Berge, Vulkanseen und Reisterrassen trennen den turbulenten Süden Balis vom stillen Nordwesten. Doch erlebt der Gast noch ein ursprüngliches Bali, kaum berührt vom Massentourismus. Wer Bali in aller Ruhe erleben will, sollte sich in den Nordwesten der Insel aufmachen. Touristischen Trubel gibt es dort nur in Lovina – der Strand des Dorfes Kalibukbuk bildet das nördliche Pendant zu den bekannten Badeorten Balis.
Dennoch geht es im Vergleich zu Candidosa oder Kuta noch ruhig und geradezu familiär zu. Schuld daran ist vermutlich der Strand, der zwar der längste der Insel ist, dessen Aussehen jedoch nicht den gängigen Vorstellungen eines Traumstrands entspricht. Er ist nicht golden gelb, sondern schwankt zwischen schwarz und staubigem Grau – ein schmales Band grobkörniger Lava, gesäumt von bunten Auslegerbooten.
Ein kleines Riff bricht die Wellen und macht das Meer viel ruhiger als an der Südküste. Fliegende Händler verkaufen Muscheln, Schnecken- und Nautilusgehäuse. Jeden Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Strand in ein schmales glitzerndes Band verwandeln, starten Motorboote zu einem umstrittenen Spektakel: Dolphin Watch – Gäste können Delfine bei der Futtersuche beobachten. Einige hundert Meter von den Hotels und Bungalowanlagen stehen die Hütten und Häuser der Fischerfamilien, beginnt bereits das ursprüngliche Bali.
Bereits in Banjar, einem Marktflecken nur wenige Kilometer von Lovina entfernt, werden Europäer neugierig beäugt. Lachend zeigen die Marktfrauen auf die helle Haut der Fremden, die blonden Haare, die großen Körper. Doch zudringlich wird niemand. Kleine Apfelbananen und anderes, unbekanntes Obst wird entgegen gestreckt.
Probieren ist angesagt. In handgeflochtenen Palmwedelkörben liegen Guaven, Mangos und Litchis; auf Holztischen stapeln sich Kartoffeln, Tomaten, Avocados, Ingwer und Okraschoten. Im Innern der Markthalle reihen sich Stände mit Sarongs, balinesischen Wickelröcken, an Buden, bis unter die Decke mit geflochtenen Taschen gefüllt.
Den Staub der Stadt spült ein Bad in den nahen Air Panas fort, zwei heiligen Quellen inmitten üppig tropischer Vegetation. Rund 30 Grad warm sprudelt schwefelhaltiges Wasser aus steinernen Dämonenköpfen, berieselt Bauch und Rücken. Im Nachbarbecken ziehen zwei ältere Männer gemächlich ihre Runden. Duschen und Toiletten verstecken sich in einer Felswand, an der mehrere Treppen zu einem Terrassenrestaurant mit Blick über die beiden Badebecken.
Im Nachbardorf Dencarik plagen Nachwuchssorgen das einzige buddhistische Kloster von Bali. Nur noch ein alter Mann lebt hinter den Backsteinmauern des Brahma Asrama Vihara – sein Mitbruder ist im letzten Jahr verstorben. Eine Stupa, die die Familie des vorletzten Mönchs nach Vorbild des Borobudur-Tempel auf Java errichtet ließ, wurde gerade fertiggestellt.
Einen Stock in der Hand, den Kopf leicht gesenkt, steigt der alte Mönch die Stufen zur obersten Tempelplattform hinauf. Weit öffnet sich der Blick bis zur Küste. Zu seinen Füßen säumen Kaffee- und Kakaoplantagen die steilen Schluchten. Die kleinen Weingärten, die immer wieder das dichte Grün unterbrechen, gehen auf die Holländer zurück, die ab 1850 den Norden Balis kolonialisierten – und damit 60 Jahre früher als den Süden.
Als Hauptstadt wählten sie Singaraja, heute mit 130.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Balis und Verwaltungssitz für den Bezirk Buleleng. Bis heute säumen europäisch wirkende Villen die Straßen, erinnern Moscheen, chinesische Tempel und christliche Kirchen an die strategisch günstige Lage der einst bedeutendsten Hafenstadt. Doch der Hafen versandete, und der Weinbau scheiterte an den extremen Anbaubedingungen: hohe Luftfeuchtigkeit, tropische Hitze und Parasiten schädigten die Reben.
Doch aufgegeben wurde die Vision, Wein anzubauen, nie. Nach unzähligen Rückschlägen und Fehlversuchen gelang Hatten Wines mit der Rebe „Alfonso“ 1994 schließlich der Durchbruch. Das ganze Jahr hindurch werden in den Weingärten an der Nordküste die Trauben von den immergrünen Reben gepflückt und stundenlang über kurvenreiche Landstraßen nach Sanur im Süden transportiert, gekeltert und von Kellermeister Vincent Desplat zu halbtrockenen Rosé- und Schaumweinen verarbeitet, die inzwischen auch international Anerkennung finden.
An der Strandbar des Matahari Beach Resorts werden sie eisgekühlt als Aperitif gereicht. Mit dem Luxushotel verwirklichten sich Parwarthi und Magnus Bauch – sie Balinesin, er Bayer – ihren Traum von einem tropischen Refugium: Hinter hohen Mauern, versteckt unter blühenden Bougainvillea-Büschen, Frangipani- und Plumeria-Bäumen, bieten 16 Doppelbungalows Erholung vom Alltag auf höchstem Niveau.
Morgens lockt ein opulentes Frühstück mit 85 Brotsorten und hausgemachten Aufschnitten, abends die köstlichen Kreationen von Chefkoch Jany-Michel Fourré (43). Dazwischen liegen Sonnenstunden am Privatstrand, Verwöhn-Massagen im Parwathi-Spa, eine Runde Golf, Surfunterricht, Ausflüge mit dem hoteleigenen Chauffeur oder Tauchtouren zur Menjangan Island.
Als einziges Hotel der Nordküste dürfen die Tauchboote des Matahari Beach Resort die unbewohnte Insel innerhalb des Bali Barat Nationalparkes direkt anlaufen. Hinter dem schmalen Strand der Insel fällt eine Wand aus Korallen 50 Meter steil ab. Ein junger Fledermausfisch, noch mit orangefarbenem Flossenrand, schwimmt dicht an der Tauchermaske vorbei. Papageienfische, Skorpionfische, Büschelbarsche: Die Vielfalt der Unterwasserwelt ist beeindruckend. Mehr als 500 Fischarten tummeln sich in dem sehr klaren Wasser der Java-See, darunter auch Mantas und Riffhaie.
Nur mit Führer oder Genehmigung der Nationalverwaltung sind Wanderungen durch die Wildnis des Bali Barat Nationalparks gestattet. Einzige Ausnahme: der 15 Kilometer lange Küstenweg zum Kap. In dem 77.000 Hektar großen Schutzgebiet im äußersten Nordwesten Balis leben noch Zibetkatzen, javanische Büffel, Leoparden, Wildscheine, Hirsche und unzählige Affen. Nur selten zu sehen ist der Bali-Star. Der weiße Vogel mit schwarz geränderten Flügeln und blauem Fleck am Auge ist vom Aussterben bedroht. Sein Bestand zählt weniger als 100 Exemplare – einige sind im Bird Park von Batubulan zu sehen.
Zu Füßen dieser unberührten Natur erhebt sich einige Kilometer östlich von Pemuteran in dem kleinen Ort Banyupoh eines der sechs wichtigsten Heiligtümer Balis: Pura Pulaki. Berühmter als die Architektur des recht schmucklosen Tempels ist seine Aussicht: Über eine Treppe mit zum Teil steilen Stufen geht es über vier Höfe auf unterschiedlicher Höhe hinauf zu einem Plateau hinter der Tempelmauer. Von dem kleinem Holzschrein ist die Fernsicht über Tempel und Meer einfach atemberaubend.
Dieser Beitrag wurde vom gms-Themendienst (dpa) am 3. November 2004 verbreitet und von vielen deutschsprachigen Medien veröffentlicht.