Die Hügel und Wäldern von Haanja

Mit 19 Gipfeln ist das Haanja-Hochland nicht nur das hügeligste (und regenreichste) Gebiet Estlands, sondern auch der Armenhaus des Landes: Der Teufel soll, so die Sage, das Gebiet vergeblich nach Erdnüssen durchwühlt haben… Früher schnitzen die Bauern daher während des Winters Holzpfeifen, um ein Zubrot zum kargen Auskommen zu erhalten. Die damalige Armut ist heute der größte Reichtum: Die Natur, vielfältig wie ursprünglich erhalten, lässt heute den sanften Tourismus boomen. 

Noch gelten die 30 Seen rund um die höchsten Berge des Baltikums als Geheimtipp für alle, die die unberührte Natur ringsum genießen wollen: beim Fischen in einem ruhigen Fluss, Reiten durch Birkenwäldern, Wandern oder Radfahren. Hauptattraktion ist der 318 Meter hohe Suur Munamägi, dessen Name “Großer Eierberg” auf seine eiförmige Kuppe verweist. Samt Aussichtsturm erhebt sich der Berg 346,7 Meter über dem Meeresspiegel – und bietet eine atemberaubende Aussicht auf die Wälder und Seen bis nach Lettland und Russland.

Sonst ist Estland eher flach – die durchschnittliche Höhe beträgt nur 50 Meter über Normalnull. Im Winter überzieht eine hohe Schneedecke die Hügel der Haanja. Dann rühmen sich Otepää, Võru und Kääriku als Wintersportzentren und locken Langläufer und Rodler aus allen Ecken des Baltikums an.

Seltene Begegnung im Wald: eine Elch-Kuh
Seltene Begegnung im Wald: eine Elch-Kuh

70 Kilometer östlich von Tallinn liegt die wild romantische Wald-Wiesen-Landschaft des Lahemaa-Nationalparks mit seinen prunkvollen Herrensitzen und idyllischen Bauernkaten. In den dichten Wäldern haben vom Aussterben bedrohte Tiere wie Braunbär, Luchs und Nerz ihr Refugium gefunden, Adler, Höckerschwäne, Schwarzstörche, Prachttaucher und andere seltene Vogelarten nisten entlang der buchtenreiche Küste. In den Hochmooren schwirren unzählige Mücken über fleischfressende Pflanzen und Wollgras, das sich im Wind wiegt. Im Winter, sagen die Esten, hört man die Wölfe heulen.

ahemaa-Nationalpark: Palmse, Herrenhaus
Estland/Lahemaa-Nationalpark: Palmse, Herrenhaus

Mitten im 650 Quadratkilometer großen Naturpark liegt Palmse, das prachtvollste Gut-Ensemble Estlands. Die Anlage, vom 17. Jahrhundert im Besitz derer von Pahlen, zählt zu den wenigen erhaltenen Herrensitzen deutsch-baltischer Barone. Die Sowjetzeiten überlebte Palmse als Pionierferienlager. Heute kehrt Palmse schrittweise zu altem Glanz zurück. Das Barockschloss, inzwischen Museum, wurde staatlichen Zuschüssen aus Deutschland saniert. Im Paradiesgarten reifen wieder uralte Apfelsorten, und in die alte Schnapsbrennerei ist das Park-Hotel Palmse eingezogen.

Die einzigartigen Hochmoore, Auwälder, Sümpfe und Schwemmlandwiesen von Zentralestland schützt seit 1994 der 36.700 Hektar große Nationalpark Soomaa. Die vier Moore in der Nähe von Viljandi, die ein verzweigtes Flusssystem verbindet, lassen sich ideal per Kanu entdecken. Alternativ erschließt ein schmaler Holzplankenweg als einstündiger Rundkurs das Moorland.

Haapsalu: Bootshaus, Steg durchs Schilf
Haapsalu: Steg durchs Schilf

Die Bucht von Matsalu südlich von Haapsalu zählt zu den wichtigsten Vogelschutzgebieten Europas. Bereits seit 1870 wurden hier die ersten Vögel wissenschaftlich beobachtet– noch heute werden mehr als 120.000 Vögel jährlich beringt. Die Aussichtstürme auf den niedrigen Stranddünen erlauben im Frühling einen Blick auf die Nistplätze von 68 Vogelarten. Auf den Strandwiesen und Waldheiden am Unterlauf des Kasari-Flusses rasten mehr als 250 Arten an Zugvögeln.

Ab Mitte April treffen Hunderttausende von Schwänen zur Rast auf dem Weg nach Norden und Nordosten im Reservat ein. Den schönsten Blick über Estlands größte Auenlandschaft bietet seit 1904 die 300 Meter lange Kasari-Brücke im Dorf Kirbla. Vom kleinen Hafen am Penijoe-Fluss starten Fahrten ins Ried und die Bucht von Matsalu. Zuvor jedoch sollte ein Stopp am Nordufer der Bucht eingelegt werden: Hier informiert ein Studienzentrum mit Vogelmuseum, Videoschau und Beobachtungsturm nicht nur über die gefiederten Seiten dieses Biotops.

Dieser Beitrag ist Bestandteil eines Estlands-Specials gewesen, das 2002 in vier Teilen online auf dem inzwischen eingestellten Portal “Medinet” lief. 

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