präparierten Pisten. „Binde Dir das Lawinensuchgerät um und folge mir“, sagt der 54-Jährige und schwingt sich schnell nach rechts. Was folgt, ist kein stobender Tiefschnee am steilen Hang, sondern ein Hindernis-Hüpfen um Wurzeln, Felsen, kleine Kiefern. Plötzlich hält Esa inne, legt den Finger auf den Mund: Nur wenige Meter entfernt, suchen Rentiere mit scharrenden Hufen Flechten und Moose unter dem Schnee – Natur pur, mitten im Skigebiet.
Durch unberührte Wildnis gleitet Esa vom Tegefjäll hinüber zum Ullådalen, einem abgelegenen Tal im Westen des Åreskutan. Vor dem Buustamon Fjällgård steckt eine brennende Fackel im Schnee. Drinnen drängen sich die Gäste an den Holztischen der alten Berghütte, trocknen Stiefel und Socken am offenen Kamin und genießen skandinavische Spezialitäten: Rentier-Gulasch, Elchsteak oder süße Waffeln mit Moltebeeren und Schlagsahne.
Am Tresen gibt es zum Abschluss Hochprozentiges aus eigenem Hause: Der alte Berghof besitzt als einziges Privatunternehmen neben Restaurant Skansundet in Södertälje das Recht, Schnaps zu brennen. Destilliert werden zehn Sorten, allesamt entstanden aus den Beeren der Berge.
Après-Ski in Åre: Party für alle
Bereits um 15 Uhr leeren sich die Pisten. After-Ski im Dippan lockt mit Live-Musik von Hoffman Circus, der wohl bekanntesten schwedischen Cover-Band. „In Schweden steht Åre nicht nur für Alpinski, sondern auch den besten Après-Ski des Landes. Jede bekannte Musikband, die durch Schweden tourt, macht in der Saison in Åre halt“, erklärt Sara Wansäth vom regionalen Tourismusamt Jämtland-Härjedalen.
Mit Ohrstöpseln hockt der Nachwuchs auf den Schultern der Eltern und klatscht im Takt der Beats von der Bühne. Dass Kinder beim nachmittäglichen Live-Konzert dabei sind, ist in Åre selbstverständlich. Um 17 Uhr packen die Musiker ihre Instrumente ein. Die Zuhörer indes ziehen wieder hinaus in den Schnee – fünf Flutlichtpisten verlängern in Åre den Skitag, bis die vier Diskotheken des Dorfes ihre Tore öffnen.
Eisige Betten
Ganz andere Klänge ertönen jeden Wintermonat im Eis-Iglu, den Bertil Danielsson mit Spaten und Kettensäge direkt am Tännforsen erbaut hat. Während draußen Schwedens größter Wasserfall zu bizarren Säulen, Hügeln und Wänden aus Eis gefriert, die meterhohe Schneehauben malerisch bedecken, musizieren drinnen bei Minusgraden die Blue Mountain Boys.
Schmale Durchgänge führen von der „Konzerthalle“ zu den „Zimmern“, in denen bis zu 20 Gäste nächtigen können. Ihre Schlafstätte: Rentierfelle und winterwarme Schlafsäcke; ihr Betthupferl: handgemachte Trüffel von der Åre Chokladfabrik, gefüllt mit Heidelbeeren, Moltebeeren und Linganbeeren.
Åre: Info
REISEZIEL
Åre liegt in der mittelschwedischen Provinz Jämtland im gebirgigen Grenzgebiet zu Norwegen auf 380 Meter Höhe.
ANREISE
Rund eine Autostunde von Åre entfernt liegt der Flughäfen Östersund (80 Kilometer). Bahn: Zwischen Stockholm und Åre verkehren täglich Schnell- und Nachtzüge. Auto: Mitten durch Åre führt die E14 nach Trondheim.
KLIMA UND REISEZEIT
Die Wintersaison beginnt bereits Mitte November, vom 15. Dezember bis 2. Mai gibt Åre eine „Schneegarantie“.
UNTERKUNFT
In Åre gibt es 26.000 Gästebetten, vorwiegend in Ferienhäusern und -wohnungen. Daneben bietet Åre noch sieben Hotels mit zwei, drei und vier Sternen sowie die Ferien- und Kongressanlage Holiday Club.
AUSKUNFT
VisitSweden, Stortorget 2-4, SE-831 30 Östersund, Schweden, Fax: +46-63 128 137, Tel. aus Deutschland: 069-2222 3496 (dt. Ortstarif), E-Mail: germany@visitsweden.com, Web: www.visitsweden.com
Weitere Informationen gibt es beim Jämtland Härjedalen Turism, Rådhusgatan 44, SE-831 82 Östersund, Tel. +46 (0) 63 10 44 36, E-Mail: info@jamtland.inf, Web: http://www.jamtland.info/deutsch und beim Åre Turistbyrå, St. Olavsvag 35, SE-83013 Åre, Tel. +46 (0) 647 / 1 77 20, Fax + 46 (0) 6 47 / 1 77 12, E-Mail info@areturistbyra.com, Web: http://www.skistar.com
Dieser Beitrag wurde 2005 vom gms-Themendienst der dpa verbreitet und von zahlreichen deutschen Medien veröffentlich.
Ein Gedanke zu „Schwedens Weltcup-Skiort: Åre“