Malmö: Boomtown am Öresund

Mit dem Brückenschlag über den Øresund ist Kopenhagens schwedische Schwester nur noch eine gute halbe Stunde vom Hauptbahnhof der dänischen Hauptstadt entfernt: Malmö, Schwedens drittgrößte Stadt und Boomtown von Schonen.

Alle 20 Minuten pendelt ein Shuttle zwischen Kopenhagen und Malmö. Morgens belegen Pendler, versorgt mit Kaffee und „Kanelbulle“, warmen Zimtschnecken, die Sitzplätze, später Studenten, Familien und Touristen. Kurz nach dem Halt am Kopenhagener Flughafen Kastrup lässt der Öresundtåg das Land zurück und beginnt seine Passage über den Sund – acht aussichtsreiche Kilometer zwischen Himmel und Meer.

Wahrzeichen von Malmö: der Turning Torso in Västra Hamnen
Wahrzeichen von Malmö: der Turning Torso in Västra Hamnen

Bei Sonne tanzen unzählige Boote auf den silbrig funkelnden Fluten; bei Nebel schwebt die Bahn wie auf Wolken. Dann erreicht der Zug Schweden, durchfährt Malmös Vorstädte und hält nach 35 Minuten in der Centralstationen, zentral gelegen zwischen Altstadt und Westhafen.

Wo ab 1909 auf Kockum’s Werft U-Boote und Ozeanriesen vom Stapel liefen, Saab-Scania in der damals modernsten Autofabrik Europas seine Fahrzeuge fertigte, entsteht derzeit Malmös modernstes Stadtviertel: Västra Hamnen. Sein Wahrzeichen ist längst weltberühmt: der Turning Torso, ein futuristischer Wohnturm mit bestem Blick und allem Luxus, dessen Baukosten von 180 Millionen Euro ebenso Schlagzeilen machten wie seine Architektur.

Mälmö; der Turning Torso von Västrahamn
Der Turning Torso in Västra Hamnen

190 m ragt der Wohnriese in die Luft – doch nicht gerade, sondern um die eigene Achse gedreht. Dazu wurden neun Kuben mit jeweils fünf Geschossen im Winkel von 90 Grad übereinander gesetzt – aus der ferne wirkt das höchste Gebäude Skandinaviens wie ein Mensch, der gerade zum Golfschlag ausgeholt hat. Entworfen wurde der spektakuläre Bau vom spanischen Star-Architekten Santiago Calatrava (55).

Frisches Obst für die Angestellten, die im Turning Torso von Malmö arbeiten
Frisches Obst für die Angestellten, die im Turning Torso von Malmö arbeiten

Die untersten beiden Kuben sind für Büros bestimmt, die oberen drei Kuben bergen 143 Luxus-Apartments. Rückgrat des höchsten Wohnturms Europas ist der Fahrstuhlschacht, in dem ein Lift in weniger als einer halben Minute sämtliche 54 Stockwerke empor saust. Oben angekommen, klicken Kameras.

Kilometerweit reicht die Aussicht über den Sund – von den Stränden bei Ribersborg über die plötzlich filigran und klein wirkende Øresund-Brücke bis in zu Dächern von Kopenhagen, die in der Abendsonne am Horizont funkeln.

Malmö; das revitalisierte Hafen- und Werftgebiet von Västrahamn
Malmö; das revitalisierte Hafen- und Werftgebiet von Västra Hamnen

Zu Füßen des Turning Torso erstreckt sich ein preisgekröntes ökologisches Wohngebiet, das 2001 für die große europäische Wohnmesse Bo01 fertig gestellt wurde. Die Häuser entwarfen international berühmte Architekten wie Ralph Erskine, Gert Windgårdh und Mario Campi. Immer wieder banden sie Flora und Fauna, Strand und Meer, Kunst und Kultur in ihre Kompositionen ein – mit einer Bühne am Sund, „Segeln“ aus Stein, Teichen, Bootsliegeplätzen, Badebuchten – und Hausbooten.

Mälmö: Oase am Meer in Västrahamn
Oase an der Ostsee

Wassergräben und Kanäle umgeben bis heute auch die Gamla Staden, die Altstadt Malmös. Bis zum Frieden von Roskilde (1658) gehörte die heute 270.000 Einwohner zählende Stadt zur dänischen Provinz Schonen. Erobert wurde sie von König Karl X. Gustav von Schweden – stolz blickt er von seiner Reiterstatue auf dem Stortorget herab.

Malmö: am Stortorget
Am Stortorget

Angelegt wurde der größte Platz von Malmö vom einstigen Bürgermeister Jörgen Kock, der neben einem stattlichen Rathaus auch eine prunkvolle Wohnung für sich ausführen ließ – Kocksa huset, ein prachtvoller Backsteinbau aus dem 16. Jahrhundert mit reich verzierten Treppengiebeln. In der Blütezeit des Heringshandels entstand die St. Petri Kirche – ein wenig erinnert das Gotteshaus aus dem 14. Jahrhundert an die Lübecker Marienkirche.

Schönster Platz der Stadt ist der Lilla Torg mit seinen für Schweden so ungewöhnlichen, farbigen Fachwerkhäusern – sie sind ein dänisches Erbe und machen den „Kleinen Platz“ geradezu heimelig – „hyggelig“. Im Sommer wird in den vielen Straßenlokalen geschlemmt, gelacht, geflirtet, im Winter zu Pop und Rock Pirouetten auf dem Eis gedreht.

Malmö: am Lilla Torg
Aam Lilla Torg

Ein Torweg führt zum Speicher des Hedmanska Gården – hier präsentiert und verkauft seit 1964 das Forum Design Center (FDC) skandinavisches Design von 50 Firmen – Klassiker von Georg Jensen, Marimekko, Kosta Boda und Orrefors, aber auch Werke junge schwedischer Designer.

Große Warenhäuser, Shoppingzentren und Filialen schwedischer und internationaler Ketten drängen sich auf Malmös zentraler Shoppingachse, die sich kilometerlang vom Stortorget über die Södergatan, den Busknotenpunkt Gustav Adolfs Torg und die Södra Förstadgatan bis zum Triangeln erstreckt. Tand und Trödel gibt es auf dem Drottningtorget, wo jeden Sonntag von Mai bis September ein Flohmarkt open-air abgehalten wird.

Malmö: Holzschuhmacher am Lilla Torg
Holzschuhmacher am Lilla Torg

Wenn die Malmöer ihrem großstädtischen Getriebe entfliehen möchten, mieten sie gerne ein Tretboot und schippern ins Grüne, hin zum weitläufigen Gelände von Kungs- und Slottsparken westlich der Altstadt. Mittendrin, umgeben von uralten Kastanien und einem breiten Wassergraben, erhebt sich Malmöhus Slott.

Das größte und älteste nordische Renaissanceschloss wurde bereits 1436 unter dem Dänenkönig Erich von Pommern, der Malmö auch den Greif als Stadtwappen (1473) gab, angelegt. Auf den Grundmauern seines später zerstörten Kastells begann Dänenkönig Christian III. 1537 mit Bau eines Schlosses – doch als Malmö schwedisch wurde, bauten die neuen Herren es zu einer vierflügeligen Festung aus.

Malmö: Historische Garde am Malmöhuis
Malmö: Historische Garde am Malmöhuis

Heute dient Malmöhus als Museumszentrum. Sein moderner Anbau birgt ein Kunstmuseum, ein Naturgeschichtliches Museum mit Aquarium und Tropikarium sowie eine Ausstellung zur Stadtgeschichte. Südlich des Schlossgrabens steckt sich der Slottsträdgården, ein Öko-Idyll mit schnatternden Gänsen, Gärtnerei mit Gemüseverkauf und Malmös kleinstem – und romantischsten – Café.

Der Parkkanal endet am Teknikens och Sjöfartens Hus, einem Museum zur Technik- und Seefahrtsgeschichte. Gegenüber liegt das Revier der Fischer: In alten, falunroten Hütten verkaufen sie ihren Fang, im Garten sind ihre langen Netze zum Trocknen aufgespannt. Aus schmalen, hohen Öfen duftet es nach geräuchertem Lachs, Hering und Makrele.

An den Fischerhütten liegt auch die Haltestelle der Museumseisenbahn, die von Juni bis Oktober am Wochenende zwischen Banerskajen, Bastionen und der Stadtbibliothek, die 1997 vom dänischen Architekten Henning Larsen einen Anbau mit dem Spitznamen „Kalender des Lichts“ erhielt, hin- und her rattert.

Malmö: winterliches Eislaufen am Lilla Torg
Malmö: winterliches Eislaufen am Lilla Torg

Richtung Meer geht der Schlosspark in den Øresund-Park über, der an Malmös „Copacabana“ endet: Ribersborg, Zwei Kilometer lang säumt feinster Sandstrand die seicht abfallende Badebucht, an der die „Blaue Flagge“ ausgezeichnete Wasserqualität garantiert.

Im leuchtend weißen Kaltbadehaus, das 1898 im Jugendstil entstand, können Abgehärtete ganzjährig im Salzwasser baden, in der holzbefeuerten Sauna schwitzen und im gemütlichen Café die Aussicht auf den Sund genießen.

Hinter dem Grün des Parks erheben sich mehrere Quader in Gelb, die als Musterbeispiele des schwedisches Funktionalismus gelten: kantig-hohe Mehrfamilienblöcke, die heute – meist in Eigentum umgewandelt – zu den begehrtesten Wohngebäuden der Stadt gehören.

Blick von Västrahamn auf die Stadt
Blick von Västra Hamnen auf die funktionellen Wohnbauten von Ribbersborg

Einen ähnlichen Boom wie heute erlebte Malmö bereits vor 100 Jahren. Der Ausbau des Hafen und der Bahnanschluss machten es damals zur am schnellsten wachsenden Stadt Schwedens. Von 1900 bis 1920 verdoppelte sich die Bevölkerung auf 113.000 Einwohner. Arbeiterviertel wie Kirseberg, Lugnet, Sofielund und Möllevangen entstanden.

Heute schlägt hier Malmös multikulturelles Herz. Immigranten aus Afghanistan, Pakistan, Indien, Iran und Irak haben die kahlen Straßenzüge mit Backsteinhäusern in Blockbauweise in ein buntes, exotische Viertel verwandelt, das heute Szenegänger anlockt. Falafel-Buden, Thai-Restaurants und Asien-Shops konkurrieren mit cool gestylten Bars und Boutiquen.

Malmö: in Västra Hamnen
Malmö: in Västra Hamnen

Nachts wird in der einstigen Schokoladenfabrik Mazetti abgehottet, die heute neben dem Kulturbolaget, Malmös größter Bühne für Rock und Pop, auch den angesagtesten Nachtclub der Stadt birgt. Feinschmecker zieht zu Möllans Ost am Möllevångstorget, wo zwischen Parmaschinken und Ziegenkäse ein ganz besonderer Käse ruht, gereift im Kümmelschnaps der Hafenstadt: Malmö Akvavit Ost.

In Möllevangen, Malmös ersten geplanten, städtischen Wohnviertel für die Arbeiterklasse, entstand 1893 auch Schwedens erster Vergnügungspark. Vorbild für den Folketspark wurde Kopenhagens Tivoli mit seinen Karussells, Theatern und Tanzlokalen, die Malmö bald schon zu übertreffen suchte – mit dem Bau des „Amiralen“, Ende der 1930er Jahre der größte Tanzpalast Skandinaviens.

Malmö: Blick vom Västrahamn auf die Öresundbrücke
Malmö: Blick vom Västrahamn auf die Öresundbrücke

Der gegenseitige Wettstreit der Sundstädte hat Geschichte – und doch fühlt sich Malmö der dänischen Hauptstadt mehr verbunden als dem fernen Stockholm. Seit der Einweihung der Øresundbrücke sind die Beziehungen noch enger geworden. In Malmö leben, in Kopenhagen arbeiten, ist für viele Dänen und Schweden heute Alltag.

Daher investiert Malmö jetzt mehr als 1,3 Milliarden Euro in ein weiteres Großprojekt: den Citytunnel. Die elf Kilometer lange Direktverbindung von der Öresundbrücke zum Zentralbahnhof soll ab 2011 nach mehr als 100 Jahren Malmös isolierte Lage als Kopfbahnhof beendet und für schnellere Nord-Süd-Verbindungen sorgen.

Für den Bau der neuen unterirdischen Bahnstation am Zentralbahnhof und der Haltestellen „Triangeln“ am gleichnamigen Shoppingcenter sowie „Hyllie“ am Stadtrand fräst sich seit 2004 eine 200 m lange Bohrmaschine durch den Malmöer Kalk im Untergrund, unbemerkt von Bürgern und Besuchern.

Malmö: neue Wohnhäuser in Västra Hamnen
Malmö: neue Wohnhäuser in Västra Hamnen

Malmö: die Infos

Sparen

Freie Fahrt in den Stadtbussen, kostenlose bzw. ermäßigte Eintritte und 24-Std.-Parkticket für das eigene Fahrzeug – mit insgesamt 30 Angeboten vergünstigt die Malmökartet den Stadtbesuch.

Preise: 1 Tag: 130 SEK (14,05 Euro), 2 Tage: 160 SEK (17,30 Euro), 3 Tage: 190 SEK (20,55 Euro)

Erleben

Mitte Juni: Halbmarathon über die Öresund-Brücke

Juni: Mittsommerfest im Folkets Park

August: Malmö Festival

13.Dezember: St. Lucia-Tag

Die Ostsee - ganz nah in Västra Hamnen
Die Ostsee – ganz nah in Västra Hamnen

Schlemmen

Årstiderna i Kocksa Huset

Frans Suelsgatan 3, Tel. +46 40 23 09 10, www.arstiderna.se

Bestnoten für Aal, Schwein, Gans und Lachs: Im Backsteinkeller des Kocksahuset servieren Marie und Wilhelm Pieplow schwedische Hausmannskost stilvoll als Gabelhappen für Gourmets.

Sturehof

Adelgatan 13, Tel. +46 40 12 12 53, www.sturehof.nu

Erst Pub, dann Treffpunkt der Presse, seit 1991 dank Chefkoch Anders Hylin ein Mekka für klassische schwedische Küche im Ambiente von 1920.

Salt & Brygga

Sundspromenaden 7, Tel. +47 40 611 59 40, www.saltbrygga.se

Bio-Küche aus Schonen im neuen In-Viertel Västra Hamnen. Im Sommer herrlicher Sundblick von der Terrasse.

Smak Konsthallen

,St Johannesgatan 7, Tel. +46 40 50 50 35, www.smak.info

Lunch, Brunch oder Kaffeepause für kunstsinnige Genießer – das Smak in der Kunsthalle.

Schlafen

Scandic Hotel Kramer

Stortorget 7, Tel. +46 40 6 93 54 00, Fax +46 40 6 93 54 11, www.scandic-hotels.se

Elite Hotel Savoy

Norra Vallgatan 62, Tel. +46 40 66 44 8-00, Fax: + 46 40 66 44 8-50, www.elite.se

Auskunft

Malmö Tourism

Centralstationen, SE – 21120 Malmö, Tel. +46 40 34 12 00, Fax +46 40 34 12 09, E-Mail: malmo.turism@malmo.se, Web: www.malmo.se

Dieser Beitrag war eine Auftragsarbeit für den Pressedienst von Visit Denmark. In leicht veränderter Form erschient er am 5. September 2009 in den Salzburger Nachrichten. Malmö ist auch Thema in meinen Baedeker-Reiseführern Kopenhagen und Südschweden.

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