Marlboro Country: Sinfonie in Stein

In der flimmernden Hitze erscheint das Land von fern als rote unfruchtbare Wüste. Erst beim Näherkommen werden Details sichtbar: einzelne Rippen, spitze Nadeln, markante Türme, balancierende Felsen und die weltberühmten Bögen, die dem Gebiet seinen Namen gaben: Arches National Park. In Utah offenbart er die ganz Schönheit des Wilden Westens.

Zu Fuß ins Abenteuerland: Zweimal täglich – vormittags und Nachmittags – begleiten Ranger vom National Park Service eine kleine Gruppe in das Herz des 295 Quadratkilometer großen Wüstenparks nördlich von Moab in Utah. Der Geländemarsch zum Fiery Furnace hat nichts mit den kurzen Abstechern entlang des 29 Kilometer langen Scenic Drive vom Visitor Center bis zum Devils Garden gemeinsam: Auto parken, 100 Meter gehen, gucken, knipsen, weiterfahren. Die Tour zum „Feurigen Schmelzofen“ ist ein echter backcountry walk und ohne offiziellen Guide nur mit Permit gestattet. Hut, Sonnencreme, ausreichend Wasser und robuste Trekkingschuhe sollten selbstverständlich sein.

Susanne und Dirk aus Mecklenburg wollen trotz der Einwände von Ranger Greg (42) teilnehmen. Bezahlt ist bezahlt, meinen sie und marschieren flott voran. An den Füßen: leichte, knöchelhohe Schuhe aus Segeltuch. Nach einer Stunde bücken sich beide. Der Kleber, mit dem die dicken Gummisohlen befestigt waren, hat sich in der Hitze einfach aufgelöst. Fluchend inspizieren beide die Blasen an ihren geschwollenen Füßen und geben auf. Die Gruppe marschiert weiter.

Hardcore: Wandern in der Hitze

Drei Stunden lang windet sich der Pfad durch ein Labyrinth aus Sandstein-Säulen, die im Licht der untergehenden Sonne in feuriger Farbenpacht erglühen. Auch die Sandkorridore zwischen den Felsen haben sich in der Sonne aufgeheizt und strahlen eine gewaltige Hitze ab – der Fiery Furnace wird seinem Namen mehr als gerecht. Hin und wieder hält Greg an und erklärt, mit welcher Kraft Wind, Wasser und Hitze die spiralförmigen Sandsteingebilde im Park beeinflussen haben. Doch die wenigsten hören noch zu, sondern nutzen die Pause zum willkommenen Schluck aus der Wasserflasche.

Am Abend geht es über meist blanken Fels auf einem zwei Kilometer langen, steilen Fußpfad von der historischen Wolfe Ranch hinauf zum Delicate Arch, Wahrzeichen des Parks und schönster Sunset Point des Staates Utah. Weit spannt sich der Felsbogen vor den 3800 Meter hohen, schneebedeckten Gipfel der La Sal Mountains am Horizont.

In der Dämmerung wirkt selbst Moab idyllisch. Das Straßendorf, bis zum Ende des Kalten Krieges Zentrum des weltweiten Uranabbaus, lebt heute vom Tourismus: Tankstelle, Banken, Supermärkte, staubige Shops mit trendigem Tand, Outdoor-Operator und ein paar Kneipen. Da der öffentlichen Ausschank von „booze“ im Land der Mormonen verboten ist, gibt es nur Limo und Bier – bei EddieMcStiff’s Brewery allein zwölf Sorten Selbstgebrautes.

Wer Hochprozentiges genießen will, muss sich seine Flasche selbst mitbringen – gut verpackt. Am Nachbartisch kippen zwei verwegen aussehende Kerle mit Kinnbart immer wieder dunklen Rum aus einer Packpapiertüte in die Cola. Als abendliche Unterhaltung empfehlen sie „Bar-M Chuckwagon“, ein Live-Show aus dem Wilden Westen mit Schießerei, Cowboy-Essen und Cowboy-Musik. Stiller und schöner ist der Sternenhimmel über dem Kult-Kaffs in den Canyons.

Moab – das Herz des Marlboro Country

Jeden Sommer ist Moab Mittelpunkt von Marlboro Country. Dann dürfen die 100 Teilnehmer des Marlboro Summer Jobbing in einem „coolen“ job als „horse trainer“ oder „fence builder“ umsonst schuften, ehe sie zehn Tage lang Outdoor-Abenteuer genießen können. Komfortabler geht es den Gästen der Sorrell River Ranch. Die kleinen Holzhäuser der Ranch von Robbie und Hope Levin passen perfekt ins Bild von Marlboro Country. Von den naturbelassenen Adirondack-Stühle auf der Veranda fällt der Blick auf den Colorado, der hier noch unbändig fließen darf – in den Badewannen, die auf altertümlichen Tonfüßen ruhen, sorgen Hydrojets mit Turbodüsen für das eigene private Wellness-Wildwasser mit Blick auf den Fluss.

Am nächsten Tag wird deutlich, warum Moab als Hauptstadt der Mountain-Biker gilt. Allein 100.000 Besucher stürzen sich alljährlich den rund 22 Kilometer langen „Slick Rock Bike Trail“ hinab, dessen Teilabschnitte mit Namen wie „Faith in Friction“ und „Steep Creep“ etwas vom bevorstehenden Adrenalinschock ahnen lassen. Steil, sehr steil, geht es auf glatten Sandsteinfelsen bergauf und bergab.

Dass die Moutain-Biker nicht ins Rutschen geraten, liegt an der Oberfläche der Sandsteinfelsen: Sie wirkt wie raues Sandpapier – und lässt den Reifen selbst im steilsten Gefälle an der Felswand kleben. Kaum weniger anstrengend als der vierstündige Konditionskiller ist die Proberunde auf dem vier Kilometer langen „Practice Trail“. Die Augen stets auf den Fahrweg gehaftet, bleibt wenig Zeit, die Schönheit der versteinerten Sanddünen zu genießen, in die tiefen Canyons zu blicken oder den Blick weit bis zum Arches National Park schweifen zu lassen.

Adrenalinkicks im Kajak

Der Nachmittag sorgt für Abkühlung. Die Kajaktour auf der „Daily Section“ des Colorado beginnt harmlos: Ruhig gleitet der Fluss am Hittle Bottom dahin; träge taucht die kleine Gruppe die Paddel ein und beobachtet die jungen Männern, die bei Fisher Tower den 150 m hohen Ancient Art Tower empor klettern. Nach einer Biegung folgt die Überraschung: Whitewater – Wildwasser.

Die unbändigen Wassermassen drücken vorne und hinten das Boot, überspülten die Persenning, wollen die Kajaks gegen die Felsen im Fluss drücken. Die Stromschnellen des Onion Creek Rapid ist nur ein erster Vorgeschmack – nicht weniger wild gebären sich der Professor Creek und Cloudburst auf dem Weg. Am Ida Gulch sind die Paddler trotz Helm und Schutzkleidung pitschnass bis auf die Knochen.

Wenige Stunden später im Health Spa der Ranch weicht die Erschöpfung tiefer Entspannung: Heiße Kiesel aus dem Colorado tanken bei der Desert Stone Massage Körper und Geist mit neuer Energie auf und vertreiben erste Ansätze von Muskelkater. Durch die geöffneten Fenster dringt der Duft von Alfalfa und vermischte sich mit den Gerüchen der Küche des River Grill: Strip steak, Barbecue rips und carne asada, garniert mit Ausblicken auf den Colorado die Felsendome aus Sandstein, die im Sonnenuntergang feurig rot glühen.

Natur pur in Utah und Arizona

Arches National Park

2000 Felsbrücken und Bögen: Im Winter, wenn weißer Schnee die sand- bis rotfarbenen Felsbögen bedeckt, entfaltet die Felslandschaft einen ganz besondern Reiz. Tipp: Wanderung durch das Felslabyrinth Fiery Furnace.

www.nps.gov/arch/ (National Park Service); www.arches.national-park.com (Touristik-Portal)

Bryce Canyon National Park

Schönste Aussichtspunkte über die Felsendome von Chamois bis Zinnoberrot sind Bryce Point und Sunset Point.

www.nps.gov/brcawww.brycecanon.com

Canyonlands National Park

Das „Land der Schluchten“ besteht aus den drei Bereichen Island in the Sky, Needes District und Maze District. Tipp: Der 160 km lange White Rim Trial führt rund um die Abbruchkante.

www.nps.gov/canywww.canyonlands-utah.com

Capitol Reef National Park

Das spektakuläre Wüsten-Hochplateau prägen 300 Meter hohen Sandsteinklippen, die riesigen Wellen ähneln.

www.nps.gov/carewww.capitol.reef.national-park.com

Goblin Valley State Park

Wind und Wasser haben eine Heerschar Steinmännchen aus dem roten Schiefer gewaschen.

www.utah.com/stateparks/goblin_valley.htm

Grand Canyon National Park

Knapp vier Millionen Besucher jährlich bestaunen vom North, Inner Canyon und South Rim das Farbenspiel der Felswände, die von 2.760 m steil auf 360 m hinab fallen.

www.nps.gov/grca

www.grandcanyon.com

Navajo Tribal Park Monument Valley

Die mächtigen Felsmonolithe haben in zahlreichen Western- und Werbefilmen als Kulisse gedient. Tipp: der 20 Kilometer lange Scenic Drive.

http://navajonationparks.org/htm/monumentvalley.htm

Zion National Park

Steile Klippen, enge Schluchten und rostrote Felswände aus Sandstein prägen den Zion-Nationalpark im Südwesten Utahs. Tipp: Panoramapfad zu Angels Landing

www.nps.gov/zion

www.zion.national-park.com

Schlafen

El Tovar Hotel

Albert Einstein, Theodore Roosevelt und Western-Autor Zane Grey genossen von der Terrasse des 1905 erbauten Nobelhotels den Blick auf den Canyon. 78 Zimmer und Suiten.

El Tovar Hotel, Xanterra Parks & Resorts, P.O. Box 699, Grand Canyon, AZ 86023, Tel. +1 928 638 26 31, www.grandcanyonlogdes.com

Pack Creek Ranch

Guest-Ranch in 1.800 Meter Höhe inmitten der Canyonlands. Neben Whitewater-Rafting auf dem Colorado River und Westernreiten werden auch Ausflüge per Jeep oder Mountain-Bike angeboten.

PO Box 12760, La Sal Mountain Loop Road, Moab, UT 84532, Tel. +1 435 259-55 05, www.packcreekranch.com

Sorrel River Ranch & Spa

Unter einem 700 Meter Felskegel haben Robbie und Hope Levin, ein Rockstar aus den 1970-er Jahren und ein B-Movie-Starlet, eine luxuriöse Gäste-Ranch im alten Stil mit modernstem Komfort eingerichtet. 32 Suiten. Po Box K, Highway 128, Mile 17, Moab, UT 84532, Tel. +1 435 259 4642, www.sorrelriver.com.

 Zion Lodge

Stilvoll schlafen am Fuße des Great White Throne: die Zion-Lodge im gleichnamigen Nationalpark. Gleich hinter den rustikalen Cabins beginnen die Wanderwege.

Springdale, UT 84676, Tel. +1 435 7 72 32 13, info-zion@xantarra.com, www.zionlodge.com

Diese Beitrag ist am 18. Juni 2004 im Handelsblatt erschienen.

Sinfonie in Stein: ein Bericht über die Nationalparks in Utah und Arizona von Hilke Maunder

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