Das Thema Naturschutz scheidet die Geister. Während Tourismusstrategen in Ost und West die rasche Erschließung der Ostseeküste nach westlichem Standard fordern, fürchten Umweltverbände um den unwiederbringlichen Verlust einzigartiger Biotope.
Gerade entlang der Küste, wie auch im ehemaligen Sperrgebiet, haben sich Gebiete erhalten, in denen die Natur noch intakt ist, unberührt von menschlicher Zivilisation. Seit Oktober 1990 schützten drei Nationalparks und 284 Naturschutzgebiete diese Bereiche.
Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft
Zwischen Darßer Ort und Pramort auf Zingst erstreckt sich der 805 Quadratkilometer große Nationalpark „Vorpommersche Boddenlandschaft“. Der erste Nationalpark an der Ostseeküste umfasst einzigartige landschaftliche Schönheiten, angefangen von den feuchten Salzgraswiesen mit international einmaligen Brutplätzen, bis hin zum großartigen Naturschauspiel der Landwerdung am Darßer Ort.
Wie an der Wattküste der Nordsee, so lagen auch hier die Nationalpark-Schützer im Streit mit der Bundeswehr, welche die ehemaligen Volksarmee-Anlagen übernommen hat. Zwar zog die Marine 1990 vom Darßer Ort ab, doch der Schießplatz auf Zingst sollte zunächst unter allen Umständen gehalten werden.
Ab 1993/94 sollen hier die Flugabwehrraketen des Typs “Roland” getestet werden. Bürger und Politiker protestierten gemeinsam gegen die Bundeswehrpläne. Die Ablehnung hat Geschichte: Schon in den 1930-er Jahren protestierten die Menschen, als Hermann Göring hier den Schießplatz anlegen ließ.
Nationalpark Jasmund
Die acht Kilometer lange Kreideküste, stellenweise mehr als 100 Meter hoch, bildet das Kernstück des 30 Quadratkilometer großen Nationalparkes im Nordosten der Insel Rügen. Zu den bekanntesten Naturschönheiten zählen die Wissower Klinken, der Herthasee und der 117 Meter hohe Königsstuhl, durch das romantische Gemälde von Caspar David Friedrich in aller Welt bekannt.
Die Hälfte des heutigen Nationalpark-Gebietes wurde bereits 1935 unter Naturschutz gestellt. Neben der berühmten Kreideküste der Stubbenkammer sind besonders die alten Rotbuchenwälder eine Besonderheit des Parkes. Mehr als 20 verschiedene Orchideenarten sind hier unter der artenreichen Fauna und Flora mit zahlreichen geschützten oder sehr seltenen Arten noch erhalten.
Jahr für Jahr verringert sich die Vielfalt – schuld daran sind die Besucher, die Wegweiser missachten und kreuz und quer durch Wald und Wiesen laufen, mehrere hunderttausend Touristen jährlich.
Müritz-Nationalpark
Bis Ende 1989 war ein großer Teil des heutigen Nationalparkes persönliches Jagdgebiet des ehemaligen Ministerpräsidenten Willi Stoph. Das für Besucher unzugängliche Naturschutzgebiet „Ostufer der Müritz“, mit knapp 5000 Hektar größtes der DDR, war Kernstück des 25.000 Hektar großen Jagdgebietes.
Vor 1945 waren große Flächen dem Verleger Dr. Hermann vorbehalten und eingezäunt. 1934 hatte Hermann die Auflösung des Naturschutzgebietes um Müritzhof bewirkt, das durchziehenden Großvögeln Schutz bieten sollten.
Die Staatsjagd der DDR beließ dem Gebiet den Schutzstatus, unterwarf sie aber den Jagdinteressen der Politprominenz, die 1986 noch das Naturschutzgebiet „Serrahn“, 1784 Hektar, östlich von Neustrelitz der Staatsjagd einverleibten.
Die beiden Naturschutzgebiete „Östliches Müritzufer“ und „Serrahn“” sowie 13 kleinere Schutzgebiete bilden seit 1. Oktober den Müritz-Nationalpark, der sich auf 308 Quadratkilometern östlich der Müritz zwischen Waren, Müritz und Koldenhof erstreckt.
Eine ungeliebte Altlast sind die Truppenübungsplätze der Sowjetarmee westlich von Neustrelitz. Die Flächen, formell als Kernzone, sprich Nationalparkgebiet, ausgewiesen, werden bis Truppenabzug durch die Rote Armee genutzt.
Das von Panzern zerpflügte Land, eine weitgehend vegetationsfrei gehaltene Sanderlandschaft, soll daher ab 1993 der freien Naturentwicklung überlassen werden. 117 Seen liegen im Nationalpark, umgeben von Buchen- und Eichenbuchwälder.
Auf Sanderflächen und Dünen finden sich ausgedehnte Kiefernwälder; in Täler und Flussenken ursprüngliche Moore. Der Nationalpark, Brutgebiet für See- und Fischadler, Kranich und Schwarzstorch. wird durch den Fremdenverkehrsdruck vor wachsende Probleme gestellt.
Auf der einen Seite fehlt bislang eine ausreichende Infrastruktur, auf der anderen Seite nutzen Urlauber häufig die „wilde“ Natur als Abenteuerspielplatz für Off-Road-Tourismus. Sorgen bereitet den Naturschützer auch der intensive Wassersport auf den Gewässer.
„Natürliche“ Probleme kommen hinzu: Forstschäden durch Planwirtschaft, starker Wildverbiss und extrem hohe Bestände gebietsfremder Huftierarten wie Mufflon und Damhirsch.
Naturpark Nossentiner-/Schwinzer Heide
Das kleine Dorf Nossentiner Hütte eignet sich am besten für Wanderungen durch den Naturpark “Nossentiner-/Schwinzer Heide” mit seinen riesigen Waldflächen (54 Prozent) und den über 50 Seen. Die Flüsse Mildenitz und Nebel fließen durch den Park, dessen abwechslungsreiche Landschaft daneben 800 Hektar Moore, Niedermoorgrünland an Seen und Bächen, Trockenrasenstandorte sowie einzigartige Kleinbiotopen prägen.
Wismar-Bucht
Nur ein bis zwei Meter ist die Wismar-Bucht tief; bei Niedrigwasser ähneln die Ufer dem nordfriesischen Wattenmeer. Durch regelmäßige Überflutung bildeten sich hier artenreiche Salzwiesen. Diese botanischen Schutzgebiete sichern nicht nur den Erhalt von seltenen Pflanzengesellschaften, sondern auch bedrohter Vögel.
Rund 60.000 Watt- und Wasservögel nisten im Frühjahr und Herbst gleichzeitig in der Bucht. Beim Naturschutzgebiet Rustwerer/Boiensdorfer Werder handelt es sich um die bedeutendsten Salzwiesen an der mecklenburgischen Ostseeküste.
Biosphärenreservat Südost-Rügen
Wie mit traditioneller Landnutzung und Landschaftspflege Mensch, Tiere und Natur in einem harmonischen Verhältnis miteinander leben können, wird seit 1992 in Südost-Rügen gezeigt. Dazu wurde ein 228 Quadratkilometer großes Gebiet als Biosphärenreservat unter den Schutz der UNESCO gestellt, von der auch die Konzeption für dieses Projekt stammt.
Vogelschutzgebiete
Darüber hinaus gibt es entlang der Küste Seevogelbrutgebiete, die nicht per Boot angelaufen oder gar betreten werden dürfen. Es handelt sich dabei um die Inseln Langenwerder (vor Poel), Walfisch (Wismarer Bucht), Barther Oie und Kirr (Zingst) Gänsewerder (Hiddensee), Fährinsel (Hiddensee), Heuwiese (Rügen), Libitz (Rügen), Beuchel (Rügen), Vilm (Rügen), die Werder bei Riems, Struck und die Halbinseln Bessin und Gellen auf Hiddensee.
Schließlich stehen auch zahlreiche künstlich angelegte Parklandschaften unter Naturschutz. Sie sind entweder Waldgebiete in einer Agrarlandschaft – wie Altefähr oder Juliusruh auf Rügen – oder besitzen baumkundliche Sehenswürdigkeiten wie der Schlosspark zu Putbus.
Dieser Beitrag ist 1991 in “1000 Ausflugsziele in Mecklenburg-Vorpommern” erschienen.