Helsinki: Unterwegs mit 3T

Grün und gelb rattert sie über die Schienen und zeigt in weniger als einer Stunde die Schönheiten der Stadt: Sightseeing mit der Tramlinie 3T – schneller und schöner lässt sich die finnische Hauptstadt Helsinki kaum entdecken.

Zehn finnische Markas, rund drei D-Mark, kostet das kompakte Vergnügen. Start und Ziel ist der Marktplatz am Hafen. Von der Mitte eines gewaltigen Brunnens blickt die kleine Meerjungfrau Havis Amanda auf neoklassizistische Bauten, die wie das Präsidentenpalais den länglichen Platz säumen. An den Kais dümpeln die großen Ostseefähren nach Oslo und Stockholm, an den Ständen des Freiluftmarktes werden vormittags Obst und Gemüse, Rentierschinken, Pies und Piroggen verkauft.

Wohlige Wärme dringt aus der Vanha Kauppahalli. Die älteste Markthalle des Landes, 1889 eröffnet, erstrahlt seit ihrer Restaurierung wieder im Licht historischer Kugelleuchten. Versteckt zwischen den Verkaufsständen aus dem dunklem Holz: eine Kaffeebar, an der schon Präsidenten wie Bill Clinton beim Staatsbesuch eine Pause einlegten.

Eine schmale Gasse – ungewöhnlich für Helsinki – führt zum Senatsplatz. 1808 hatte eine Feuersbrunst die Stadt in Schutt und Asche gelegt und damit die Voraussetzungen für eine räumlich großzügige Neubebauung geschaffen. 1812 wurde Helsinki Hauptstadt des russischen Großfürstentums Finnland. Per Dekret des Zaren wurden gerade, ausladende Straßen angelegt, Anhöhen eingeebnet, Moore trocken gelegt, Häuser abgerissen.

Helsinki: Senatsplatz mit Kathedrale.
Der Senatsplatz mit Kathedrale.

Der Bebauungsplan von Johan Albrecht Ehrenström prägt bis heute das Stadtzentrum. Für den Senatsplatz entwarf der deutsche Architekt Carl Ludwig Engel ein monumentales Ensemble im Empire-Stil. Links die Universität, gegenüber das Gebäude für den Staatsrat, in der Mitte in hellem Weiß hoch erhoben das Wahrzeichen der Stadt: der Dom. Weit reicht der Blick über die Ziegeldächer der City, bleibt an keinem Hochhaus, nur an 13 tiefroten Zwiebeltürmen hängen. Sie gehören zur Uspenski-Kathedrale, der größten orthodoxen Kirche Westeuropas.

Helsinki: Senatsplatz. Blick auf die Säulen der Kathedrale und die neoklassizistische Bebauung des Platzes.
Der Senatsplatz. Blick auf die Säulen der Kathedrale und die neoklassizistische Bebauung des Platzes.

Erst die Einkehr, dann der Einkauf: Nach dem Kiseleffin-Basaari, dessen kleine Boutiquen und Souvenirläden tagtäglich rund ums Jahr geöffnet haben, wird die Straßenbahn zum Shopping-Shuttle. Mode von Max Mara, edle Designer-Outfits von „Kuusinen“ und Teenie-Trends von „Z.I.P“ ziehen in der Aleksanterinkatu hinter den Scheiben der Straßenbahn vorbei, ehe sie vor den Kaufhäusern der Mannerheimintie hält.

Stockmann rühmt sich als größtes Kaufhaus Skandinaviens. Sokos lockt Kunden mit der Einladung, einen Tag dort zu verbringen, ohne den Häuserblock zu verlassen: Erst Frühstück im Coffee House dann Shopping auf fünf Etagen, Dinner und Tanz im zehnten Stock – und schließlich die Nacht im Sokos-Hotel.

Doch die Straßenbahn hat längst schon das Museum für zeitgenössische Kunst Kiasma erreicht. Der griechische Buchstabe X (chi) war Namensgeber für den Kunsttempel, dessen Architektur von drinnen wie draußen genauso fasziniert wie die sechste Folge der Ausstellungsreihe ARS 01, die bis zum 20. Januar 2002 zu sehen ist. Das gemeinsame Thema der 60 Künstler aus aller Welt: interkulturelle Begegnungen.

Das Parlament von 1931 präsentiert sich säulengesäumter Gigant aus grau-rötlichem Granit, das Nationalmuseum als monumentales Gesamtkunstwerk der berühmten Architekten Lindgren, Gesellius und Saarinen. 10.000 Jahre finnischer Geschichte von der Eiszeit bis zum 20. Jahrhundert werden hier lebendig. Dem 20. Jahrhundert ist ein separater Saal gewidmet. Wenig weiter wartet die finnische Nationaloper mit einem Repertoire an klassischen und modernen Opern auf. Bis zu 1300 Zuschauer können hier auch die Aufführungen des staatlichen finnischen Ballett-Ensembles genießen.

1952 – das Land war noch dabei, sich vom Zweiten Weltkrieg zu erholen – richtete Helsinki die Olympischen Sommerspiele aus. Das Olympiastation, bereits 1940 erbaut, gilt heute als bestes Beispiel des finnisches Funktionalismus, der Olympiaturm von 1952 als schönste Schau-Fenster der Stadt.

Helsinki: Alte Telefonzelle in der Sofiangatan zwischen Hafen und Senatsplatz.
Alte Telefonzelle in der Sofiangatan zwischen Hafen und Senatsplatz.

Das Sport-Museum hält Erinnerungen an Athleten und Erfolge wach: hier die Schuhe des Langläufers Paavo Nurmi, dort der Anzug der Eishockey-Legende Jarri Kurri. Achterbahn und Riesenrad drehen sich im nahen Linnanmäki-Vergnügungspark.

Zurück zur Innenstadt geht es erst durch gewachsene Wohnviertel mit Flair, dann auf einer schnurgeraden Einfahrtsstraße mit schnörkellos geputzten Fassaden und viel Verkehr. An der Metro-Station Hakaniemi lädt der große Platz samt alter Markthalle jeden ersten Sonntag im Monat zum Sonntagsmarkt.

Eine Brücke, der botanische Garten der Universität, dann der Bahnhof. Die Nationalromantik, die finnische Spielart des Jugendstils, liebte grauen Granit – und den großen Auftritt. 1914 schuf Star-Architekt Eliel Saarinen den Monumentalbau. Nicht weniger opulent gibt sich die Finnische Nationalgalerie im Ateneum schrägt gegenüber: 17.500 Werke finnischer Kunst von 1740 bis 1960.

elsinki: UNESCO-Weltkulturerbe Seefestung Suomenlinna. Hier: Besucherzentrum mit Museum und Multivisionsshow.
Das Besucherzentrum von Suomenlinna mit Museum und Multivisionsshow.

Eine Stunde Sightseeing per Straßenbahn: Die diversen Stopps machen den Tram-Trip zur Tagestour. Erst gegen Ende der Fahrt folgt auf Kunst, Kommerz und Kultur ein wenig Natur zum Auftanken, abschalten, durchatmen: der Kaivopuisto Park. Die maritime Alternative legt jahrein, jahraus halbstündlich am Hafen ab: die Fähre nach Suomenlinna.

Helsinki: UNESCO-Weltkulturerbe Seefestung Suomenlinna. Hier: das historische Trockendock.
Seefestung Suomenlinna: das historische Trockendock.

Auf mehreren Schären vor der Stadt wurde die Seefestung vor 250 Jahren als „Gibraltar des Nordens“ erbaut. Heute als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt, führen Sandwege und Kopfsteingassen zu idyllischen Plätzen und Parks, zu Bollwerken und Trockendocks, Museen und Galerien, Cafés und Restaurants. Suomenlinna hat immer Saison – im Sommer mit Sommertheater und Schatzsuche für Kinder, im Winter mit Weihnachtsmark und Eislauf zwischen den Inseln.

Dieser Beitrag ist am 18. März 2002 auf Spiegel Online erschienen.

Auf Youtube könnt ihr eine Fahrt im Jahr 2003 erleben:

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