Der Berg ruft! Wandern in den Schweizer Alpen

Raus aus dem Alltag, rauf auf den Berg: Die Schweiz hat 2004 zum Jahr des Wandern erklärt und dafür neue Wege eingeschlagen. Wandern und Wellness, Themen-Trekking, Nordic Walking und GPS-geführte Touren durch Graubünden. Da fällt die Wahl schwer: 65.000 Kilometer Wanderwege und 48 Viertausender locken.

Traumregion der Gipfelstürmer ist das Wallis mit 47 Viertausendern und dem Aletschgletscher, Ende 2001 als erstes UNESCO-Weltnaturerbe der Alpen aufgenommen. Die zahlreichen Tagestouren im Aletsch-Gebiet lassen sich gut zu mehrtägigen Trekkingtouren verbinden.

„Abwechslungsreicher, gut markierter und viel begangener Panoramaweg“ heißt es in dem Wanderprospekt, der am Bahnhof Hohtenn ausliegt. Die 20 Kilometer lange Strecke entlang der Südrampe der Lötschbergbahn ist ein Klassiker der Höhenwege: kinderleicht, ohne große Anforderungen an die Kondition, und doch mit so manchem Kitzel.

Familien und Senioren-Gruppen machen sich auf den Weg, laufen flott die kleine Teerstraße bergab. Doch schon nach fünf Minuten geht es steil bergauf, hin zu den Bahngleisen, die sich kühn an eine Bergflanke schmiegen. Hoch über dem Walliser Talboden schlängelt sich der Wanderweg an den Bergflanken entlang Richtung Brig, vorbei an reißenden Bergbächen, die in tief eingeschnittene Bergtäler fließen, und verwegenen Bewässerungskanälen, Suonen genannt.

Das Wallis ist das sonnenreichste und zugleich niederschlagsärmste Gebiet der Schweiz. In den vergangen Jahrhunderten mussten die Bauern kilometerlange Leitungen errichten, um das Schmelzwasser auf ihre Felder zu führen. Ein dichtes Netz aus ausgehöhlten Baumstämmen, oft gerade abenteuerlich an unzugänglichen Felswänden befestigt, durchzieht seitdem das Wallis – und begleitet fast jeden Wanderweg.

Bei Braägli geht’s auf 900 Meter hinunter, um bei der Rarnerkumme wieder auf 1088 Meter aufzusteigen. Die Sonne sticht vom Himmel, kein Baum wirft Schatten. Felsig, karg und trocken wirkt das Land. Die ersten Wanderer rasten in dem gemütlichen Gartenlokal, stärkten sich bei einer Walliser Platte mit Roggenbrot. Andere wandern weiter bergauf, folgen der oberen Wasserleitung bis zum Bietschtal-Viadukt.

78 Meter hoch erhebt die imposante Eisenbahnbrücke der BLS Lötschberg; 95 Meter breit überspannt ihr Hauptbogen die Schlucht. Mit Kamera und Notizbuch hocken sich mehrere Männer ins Gras, warten. „Pufferknutscher“, erklärt Urs, der sonst eher wortkarge Wanderführer – „Die warten auf die Loks, die aus den Tunneln kommen, und haben für unsere schöne Natur kein Auge.“ Spricht’s, schüttelt den Kopf und stapft entlang der Suon Manera zum Riedgarten, Bahnhof, Aussichtskanzel und Picknickplatz am Eingang zum Bietschtal.

Erst in Ausserberg (1033 Meter) macht der drahtige Endvierziger Halt. Malerisch säumen Häuser mit Steindächern und traditionelle Holzspeicher auf Stelzen – „seht mal her, mit Steinplatten zum Schutz vor Mäusen“ – die Dorfstraße. Schwarznasenschafe und Schwarzhalsziegen, zwei Original Waliser Rassen, weiden hinter Holzzäunen. In der Umgebung des alten Ortes wachsen unzählige Heilpflanzen – 40 von ihnen stellt der Heilpflanzengarten vor.

Zwischen Ausserberg und Eggenberg wurde der erste Bachblütenpfad der Schweiz angelegt. Seitdem wird der alte Ort bei den Anhängern von alternativer Medizin als Geheimtipp gehandelt. Vom Frühjahr bis weit in den Herbst folgen Fasten-Wandergruppen dem Suonenweg der Undra ins wildromantische Schutzgebiet Baldschiedertal unterhalb des gewaltigen Bietschhorns (3934 Meter). Erst am Abend ist die Bahnstation Lalden (801 Meter) erreicht.

Die meisten Familien zieht es hinab zum Brigerbad, einem Thermalbad mit Flussschwimmbad im Talgrund. Die Nimmermüden wandern weiter bis nach Brig. Urs folgt dem Wegweiser ins Safrandorf Mund. Die Sonnenhänge sind einziger Platz in der Schweiz, wo das „rote Gold“ des Mittelalters angebaut wird. Alljährlich im Oktober blühen die Safrankrokusse auf der Kummege – und lassen das ganze Dorf duften.

Ein Schweizer Söldner soll, so die Legende, die erste Zwiebel im Haar versteckt nach Mund gebracht haben. In den 1970-er Jahren war die Safranzucht fast zum Erliegen gekommen. Doch seit Pfarrer Jossen neue Zwiebeln aus Pakistan importiert hat, gedeihen die goldenen Fäden wieder auf den trockenen, lehmigen Böden des Bergdorfes.

14.000 Quadratmeter werden von den 120 Mitgliedern der Safranzunft bestellt – für eine minimale Ausbeute. Aus 120 Blüten, die pro Quadratmeter wachsen, liefern 360 Blütennarben nur ein Gramm Gewürz nach Trocknung. In guten Jahren werden in Mund so maximal drei Kilogramm geerntet – und vor Ort verarbeitet: zu safrangewürztem Mutzbrot, das sich in den Supermärkten stapelt, und goldgelbem Safranrisotto.

Am nächsten Morgen macht sich ein leichter Muskelkater bemerkbar. Urs speichert die Koordinaten der Tagesetappe in seinen GPS-Empfänger ein, verstaut die topografische Karte im Rucksack, füllt seine Wasserblase im Rucksack auf, justiert den Trinkschlauch und mahnt zum Aufbruch, während seine Gruppe noch etwas verschlafen die frühe Sonne begrüßt. In der Kühle des Morgens beginnt der Aufstieg.

Alte Walliser Ställe, Trockenmauern und Suonen säumen dem Weg, der sich im Wald in engen Serpentinen zwei Stunden lang weiter nach oben windet. Tannenzapfen bedecken den Boden. Hin und wieder gibt der Wald den Blick auf das Rhônetal und die Alpen frei. Auf der Gegenseite thront Rosswald über der Simplon-Passstraße. Nach der Chittimatte-Alp (1650 Meter) nimmt die Wandergruppe die letzten steilen Höhenmeter in Angriff.

Der Wald wird lichter und weicht den Weiden der Alpe Nessel (2010 Meter). In der Ferne ist bereits Belalp zu sehen. Eine letzte Stunde mit schattigen Hänge und Schneereste, dann steht die Gruppe staunend vor einer spektakulären Szenerie: auf der einen Seite der Große Aletschgletscher mit allen Gipfeln rundherum, auf der anderen Seite der weite Blicks ins Rhône-Tal mit Matterhorn, Weißhorn und Mischabelgruppe.

Traumtouren

Graubünden

Von Pontresina mit der Seilbahn auf die Alp Languard schweben und auf einem einfachen, aber prächtigen Panoramaweg nach Muottas Muragl wandern: die eisigen Gipfel der Berninagruppe zur einen, die Oberengadiner Seen zur anderen Seite im Blick.

Berner Oberland

Der gut ausgebaute Eiger-Trail von der Station Eigergletscher der Jungfraubahn entlang der Eigernordwand hinunter nach Alpiglen ist in gut zwei Stunden zu bewältigen – samt traumhafter Blick zum Lauberhorn, Männlichen und Faulhorn, zum Großen Scheidegg und zu den Nordwänden von Schreckhorn und Wetterhorn.

Tessin

Der frühe Herbst ist die richtige Zeit zum Genusswandern im Maggiatal. Von Fusio in 35 Minuten Richtung Mognola-See zur Alp Varsc wandern – und dort den würzigen Strohkäse „formaggio della paglia“ probieren.

Auskunft

Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54, 60070 Frankfurt/Main, E-Mail info.de@switzerland.com, Internet www.myswitzerland.com, Info-Telefon: 00800/100 200 30 (kostenfrei), Prospektbestellungen/Buchungen: Tel. 00800100 200 37 (kostenfrei)m Fax 00800/100 200 31 (kostenfrei)

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Dieser Beitrag ist am 25. Juni 2004 im Handelsblatt erschienen.

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