Generationen von Familien haben hier ihren Ferienhausurlaub verbracht: An der jütländischen Westküste verbindet ein Quartett sehr unterschiedlicher Ferienorte Natur und Kultur, Strandleben und Sightseeing entlang endloser Sandstrände.
Bunker am Beach: Blåvand
„Abenteuerland“ nannte der Dichter Thomas Lange die Region von Blåvand – und das aus gutem Grund. Der westlichste Badeort Dänemarks, von Deutschland schnell auf der Autobahn E 20 Richtung Esbjerg zu erreichen, besitzt eine abwechslungsreiche Geschichte, eine vielfältige Natur und Strände, die unterschiedlicher kaum sein können.
Wahrzeichen des Ortes, der längst mit der Nachbargemeinde Oksby verschmolzen ist, ist das Blåvandshuk Fyr. Der viereckige, fast 40 Meter hohe Leuchtturm erhebt sich auf einem Dünengürtel, den Heckenrosen erobert haben, und warnt mit seinem Signal die Schifffahrt vor den Gefahren am Blåvandshuk.
„Huk“ nannten holländische Seefahrer die westlichste „Ecke“ des Landes, und tatsächlich wechselt hier der Strand markant nicht nur die Richtung, sondern auch den Charakter: Gen Nordwesten stürmt das Meer mit starker Brandung an die Küste; gen Südosten liegt das Horns Rev schützend vor dem Strand.
Hoch spritzt die Gischt an der Sandbank empor und hüllt 110 Meter hohe Windräder in salzigen Dunst: Die Sandbank beheimatet den größten Offshore-Energiepark der Welt. 80 Generatoren, jeder gut 500 Tonnen schwer, erzeugen hier jährlich rund 600.000 Megawattstunden – Strom genug für 120.000 Haushalte. Seekabel transportieren die natürliche Energie ans Festland.
Ein Spaziergang am Strand führt vorbei an den Ruinen deutscher Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Bollwerke aus Beton sollten, mit 110 Tonnen schweren Kanonen bestückt, die Zufahrt zum Hafen von Esbjerg sichern. Doch das Dritte Reich lag am Boden, ehe die Bunker fertig gestellt waren. Nach Kriegsende scheiterte die Sprengung dieser Kolosse. So erzählt die Tirpitz-Batterie heute als Museum „Tirpitz-stillinge“ die Geschichte des Altantikwalls. Vier anderen Bunkern setzte der britische Bildhauer Bill Woodrow Köpfe und Schwänze auf – gleich Mulis scheinen sie sich selbst vom Strand zerren zu wollen….
Weiter gen Süden geht der Strand in die Halbinsel Skallinge über. Am breiten Wandstrand lassen Familien Lenkdrachen steigen. Im Frühjahr und Herbst ziehen kleine Gruppen mit Führer und Fernglas die Küste entlang: Skallinge ist ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel, die hier, von Süden kommend, die Route gen Kanada oder nach Sibirien wählen. Von Mitte Juli bis Mitte September starten in Ho Wanderungen ins Watt. In den Prielen und Fahrrinnen tummeln sich Robben; in der Ferne füttern Seehunde ihren Nachwuchs.
Mit dem Auto auf den Strand: Vejers
Eine Schotterstraße verbindet Blåvand mit Vejers. Sie führt mitten durch die Kallesmaersk Heide, dem größten Heidegebiet Dänemarks und Truppenübungsplatz Nordeuropas. Während der Ferienzeit ruhen jedoch die militärischen Übungen – dann lassen sich die Dünen, Heideflächen und Kiefernwälder auf zahlreichen Wanderwegen entdecken.
Vejers Strand ist das älteste Feriengebiet der Region, und dennoch kleiner und übersichtlicher als sein großer Nachbar im Süden. 1500 Ferienhäuser liegen verstreut in Wald und Dünen. Rund die Hälfte wird vermietet, in den anderen wohnen die dänischen Besitzer.
Der feste, mehr als 100 Meter breite Strand von Vejers gehört zu den meistbesuchten Stränden der Westküste. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Südstrand mit dem Auto befahren werden kann. Dicht an dicht säumen Surfmobile die Wasserkante, unterbrochen von den Ruten der Brandungsangler. Alljährlich Ende Juni ist Vejers Start bzw. Ziel des North Sea Beach Marathon.
Der weltweit einzige Strandmarathon, einer der härtesten Volksläufe der Welt, ist ein Sportvergnügen für die ganze Familie: Wer nicht die 42,91-Kilometer-Strecke nach Hvide Sande zurücklegen mag, kann auch in den Distanzen fünf Kilometer, zehn Kilometer oder Halbmarathon starten. Am Zieleinlauf herrscht Volksfeststimmung: Live-Musik, Verkaufsstände und Aktivitäten für jung und alt. Naschkatzen zieht es weiter zur „Dropskogeri“ – in der Manufaktur werden Bonbons noch auf traditionelle Art gefertigt.
Die schönsten Dünen Dänemarks: Henne Strand
Die Bahn brachte den Aufschwung: Nach Blåvand ist Henne Strand das meistbesuchte Ferienziel an der dänischen Nordseeküste. Der Zug endet im Henne Stationsby, einer ruhigen Kleinstadt wenige Kilometer vor der Küste. Umso turbulenter geht es in Henne Strand zu: Auf der Hauptstraße bummeln Urlauber vorbei an Boutiquen mit maritimer Mode, Shops mit dänischen Souvenirs und Geschäften mit Kunsthandwerk: Keramik, mundgeblasenes Glas, Silberschmuck und Bernstein aus der ältesten Schleiferei der Westküste. König der Häuserzeile mit Läden und Lokalen ist Købmand Hansen.
Seit 1968 betreibt Niels Kristian Hansen den größten „Supermarked“ von Henne Strand und versorgt die Urlauber mit allen Dingen, die zum perfekten Ferienvergnügen gehören: Strandmatten und Sonnenöl, Brennholz, Zeitungen, frische Brötchen – und Ferienhäuser. War der erste gedruckte Katalog 1982 noch ein zusammen geschustertes Schwarzweißexemplar, so präsentiert Hansen heute seine 670 Häuser – die Hälfte des Hennestrander Angebotes – professionell im Internet, und versteht sich zugleich als offizielles Touristenbüro des Ortes.
Sein Tipp für Genießer: der Henne Kirkeby Kro. Der Gourmettempel des langjährigen dänischen Fernsehkochs Hans Beck Thomsen und seiner Partnerin Kirsten Nordentoft, als Restaurant des Jahres 2002 ausgezeichnet, verwöhnt mit feinen französischen Speisen im rustikal-edlen Ambiente eines Gasthofs von 1777.
In der Stutteri Vestkysten herrscht Aufbruchsstimmung: Eine kleine Gruppe startet zum Ausritt. Durch die Blåbjerg Klitplantage geht es hoch zu Ross hinauf zum 64 Meter hohen Blåbjerg. Der „blaue Berg“ wäre sicherlich längst von der steten Erosion des Windes zerstört worden, hätte nicht Thyge de Thygeson 1861-99 den Dünenwald gepflanzt, der heute die höchste Düne Dänemarks vor weiterer Erosion schützt.
Vom „Gipfel“ reicht der Blick weit über die Badeorte, Dünen und Strände der Westküste bis zum Holmskland Klit, einem 35 Kilometer langen, schmalen Dünen- und Heidestreifen zwischen der Nordsee und dem Ringkøbing Fjord. Reet gedeckte Vierkanthöfe ducken sich entlang der einzigen Hauptstraße unter dem hohen Himmel. Einige der Dünenhöfe wurden zu Ferienwohnungen umgebaut, einer zum Reiterhof, zwei zu Heimatmuseen: Strandgården und Abelines Gård entführen mit perfekt restaurierten Interieurs in die Vergangenheit.
Fischerort mit Traumstrand: Hvide Sande
Eine hohe Klappbrücke ist das Wahrzeichen von Hvide Sande. Der lebendige jütländische Fischerei- und Ferienort wurde 1931 am damals fertig gestellten und bis heute einzigen Verbindungskanal zwischen Fjord und Nordsee in der Mitte des Holmsland Klit gegründet. Mehr als 200 Kutter sind in Dänemarks fünftgrößtem Fischereihafen beheimatet – die meisten Schiffe tragen noch den traditionellen hellblauen Anstrich.
Einblicke in die Arbeitswelt der Berufsfischer und die Geschichte der Seenotrettung gewährt das Fiskeriets Hus (Haus der Fischerei) mit angeschlossenem Westküstenaquarium. In den mehr als 36 Bassins schwimmen Katzenhai, Dorsch, Goldbrasse, Hering und Rotauge, im Streichelbecken krabbeln Krebse über Kiesel, an denen Seesterne kleben.
Jeden Morgen vermischt sich die salzige Brise von der Nordsee mit dem Duft von frischem Fisch. Montags bis freitags ab 7 Uhr wird der nächtliche Fang in der Auktionshalle versteigert. Im Sommer können auch Touristen mitbieten – dann kommen nicht nur große Partien, sondern auch einzelne Fische unter den Hammer.
Wer selbst seinen Fang aus den Fluten ziehen möchten, findet in und um Hvide Sande zahlreiche Put & Take-Angelseen. Mehrmals pro Woche legt der Fischkutter M/S Solea zu Hochseetörns ab, bei denen auf Dorsch oder Makrele geangelt wird. Alljährlicher Höhepunkt ist das Heringsfestival im April, wenn Hunderte Sportangler aller Altersklassen um die Wette nach „Sild“ angeln – dem größten Wettangeln dieser Art in Dänemark.
Die Lage zwischen Fjord und Meer, die erlaubt, bei jeder Windrichtung zu surfen, macht Hvide Sande zum Hotspot der Szene. Während in Argab südlich der Stadt die Surfschule „West Wind“ Anfängern mit Board und Segel vertraut macht, messen die Cracks in Hvide Sande Nord bei internationalen „Speedweeks“ und „North One Hour“-Regatten ihr Können.
Die seichten Fluten des Ringkøbing Fjords gelten als bestes Flachwasserrevier Dänemarks zum Speed- und Slalomsurfen. An der Südmole starten die Nordseeprofis ihre Ritte über das weite Meer. Bei ablandigem Wind türmen sich die Wellenberge bis zu 20 Meter auf – dann gibt es auch für Wellenreiter kein Halten mehr.
Info: das Strand-Quartett der Westküste
Blåvandshuk Turist- & Erhvervskontor
Vestergade 27
DK – 6840 Oksbøl
Tel. +45 75 27 18 00
Blåvand Touristinformation
Blåvandvej 15
DK – 6857 Blåvand
Tel. +45 75 27 92 44
Vejers Strand Turistinformation
Vejers Havvej 81
DK – 6853 Vejers Strand
Tel. +45 75 27 71 52
Blaabjerg Turistkontoret
Stationsvej 1
DK – 6830 Nørre Nebel
Tel. +45 75 28 86 70
Henne Strand
Købmand Hansens Feriehusudlejning
Strandvejen 425
DK – 6854 Henne Strand
Tel. +45 76 52 43 11
Hvide Sande Turistbureau
„Fiskeriets Hus“
Nørregade 2b
DK – 6960 Hvide Sande
Tel. +45 97 3 18 66
Dänisches Fremdenverkehrsamt
Glockengießerwall 2
20095 Hamburg
Tel. 040/32 02 10
Dieser Beitrag war eine Auftragsarbeit für den Reportagedienst von Visit Denmark und wurde im Sommer 2004 an deutschsprachige Medien versandt.
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